Werbung

Nachricht vom 15.10.2021    

Spannende Lesung mit Sandra Lüpkes in Linz

Von Helmi Tischler-Venter

Die Schriftstellerin Sandra Lüpkes zog mit ihrer unterhaltsamen Kombination aus Lesung, Fotodokumentation und Erzählungen von der spannenden Recherchearbeit die Zuhörerschaft in der Stadthalle Linz am Donnerstagabend, dem 14. Oktober in ihren Bann. "Die Schule am Meer" ist ihr neuer Roman, der während der Weimarer Republik auf der Insel Juist spielt.

Sandra Lüpkes in der Linzer Stadthalle. Fotos: Helmi Tischler-Venter

Linz. Sandra Lüpkes kennt Juist sehr gut, weil sie selbst als Tochter des Inselpastors dort aufgewachsen ist. Bekanntheit erlangte die Autorin durch Nordseekrimis. Sie veröffentlichte auch diverse Kurzgeschichten, schrieb ein Kindermusical, arbeitete als Dozentin für verschiedene Bildungseinrichtungen und ist als Drehbuchautorin tätig. Sie lebt jetzt in Berlin. Nachdem sie im letzten Jahr im Rahmen des Westerwälder Literatursommers in Wissen gelesen hatte, kam sie nun an den Rhein und fand Linz „wunderhübsch“.

Lüpkes bekannte, dass sie eigentlich von dem Strand-Vokabular hatte Abstand nehmen wollen, dass jedoch die Arbeit an dem Buch sie an Orte geführt hat, von denen sie nie erwartet hätte, hinzukommen. Sie nahm, anschaulich belegt mit alten und aktuellen Fotos, ihr Publikum mit auf eine Reise ins Jahr 1925 auf die Insel Juist. Dort in einem besonders kargen, sandigen Gebiet, dem Hook, gab es tatsächlich die besondere Inselschule, die von vier engagierten Lehrer-Ehepaaren gegründet und mit Herzblut geführt wurde. Eine „Schule ohne Angst“, in der Lehrer und Schüler gleichberechtigt waren, mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Dann gab es diese Internats-Schule nur neun Jahre lang!

Im Inselmuseum fand Lüpkes das „Logbuch“: 800 maschinengeschriebene Seiten Tagebuch des Schulleiters, ein Riesenkosmos für die Schriftstellerin, aus dem sie ihre Protagonisten komponierte.

„Mosquito“ wurde von seinen Eltern in die Schule geschickt und fühlte sich dort zunächst gar nicht glücklich, denn verpflichtendes Ritual für alle Zöglinge war die Teilnahme am morgendlichen mystischen Tauchbad im Meer, von April bis Oktober bei jedem Wetter. Er hätte gern zu den „Bären“ gehört, denn die Bären fuhren mit einem eigenen Boot zur See, hatten Physikunterricht an Bord und wurden als Rettungsschwimmer ausgebildet. Die „Wölfe“ dagegen spezialisierten sich auf künstlerische Arbeiten, führten jedes Jahr zwei bis drei große Theaterstücke auf und gingen landesweit auf Tournee. Die Kameradschaften fungierten als Ersatzfamilien.



Der Schulbesuch kostete Geld, und der Anteil finanzkräftiger jüdischer Schüler war besonders hoch. Die Schule expandierte und kaufte nach und nach das ganze Hook. Erstarkender Antisemitismus schlug Risse in die Idylle. Das wird deutlich an dem Lehrer-Ehepaar Paul und Anni. Paul engagiert sich links, Anni stammt aus einem wohlhabenden jüdischen Intellektuellenhaushalt in Frankfurt. Annis Mutter wird der Zugang zum Inselhotel verwehrt, weil Juden dort plötzlich unerwünscht sind.

Der Winter 1928/29 war extrem, Juist war abgeschnitten, die Bewohner hungrig und krank. Man wagte sogar die gefährliche Fahrt über das Eis zum Festland, um Medikamente zu holen. Bei der Trauerfeier für das Küchenmädchen der Schule erlitt Paul einen Blutsturz. Anni bezahlte den von einem Nazi-Schergen geforderten horrenden Preis, um für Pauls Abtransport in ein Schweizer Krankenhaus die erste Flugzeuglandung auf der Insel zu ermöglichen.

