Nicole nörgelt – über Günther und die Allesdichtmacher
Von Nicole
GLOSSE | Ein Anstifter zu Mord und Körperverletzung, der in spätestens einem Jahr „angeklagt und verbrannt“ werden wird. Einer, der sich mitschuldig gemacht hat „am größten Verbrechen an der Menschheit, das je stattgefunden hat“. Ein „Systemling, der sich bei Frau Merkel und ihren Schergen andient“ und vor ein Tribunal „wie bei den Nürnberger Prozessen“ gestellt gehört – wegen „Beihilfe zum Völkermord“. An wen denken Sie bei solchen Sätzen?
Region. Hitler? Mussolini? Fernöstliche Diktatoren vielleicht? Nein, weit gefehlt. Fernsehurgestein Günther Jauch durfte sich jüngst solche Anfeindungen gefallen lassen, weil er es gewagt hat, eine Impfkampagne der Bundesregierung zu unterstützen und dann auch noch an Corona zu erkranken und deshalb einen Show-Auftritt abzusagen. Nein, wirklich. Der traut sich was.
Was wagt der Kerl sich, an einer erfundenen Krankheit zu leiden? Und das dann auch noch öffentlich zuzugeben! Buh! Schreit ihn nieder, ihr Hassbotschafter, Querdenker und Corona-Leugner! Oder noch besser gleich #allesdichtmachen. So wie diese Woche öffentlichkeitswirksam gefordert von über 50 Menschen des öffentlichen Lebens. Kritik „mit den Mitteln von Satire und Ironie“, jaja, schon klar. Wenn es man es nur überheblich genug verkündet, wird alles zur Satire. Mit deren Realität wir alle leben müssen, nicht nur auf den Intensivstationen und in den Krankenzimmern.
Die Meinung zu sagen ist nicht nur legitim, sondern gradezu notwendig, nicht nur in Zeiten wie diesen. Gefährlich wird es, wenn man mit der Reaktion nicht umgehen kann. Wenn man den urdemokratischen Gedanken nicht stehenlassen kann, dass jeder eine eigene Meinung haben darf. Nur die eigene Einstellung zählt und wer die nicht teilt, ist doof! So ziemlich alles außerhalb der eigenen Linie ist dann automatisch Lüge, Verrat, Volksverhetzung.
Und schon fliegen die verbalen Keulen – wenn es denn bei Verbalentgleisungen bleibt. Heute müssen ja nicht nur Allesdichtmacher, die bewusst provozieren, dann auch den Kopf hinhalten. Es müssen schon Investitionslöwen schon Angst vor Morddrohungen haben, wenn sie auf das falsche Produkt setzen. Lokalpolitiker müssen sich anfeinden lassen, wenn sie Schutzmaßnahmen durchsetzen. Pöbelpromis dagegen erhalten Beifall, wenn sie im Fernsehen zur besten Sendezeit gegen Schwule, Dicke oder Behinderte auf primitivste Art keilen, die sind dann nur „offen und ehrlich“. Welt, wo bist du hingekommen?
Aber zurück zu Günther Jauch: Der blickt derweil nach eigenen Aussagen irritiert auf einen wachsenden Hügel böser Schreiben und gibt zu, dass er bei mancher Debatte mit seinem Latein am Ende ist. Und das sagt einer, der auf Wortgewandtheit und Seriosität eine lebenslange, beeindruckende Karriere aufgebaut hat. Aber worüber willst du auch diskutieren mit Leuten, die in jeder Impfung „Euthanasie zum Aufbau eines zionistisch geführten totalitären Systems“ erkennen wollen?
Ich versuche es gar nicht erst. Jeder Versuch wäre wie Schachspielen mit einer Taube: Sie wird nur auf das Brett kacken, die Figuren umschmeißen und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen. Und ja, den Vergleich habe ich natürlich auch im Internet gelesen. Jetzt wissen Sie auch, in welchen schrägen Ecken der digitalen Welt sich Ihre geneigte Nörgeltante nach Feierabend herumtreibt. Vielleicht sieht man sich…
In diesem Sinne,
bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
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