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Nachricht vom 26.05.2021    

Neuwied - Pfingstreiter ohne Zuschauer unterwegs

Pfingstreiter ritten in schwarzem Zwirn und mit geschmückten Zylindern, aber ohne Zuschauer, an der Bimsstraße um die Wette. Das Brauchtum mit dem traditionsreichen Pfingstritt der Heddesorfer Burschen nach Rommersdorf und Engers wird seit mindestens 1564 ausgeübt.

Fotos: Jürgen Grab

Heddesdorf. Wenn auch diesmal wieder, so wie auch ein Jahr zuvor, die ansonsten phantastische Heddesdorfer Pfingstkirmes leider ausfallen musste und auch der obligatorische Wettritt der heimischen „Burschen“ auf dem Gelände an der Bimsstraße leider ohne jegliche Zuschauer stattfand, so kam doch der obligatorische Langstreckenritt der traditionsbewussten Männer an Pfingstdienstag zur Abtei Rommersdorf und schließlich zum Engerser Marktplatz mit den imposanten Pferden von Thomas Kurz in gewohnter Weise zur Austragung.

Wie David Jacoby, der Vorsitzende der Pfingstreiter, erläuterte, ist dies ein traditionelles Brauchtum, das unbedingt Jahr für Jahr durchgeführt wird. Denn wenn dieses Einholen des Tributs einmal nicht stattfinden sollte, dann verlieren die Heddesdorfer ihr verbrieftes Anrecht sowohl in Rommersdorf als auch in Engers ihren vereinbarten Tribut zu erhalten. Insofern empfinden es die Pfingstreiter als eine unbedingte Verpflichtung dieses Ritual auch bei Wind und Regen und sogar in diesen misslichen Pandemiezeiten durchzuführen.

Wie unter anderem vom Engerser Historiker Josef Kretzer zu erfahren ist, weiß man allgemein zwar, dass in Heddesdorf an Pfingsten Kirmes ist, aber weshalb die Burschen aus Heddesdorf in ihren schwarzen Anzügen und mit bunten Bändern an ihren Zylindern am Pfingstdienstag ausgerechnet nach Engers kommen, ist nicht unbedingt bekannt.

Hierüber erzählt Kretzer den folgenden historischen Hintergrund: „Die Heddesdorfer Burschen kommen nach Engers, um den Zins zu kassieren. Denn nicht nur das ehemalige Kloster Rommersdorf war zu einer Tributzahlung an Heddesdorf verpflichtet, auch Engers musste ein Entgelt in Geld oder Naturalien zahlen, das sich die Heddesdorfer am Pfingstdienstag jeweils abholen. Das Kloster war deswegen tributpflichtig, weil es vormals alljährlich seine Schafherden vor der Schur durch den Feldbann von Heddesdorf an die Wied zur Wäsche trieb, was in einem rechtsgültigen Abkommen geregelt worden war.

In dem Abkommen, das die Heddesdorfer mit Engers getroffen hatten, ging es um die Schafweidgerechtsahme "auf dem großen Teilzehnten", einem an die Engerser Gemarkungsgrenze anstoßenden Grundstück der Heddesdorfer. Als Gegenleistung dafür, dass Engerser Schafe auch auf dem angrenzenden Heddesdorfer Grundstück weideten, musste Engers alljährlich einigen Heddesdorfer Abgeordneten am Brunnen auf dem „Teilzehnten“ ein Frühstück verabreichen. Später hat Engers stattdessen fünf Gulden oder zehn Thaler für das Essen aufgebracht und vier Maß Wein verabreicht. Wie die Historiker aus Engers und Heddesdorf weiter berichten, hielten sich die Engerser jahrhundertelang an diese Regelungen und wahrten so ihre Weiderechte bis zum heutigen Tag. Wenn in den vergangenen Jahren die Pfingstreiter nach Engers kamen, dann bestand der Tribut in der Verabreichung eines Mittagessens in einer Gaststätte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es waren lediglich Vertreter der Stadtverwaltung, früher von Engers, später von Neuwied, dabei, denn die neue Stadt Neuwied musste als Rechtsnachfolgerin von Engers in die alten Verpflichtungen eintreten.



Den alten Brauch der Tributzahlung hat Josef Kretzer vom Engerser Bürgerverein in Verbindung mit der Stadtverwaltung und in Abstimmung mit den Heddesdorfer Pfingstreitern wieder neu belebt. Die Engerser "Hoffleuthe" erwarten die Heddesdorfer üblicherweise in historischen Kostümen. Das Ganze spielt sich jeweils am Brunnen vor dem Marktplatz ab.

Wenn auch wegen der derzeit geltenden Corona-Auflagen dieses schöne Historienspektakel in diesem Jahr nicht realisiert werden konnte, so war dieses Geschehen natürlich auch in diesem Jahr, zumindest ansatzweise keinesfalls in Vergessenheit geraten. So waren der Engerser Vorsitzende des Bürgervereins, Bernd Wolf, gemeinsam mit seinem Vereinskollegen Jürgen Hunsdorf pünktlich kurz nach 13 Uhr am vergangenen Dienstag vor den Toren der Schlossschenke gegenüber dem Kurfürstlichen Schloss erschienen, um die tributfordernden Männer aus Heddesdorf zu empfangen.

Der dortige Wirt Christian Eisele war auf Bestreben des Bürgervereins aktiv geworden und hatte einen Imbiss vorbereitet, der zusammen mit etwas Alkohol genüsslich verzehrt wurde. So konnte wiederum die ehemals getroffene Vereinbarung, allerdings in eher spartanischer Weise, auch diesmal wieder erfüllt werden. Wenn es auch nur eine leckere Bratwurst mit Bier und anderen Alkoholika waren, die gereicht wurden, so hatten die Heddesdorfer Pfingstreiter doch mit ihrem „Chef“ David Jacoby und den übrigen Reitern Andreas Leufgen, Dietmar Gansen, Michael Gutfrucht , Maximilian Söhn und „Charly“ Kast sowie mit Pferdebesitzer Thomas Kurz, seiner Ehefrau und Tochter sowie weiteren „Pferdeflüsterinnen“ alle ihren Spaß und auch die geduldigen Pferde waren auf dem Engerser Marktplatz offenkundig zufrieden als sie Heu und Wasser erhielten.

Doch irgendwann hieß es Abschied von Engers nehmen und die ganze prächtige Heddesdorfer Schar, einschließlich der Männer von den „Heddesdorfer Pfingtsradlern“ machten sich unter polizeilicher Begleitung auf den Heimweg, wobei dieses Historienspektakel „zuhause“ in corona-bedingter Weise in froher Runde beendet wurde.

Übrigens: Der Sieger des diesjährigen zuschauerlosen Pfingstrittes auf dem Gelände an der Bimsstraße war mit Maximilian Söhn der jüngste der sechs angetretenen Reiter, der nun ebenfalls mit einem bronzenen Schild auf dem Gedenkstein am Pfingstreiter-Brunnen „verewigt“ wird.
(Jürgen Grab)





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