1933 befahl der Bürgermeister, dass Juist judenfrei zu sein habe, ansonsten sehe er keine Zukunft für die Privatschule. Das bedeutete für den Schulleiter, dass er Anni, die frisch verwitwet war und ein Jahr zuvor die vierte Tochter geboren hatte, zusammen mit den anderen jüdischen Lehrern und Schülern wegschicken musste. Damit die Kollegen nicht über ihr Schicksal abstimmen mussten, kündigte Anni von sich aus. Das erfuhr Lüpkes bei ihren Recherchen aus Annis Briefen an ihre Kinder. Hartnäckigkeit bei der Suche hatte der Autorin zu einem Kontakt mit der jüngsten Tochter Annis verholfen, die inzwischen Politikerin in der Schweiz ist. In die Schweiz konnte Anni emigrieren, weil sie Jahre zuvor ein steiniges Grundstück im Tessin gekauft hatte, am Ufer des Lago Maggiore.

Die Schule blutete aus. 1936 befand sich in den Gebäuden ein Ferienheim für die Hitlerjugend.

Sandra Lüpkes gab zum Abschluss eines faszinierenden Leseabends ihrem Publikum Annis Lebensmotto mit auf den Heimweg: „Es geht im Leben nicht um Angst, auf den Mut kommt es an!“ (htv)


Lokales: Linz & Umgebung

Jetzt Fan der NR-Kurier.de Lokalausgabe Linz am Rhein auf Facebook werden!

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
   


Anmeldung zum NR-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Neuwied.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Kultur


Himmlische Weihnacht in Altenkirchen: Late-Night-Shopping mit Musik und Kulinarik

Altenkirchen. Am Donnerstag, dem 5. und Freitag, den 6. Dezember 2024, lädt der Aktionskreis Altenkirchen ab 16 Uhr zur "Himmlischen ...

Adventskonzert in Unkel

Unkel. Die Veranstaltung wird organisiert von der Heidelberger Kulturvereinigung piano international eV in Zusammenarbeit ...

Galerie Blattwelt lädt nach Niederhofen ein

Niederhofen. In dem Druckereimuseum werden großformatige Prachtbände der Vergangenheit gezeigt. Höhepunkt ist hier die Lüneburger ...

Buchtipp: "Von Aschenputtel bis Zwerg Nase - Märchen in politischen Karikaturen" von Horst Haitzinger

Dierdorf/Oppenheim. Der 1939 geborene Österreicher Horst Haitzinger denkt nach eigenem Bekunden in Bildern und der übliche ...

Kleinkunstbühne präsentiert: Kunst gegen Bares KGB

Neuwied. Das Motto von Kunst gegen Bares ist: Kunst hat einen Wert! Abgestimmt wird am Ende über Geld, das in Sparschweine ...

Einladung zur Finissage der Ausstellung Peter Nagel

Linz. Noch einmal haben zur Finissage, am 24. November um 15 Uhr Kunstinteressierte die Gelegenheit, die großartigen Gemälde ...

Weitere Artikel


Unkel sucht Weihnachtsbäume

Unkel. Wenn nach einer Ortsbesichtigung der Baum geeignet ist, sägen die Mitarbeiter des städtischen Bauhofes den Nadelbaum ...

KWW: Erneuerung der Wasserleitung in Hesseln vor dem Abschluss

Neuwied. In dem rund 850 Meter langen Bauabschnitt traten in der Vergangenheit aufgrund starker Korrosion bereits Versorgungsunterbrechungen ...

Katharinenmarkt soll Corona-konform und sicher stattfinden

Hachenburg. Gemeinsam mit Ulrich Kuschmirtz, welcher seit über 25 Jahren als Marktmeister den Katharinenmarkt organisiert, ...

Herbstzeit ist Gartenzeit

Region. Es ist aber auch die Zeit zum Pflanzen in Vorfreude auf den nächsten Frühling. Während der Gärtner Blumenzwiebeln ...

Spur der Verwüstung zieht sich durch Neuwied

Neuwied. Offensichtlich zogen unbekannte Täter durch den Bereich der Innenstadt und hinterließen eine Vielzahl von Sachbeschädigungen. ...

Stadt-Bibliothek Neuwied hat Öffnungsregelungen gelockert

Neuwied. Jetzt dürfen sich Nutzer ab sofort eine Stunde lang in der Bibliothek aufhalten statt wie bisher lediglich 15 Minuten. ...

Werbung