Tochter tötet Mutter - Wie wird das Landgericht Koblenz urteilen?
Von Wolfgang Rabsch
Beim Landgericht in Koblenz kam es zu einem weiteren Fortsetzungstermin, bei dem es um den Tod einer 52-jährigen Frau geht, die von ihrer 22-jährigen Tochter im April 2021 im Zustand der Schuldunfähigkeit getötet worden sein soll.
Koblenz. Dass die Tochter den Totschlag begangen hat, ist unzweifelhaft festgestellt, hat sie doch die Tat mit ihrem Smartphone auf Video festgehalten. Die 22-Jährige hat in einem Ort in der VG Dierdorf am 21. April 2021 nach vorausgegangenen Streitigkeiten, ihre Mutter zunächst mit einer Personenwaage mehrfach auf den Kopf geschlagen, bis diese zu Boden ging. Anschließend stieß sie mit zwei Messern mehrfach in den Rücken der Mutter, woran diese verstarb. Die beiden Messer ließ die Angeklagte im Rücken der Mutter stecken.
Im Laufe der bisherigen Beweisaufnahme wurden mehrere Zeugen gehört, Nachbarn, Lebensgefährte des Opfers, Sanitäter und Polizisten. Da die Zeugenliste erschöpft ist, kommen nun die Gutachter zu Wort, die ihre Expertise zum psychiatrischen Ausnahmezustand der Angeklagten abgeben sollen.
Schuldgefühle am Tod des Vaters
Zunächst erstattete Dr. Sergiy Davydenko von der Universitätsklinik Mainz sein forensisch-psychiatrisches Gutachten. Der Sachverständige berichtete, dass er die Angeklagte zu drei Gesprächen in der psychiatrischen Einrichtung aufgesucht hat. Der Sachverständige (SV) berichtete, dass die Angeklagte während den Explorationen geweint habe, jedoch nicht verwirrt gewesen sei. Er habe den Eindruck gewonnen, dass sie ihre Lage erkannt und sich damit abgefunden habe. Der SV konnte einige neue Erkenntnisse zu den Gründen feststellen, die letztendlich zur fürchterlichen Tat führten. Der Vater habe die Angeklagte oft geschlagen und auch vergewaltigt. Die Mutter habe das entweder verdrängt oder ganz einfach weggeschaut.
2011 ist der Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, weil ein Krankenwagenfahrer von der Sonne geblendet gewesen sei und dadurch den Unfall verursacht habe. Bis dahin hatte die Tochter den Tod des Vaters gewünscht, doch nun gab sie sich die Schuld an seinem Tod. Sie glaubte an das Leben nach dem Tod, sie hat die Sonne angebetet, glaubte an einen Sonnengott, die Sonne war das Höchste für sie, einfach unfehlbar. Da die Sonne jetzt Schuld am Tod des Vaters gewesen sein sollte, gab sie sich die Schuld an seinem Tod.
Ein weiteres traumatisches Erlebnis hatte die Angeklagte angabegemäß mit 16 Jahren, als ihr damaliger Freund sie vergewaltigte, sie dabei so betrunken gewesen war, dass sie praktisch von der Tat nichts bemerkte. Mit 19 Jahren fand noch ein Schwangerschaftsabbruch statt. Alle diese Themen seien bei ihr am Tattag „hochgekommen“. Sie wollte auch mit der Mutter darüber sprechen, die winkte jedoch ab und meinte, sie würde nur das Negative erzählen, sie solle doch an das Positive denken. Dann machte die Mutter ihr Vorwürfe, dass sie nicht arbeite und ihr Leben nicht in den Griff bekomme.
Der SV weiter: „Mit 13 Jahren hat die Angeklagte damit begonnen, Drogen und Alkohol zu konsumieren, was zur Folge hatte, dass sie einmal mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie verbracht hat. Eine Ausbildung zur Altenkrankenpflegerin hat die Angeklagte abgebrochen, sie hat lieber Sonnenunter- und Aufgänge am Rhein beobachtet. Sie war Schulabbrecherin, hat oft die Schule geschwänzt und viel geweint. Vorwürfe deshalb seitens der Mutter fand sie ungerechtfertigt.“
Der SV bestätigte auch, dass die Angeklagte sich oft selbst geritzt und geschnitten hat, am Oberschenkel und am Unterarm. Zu ihrer Schlaflosigkeit kamen noch ein großer Sterbewunsch, Verfolgungswahn und Paranoia hinzu. Schließlich fing sie auch noch an sich mit dem Buddhismus zu beschäftigen.
Wörtlich sagte der SV: „An Einzelheiten der Tat kann die Angeklagte sich nicht erinnern. Sie hatte keine Drogen genommen, hatte nur eine Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Sie sei nicht sie selbst gewesen, als sie ihre Mutter tötete, alles sei wie unter einem Schleier abgelaufen.“
Dr. Davydenko bescheinige der Angeklagten eine paranoide Schizophrenie, es bestünden keine Zweifel an ihrer Schuldunfähigkeit gemäß § 63 Strafgesetzbuch, da eine dauerhafte, krankhaft seelische Störung vorliegt. Eine Gefährdung der Allgemeinheit ist nicht auszuschließen, da ebenfalls eine Borderline-Persönlichkeitsstörung besteht.
Die Hauptverhandlung wurde unterbrochen und wird am 2. Dezember 2021 fortgesetzt. Dann soll eine weitere Sachverständige ein Gutachten erstatten, und möglicherweise das Urteil gesprochen werden. (Wolfgang Rabsch)
Hier geht es zum Bericht des ersten Prozesstages.
Hier geht es zum Bericht des zweiten Prozesstages.
Lokales: Dierdorf & Umgebung
Jetzt Fan der NR-Kurier.de Lokalausgabe Dierdorf auf Facebook werden!