Nicole nörgelt… über "Brautzilla" und ihren ganz besonderen Tag
Von Nicole
GLOSSE | Hach ja. Die Liebe zu Zeiten der Corona. Dass das nicht einfach ist, wissen nicht nur chronische Singles wie ich. Umso mehr hat mich die Hochzeitseinladung gefreut, die kürzlich in meinen Briefkasten geflattert ist. Aber nun frage ich mich: Bin ich zu engstirnig geworden oder ist hier jemand wirklich zum „Brautzilla“ mutiert?
Die Hochzeiten, zu denen ich bisher eingeladen war, waren eigentlich ganz entspannte, fröhliche Angelegenheiten. Ein frisch vermähltes Paar, das mit Familie und Freunden den Start ins Eheleben feiert – das ist doch schön! Und so kannte ich das Phänomen, dass insbesondere Frauen kurz vor dem großen Tag zu Monstern der Perfektion entarten, bislang nur vom Hörensagen.
Dabei fingen die „freundlichen Hinweise“, die die Braut mit der Einladung vornehmlich an ihre weiblichen Gäste verteilt hat, ja völlig harmlos an: Uhrzeit, Location, Parkmöglichkeiten. Klingt nach guter Organisation. Prima. „Abendgarderobe ist obligatorisch. Damen werden gebeten, kein Weiß oder helle Creme-Töne zu tragen.“ Gut. Formeller Dress-Code, nicht ungewöhnlich zu so einem Anlass. Und in einem weißen Kleid als Gast zu einer Hochzeit zu erscheinen, wäre tatsächlich daneben. Völlig einverstanden, auch wenn ich es fast traurig finde, dass man auf sowas hinweisen muss. Naja. Da will halt jemand alle Eventualitäten ausschließen und dafür sorgen, dass alles perfekt wird an „ihrem ganz speziellen Tag“.
Während ich noch überlegte, wann ich das letzte Mal ein Kleid getragen habe und ob ich nun wirklich eins kaufen muss, machte mich der nächste „Hinweis“ schon etwas stutzig. „Weibliche Gäste werden ersucht, schlichte Frisuren und keine unnatürlichen Haarfarben zu tragen.“ Öhm. Gehört das noch zum Dresscode? Ich kann ja verstehen, dass die Braut bei ihrer eigenen Hochzeit die Schönste sein will. Aber geht es nicht ein bisschen zu weit, den Gästen die Haarfarbe vorzuschreiben? Hm. Ich bin weitläufig mit dem Bräutigam verwandt und kenne die Braut nur von ein paar Begegnungen, aber dass sie so penibel ist, war mir bisher nicht aufgefallen.
In mir machte sich dezentes Unbehagen breit – das schon beim nächsten Punkt blanker Verblüffung wich. „Unsere Hochzeit wird von einem Profi-Fotografen begleitet werden. Corona-Pfunde auf den Fotos sind nicht erwünscht. Alle Gäste – insbesondere Damen – sind daher aufgefordert, vor der Hochzeit auf ihr Gewicht zu achten oder an den auf dem Saalplan gekennzeichneten Tischen im hinteren Teil der Location Platz zu nehmen.“
Mir ist beim Lesen fast die Schokolade aus dem Mund gefallen. „Bist du zu fett, kommst du nicht auf meine Fotos und sitzt am Tisch der Schande!“ Das steht doch da, schön verklausuliert, oder? Und warum fühle ich mich direkt persönlich geohrfeigt? Ja, ich gebe es ja zu, die Schlankste war ich noch nie, und der Lockdown mit dauervollen Kühlschrank und noch weniger Bewegung als sonst hat da noch was draufgepackt. Aber muss ich mich deshalb verstecken? Gilt die viel besungene Body-Positivity plötzlich nicht mehr, wenn eine Frau im Brautkleid in der Nähe ist?
Die Hinweise zu den erwünschten Geschenken – nicht unter 100 Euro Wert! – habe ich dann gar nicht mehr gelesen. Und mir eine Frage selber beantwortet: Nein, ich muss kein Kleid kaufen. Ich sage ab. Vielleicht bin ich ja in Corona-Zeiten tatsächlich zur Stubenhockerin mutiert. Muss ich mir da eine Brautzilla geben, um wieder aufs gesellschaftliche Parkett zurückzukehren? Pfft. Dann lieber glücklicher, dicker Single.
In diesem Sinne, bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
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