Stehendes Totholz ist das beste Kapital
Trendthema Deutscher Wald: Trotz zeitweise strömendem Regen wanderten rund 40 Bürger mit Diplom-Forstwirt Volker Ziesling durch den Leubsdorfer Forst.
Leubsdorf. Die Sprecher des Kreisverbandes Neuwied von Bündnis 90/Die Grünen, Ann-Kathrin Schrepfer und Holger Wolf hatten zur Exkursion mit dem bekannten Experten eingeladen, um Lösungen zur Rettung des durch den Klimawandel ernsthaft geschädigten Wald darzustellen. Begleitet wurde Ziesling unter anderem vom einheimischen Revierförster Oliver Müller und von Forstamtsleiter Uwe Hoffmann aus Dierdorf, die die Erläuterungen des Sprechers der überregionalen Bürgerinitiative „Waldwende jetzt!“ mit zusätzlichem Fachwissen ergänzten.
Einigkeit herrschte über die dramatischen Schäden im 257 Hektar großen Leubsdorfer Forst. Rund 40 Prozent der Fläche sind beziehungsweise waren mit Nadelhölzern, überwiegend Fichten, bepflanzt, die bereits fast ganz der Trockenheit der vergangenen Jahre und der folgenden Borkenkäfer Plage zum Opfer fielen. „Nichts ist mehr so, wie es noch vor fünf Jahren war“, erklärte Volker Ziesling vor betroffenen Flächen mit Totholz: „Jetzt kommt es darauf an, wie wir die Weichen für die nächsten 100 Jahre stellen. Wählen wir die falsche Strategie, erwartet uns in 20 Jahren das ‚Waldsterben 3.0‘. Aber das Waldsterben von heute kann auch eine Chance für die Zukunft sein.“
Ziesling und die Initiative „Waldwende jetzt!“ lehnen Modelle nach dem Motto „Klotzen statt Kleckern“ ab, die unter anderem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vertritt: „Mal eben eine Milliarde Euro heraushauen und auf Teufel komm raus überall schnell aufforsten, ist der falsche Weg.“ Als Beispiel vor Ort wies Ziesling auf eine Neupflanzung mit Douglasien hin, die keinen Erfolg hatte.
Experten wie Volker Ziesling empfehlen stattdessen, die betroffenen Flächen sich zumindest einige Jahre lang selbst zu überlassen und auch das abgestorbene Holz nicht „auszuräumen“, um damit vielleicht noch einen kleinen kurzfristigen Gewinn zu erwirtschaften: „Stehendes Totholz ist das beste Kapital für kommende Generationen.“ Überlässt man die abgestorbenen Waldteile für einige Zeit sich selbst, wachsen dort zuerst niedrige Pflanzen wie zum Beispiel Roter Fingerhut, dann Büsche und der sogenannte Vorwald, wobei sich auf natürliche Weise die zum jeweiligen Standort am besten passenden Pflanzen durchsetzen: „Etwas später, nach der ersten natürlichen Sukzession, lassen sich Vorwälder am besten steuern.“
Alle Beteiligten der Exkursion waren sich einig, dass die Lösung für jede „Waldgesellschaft“ individuell zu finden ist und kein generelles Konzept, das für jeden Fall anwendbar wäre, umsetzbar sein kann. Volker Ziesling: „Wir brauchen eine systemische Wende. Es gibt kein sinnvolles multifunktionales Konzept. Jede Gemeinde muss für sich entscheiden, was für sie speziell das wichtigste Ziel ist. Geht es um Hochwasserschutz? Oder um Klimaschutz? Um Biodiversität? Oder darum, sich mit Holz einzudecken? Man kann nicht alles haben, Multifunktionalität ist kein Konzept für die Entwicklung des Waldes in der Zukunft – jeder muss sich entscheiden.“
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