Buchtipp: „Mikroorgasmen überall“ von Dominik Eulberg
Von Helmi Tischler-Venter
Der Westerwälder Dominik Eulberg ist ein profunder Naturkenner und leidenschaftlicher Naturkenner. Zudem ist er ein grandioser Erzähler, der komplexe Sachverhalte in Flora und Fauna anschaulich und spannend erklärt, sodass der Leser sich zuerst wundert und letztlich die Natur für ihre Genialität bewundert.
Dierdorf/Köln. „Die Natur ist für mich die größte Künstlerin von allen, eine unerschöpfliche Schatzkammer der Freude und auch eine niemals versiegende Inspirationsquelle. Ihr Farben- und Formenreichtum, ihre Raffinesse regen mich immer wieder von Neuem zu kindlichem Staunen an“, bekennt Eulberg in der Einleitung. Bleibt zu ergänzen, dass das ganze Naturtheater auch noch kostenfrei zu genießen ist.
Der Autor ist kein weltfremder Ewiggestriger, sondern ein international erfolgreicher Techno-DJ, zudem Biologe und Naturschützer. Mit dem Buch leitet er zu kontemplativer Beobachtung und kindlichem Staunen an. Den Reichtum vor unserer Haustür müssen wir erkennen und genießen. Das gilt für farbenprächtige Schmetterlinge und Vögel ebenso wie für den sich ständig wandelnden Wald oder Insekten, Spinnen und Fische mit ungewöhnlichen Lebensformen. Immer geht es um die Arterhaltung, daher ist der Buch-Titel zutreffend.
Arten- und Klimaschutz sind für das Überleben der Menschen unabdingbar, zeigt Eulberg auf, denn wir sind wesentlich weniger flexibel als die Natur. Ihre Flexibilität beweisen Aeronauten wie Mauersegler, die nur zum Brüten den Luftraum verlassen oder Florfliegenlarven, die sich als Wolf im Schafspelz tarnen, um an die lausige Beute zu gelangen. Insekten, die sich im tiefsten Winter auf Schnee fortpflanzen, gibt es erstaunlicherweise wirklich: Winterhafte, auch Schnee- oder Gletscherflöhe genannt.
Kennen Sie Bibergeil oder Castoreum oder Biberkäfer? Wussten Sie, dass die Amsel in Dur singt, die Kohlmeise hinterhältig ihre Futterkonkurrenten mit fingierten Warnrufen verscheucht und der Star duophon singt? Dass Karotten eigentlich weiß waren und aus politischen Gründen, als Hommage an Wilhelm von Oranien orangefarben gezüchtet wurden? Kennen Sie die wildlebende Nandu-Herde in den Rapsfeldern Mecklenburg-Vorpommerns? Wussten Sie, dass Hitler die Umbenennung der insektenfressenden Spitzmaus in „Spitzer“ verhinderte?
Der Schwänzeltanz der Bienen ist bereits legendär, weniger bekannt ist, dass bei manchen Vogelarten das UV-Licht die Partnerwahl bestimmt. Filmmonster haben oft natürliche Ideenvorlagen, so etwa die Larven der Ameisenlöwen.
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Rekorde produziert die Natur allenthalben: Die einzigen Pilze, die man hören kann, sind Kugelschneller, die ihre Sporen mit großer Wucht abschießen. Rekordverdächtige 17 Eier pro Gelege können heimische Blaumeisen ausbrüten. Stress pur! Stressig und extrem schnell lebt der Sandlaufkäfer, sodass er bei seiner Raserei immer wieder Zwischenstopps einlegen muss, um sich optisch zu orientieren. Zur artenreichsten Tierordnung gehören auch heimische Bombardierkäfer. Sie produzieren im Hinterleib Chemikalien, welche als Mixtur eine hochexplosive Wirkung entfalten. Mit einem lauten Explosionsknall giftiger Benzochinon-Sprühnebel verteidigt das kleine Insekt sich wirkungsvoll. Kiefernprachtkäfer erkennen Waldbrände mittels hochempfindlicher photomechanischer Infrarotsensor.
Brandgänse brüten in Erdhöhlen, mitunter auch in Fuchsbauten, wo sie durch die Beißhemmung der Füchse im eigenen Bau ungefährdet sind. Andere Lebewesen schützen sich durch Mimikry, Mimese und Somatolyse vor Fraßfeinden. Schlaumeier wie die Raben nutzen Fremdsprachen gewinnbringend. Turteltauben verhelfen ihrem Nachwuchs zu schnellem Wachstum durch speziell produzierte Kropfmilch aus Wildkräutern und Baumsamen.
Täuschungsmanöver nutzen Blumen wie die Ragwurz als Bestäubungstaktik. Ein „Minibär mit Auferstehungskräften“ ist weniger als einen Millimeter groß, ist weltweit zu Hause und lebt besonders gern in feuchten Mooskissen. Der wohl älteste Glücksbringer der Welt, der Marienkäfer kommt in tausenden Varianten vor und lebt, vor allem die Larven, auch kannibalistisch.
Dominik Eulberg weckt in 57 Kapiteln mit ebenso vielen detaillierten Illustrationen und anhängendem Register das Interesse für die erstaunlichen Naturphänomene, die sich mit etwas Muße und Kenntnis in unsrer Region beobachten lassen. Sehenswert ist auch die Homepage des Naturliebhabers.
Das Buch ist absolut lesenswert und eignet sich als Geschenk. Erschienen ist es im Eichborn-Verlag, ISBN 978-3-8479-0065-8. Bestellbar auch über Amazon. (Anzeige)
(htv)
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