Buchtipp: „Dickau findet einen Toten“ von Bettina Giese
Von Helmi Tischler-Venter
Gieses Protagonist Manfred Dickau ist ein Gescheiterter: Ein Mann, der mit seinen 62 Jahren beflissen jede Frage beantwortet, wenn sie ihm nur entschieden genug gestellt wurde. Ein ehemaliger Lehrer, der an einer Berliner Realschule an den zermürbenden pubertierenden Achtklässlern scheitert und sich in Krankheit und Frühpensionierung flüchtet.
Dierdorf/Karlsruhe. Seine Frau verlässt ihn nach einem Selbsterfahrungs-Seminar, ersatzweise schafft er sich einen Hund an. Da der menschenscheue Dickau sehr früh am Tag mit dem Hund in den Wald geht, ist er es, der den Toten findet. Er kennt den Ermordeten von einer Protestversammlung gegen die Umgestaltung des Pfarrgemeindesaals Eichkamp in eine Altentagesstätte, deren künftiger Leiter der tote Mann namens Oliver Schönfeld werden wollte. Auch der ist ein gescheiterter Lehrer, der bereits im Referendariat scheiterte, aber ein großer, durchtrainierter Typ, der seines blendenden Aussehens wegen viel Erfolg bei Frauen hat, bei alten und jungen.
Jürgen Strohschneider setzt bei seinem ersten Einsatz als Vorermittler im Auftrag der Polizei, Dickau als Helfer ein. Sie fangen mit der Befragung von Schönfelds attraktiver Freundin Anja an, die Dickaus vollstes Mitgefühl erregt. Anja gesteht, dass Schönfelds frühere Freundin, eine Lehrerin, sich kürzlich ihretwegen von dem Mann getrennt hat und dass ihr Freund Ärger hat mit Familienangehörigen einer Pflegeheimbewohnerin, die ihn als Erben eingesetzt hat.
Die Ermittlungen an Schönfelds ehemaliger Arbeitsstelle zeigen, dass dieser nicht nur Freunde beim Personal hatte. Auch im Lehrerkollegium gab es einige, die ihn für einen Schönling und Schaumschläger hielten. Um mit der ehemaligen Freundin zu sprechen, müssen die beiden Vorermittler deren Arbeitsstelle, ein Gymnasium aufsuchen. Dabei erweist sich, dass beide von der Schule traumatisiert sind. Beide sind Einzelgänger, einsame Loser ohne lange haltbare Beziehungen. Die gemeinsame Recherche verbindet sie und bringt Bewegung in ihr Leben.
Dickau ist ein Gewohnheitsmensch, der Rituale liebt und „die Sicherheit seines kleinen Hauses braucht, insbesondere am Abend, seine festgelegten Fernsehsendungen, die ihm halfen, der Woche eine Ordnung und einen Sinn zu verleihen, die Nähe seines Bettes.“ Schlaf findet er allerdings nur noch nach dem Konsum von reichlich Alkohol. Die Arbeit als Vorermittler im Mordfall Schönfeld erweckt seinen Lebensmut.
Schönfelds Freundinnen haben beide ein Alibi, bei der Vermieterin und deren Nachbarin war er offenbar sehr beliebt. Die Ermittlungen bringen keine für die Kripo verwertbaren Erkenntnisse. Oder doch?
Die Autorin Bettina Giese verarbeitet ihre Insider-Kenntnisse des Schuldiensts auf humorvolle Weise in ihrem Erstlingsroman. Auch im Berliner Stadtteil Eichkamp kennt sie sich gut aus. So erlangt die Handlung große Authentizität und ermöglicht eine sehr unterhaltsame und spannende Lektüre.
Erschienen ist das Taschenbuch bei „Der kleine Buchverlag“, Karlsruhe, ISBN 978-3-7650-8810-0. (htv)
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