BUND kritisiert Bebauungspläne in VG Dierdorf scharf
Der BUND erhebt umfangreiche Einwendungen wegen zügellosen Flächenverbrauchs bei der Ausweisung von Neubaugebieten in der Verbandsgemeinde Dierdorf. Klima-, Boden- und Hochwasserschutz werden Angabe gemäß missachtet.
Dierdorf. „Die Gemeinden verplanen gerade die Naturräume rund um unsere Dörfer, als gäbe es kein Morgen. Mit fadenscheinigen Argumenten und Daten betreibt zum Beispiel die Verbandsgemeinde Dierdorf für Großmaischeid und Marienhausen eine Bebauungsplanung, die weder die Klimakrise oder den Hochwasserschutz ernst nimmt noch die Zukunft künftiger Generationen sichert.“ Mit diesem drastischen Fazit fasst der BUND-Regionalbeauftragte für Koblenz und das nördliche Rheinland-Pfalz Egbert Bialk die umfangreichen Stellungnahmen des Umweltverbandes zu vier laufenden Bebauungsplanungen in Großmaischeid und Marienhausen zusammen. Der Naturverbrauch müsse deutlich zurückgefahren werden, Innenentwicklung Vorrang erhalten und mit belastbaren Daten ein unvermeidbarer Bedarf an Neubauplätzen nachgewiesen werden. Bialk: „Der Beschleunigungs-Paragraf 13b des Baugesetzbuches wird dazu missbraucht, schnell noch Neubaugebiete auf Vorrat zu genehmigen.“
Zum Hintergrund:
Im § 13b des Baugesetzbuches BauGB hat man Gemeinden in einem vereinfachten Verfahren von der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung befreit, allerdings nur bis zu einer Flächengröße von 10 000 Quadratmetern und eigentlich mit dem Ziel für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Dies wird aber gerade in kleinen, ländlichen Gemeinden zur vereinfachten Vorratshaltung genutzt, und man heizt damit hier den Flächenverbrauch weiter an, wie auch das Umweltbundesamt bemängelt. Die Wohnungsnot dort zu mindern, wo sie am meisten drückt, in den Metropolen, wird damit nicht erreicht.
Der „Flächenfraß“ droht aktuell auch in der Verbandsgemeinde Dierdorf überhand zu nehmen. In Großmaischeid werden zeitgleich gleich drei Bebaubauungspläne genehmigungsreif gemacht: „Burwiesenstraße“, „Dörnchen“ und „Zu den Auen“ Hinzu kommt in Marienhausen noch der Bebauungsplan „Auf den Herzenberg“.
In Großmaischeid trickst die Verwaltung ganz offensichtlich mit der Größe, denn man teilt die insgesamt über 22.000 Quadratmeter in drei Einzelpläne und ist dann jeweils unter dem Grenzwert von 10.000 Quadratmetern. Sie stehen aber in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang, das ist auch nach Meinung des Rechtsanwaltes Tobias Kroll unzulässig ohne eine fundierte Umweltverträglichkeitsprüfung. Auch die Maßgabe des § 2 BauGB, dass die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden, also hier mit Marienhausen, aufeinander abzustimmen sind, wurde missachtet.
Eine Wohnungsnot infolge steigender Bevölkerungszahlen in der Verbandsgemeinde ist nicht zu erkennen. Für die Gemeinde Marienhausen wird von der Verbandsgemeindeverwaltung behauptet, es gebe eine stabile, leicht ansteigende Einwohnerzahl. Dabei ist dort die Bevölkerung jetzt schon klar rückläufig, von 530 auf 493 in den letzten zehn Jahren, also ein Minus von sieben Prozent. Für den BUND sind das „Taschenspielertricks, um Grundstücke zu erschließen und lukrativ zu veräußern. Auch innerörtliche Grundstücke bleiben so unbebaut, Möglichkeiten der Nachverdichtungen bleiben ungenutzt, und künftige Leerstände sind vorprogrammiert. Eine Datenerhebung hierzu fehlt in den Unterlagen. Der Grundsatz der vorrangigen Innenentwicklung nach § 1 BauGB wird auf den Kopf gestellt. Zwar haben die Kommunen weitreichende Planungshoheiten, aber die bundesweit geltenden Gesetze dürfen dabei nicht grob missachtet werden.“
Hierzu gehört insbesondere auch der Klimaschutz im Sinne einer Sicherung der Lebensgrundlagen und Freiheits- und Gestaltungsspielräume künftiger Generationen. Dies ist nicht nur im § 1a des BauGB ausdrücklich hervorgehoben, es hat sogar Verfassungsrang: Am 24. März 2021 fällte das Bundesverfassungsgericht ein weitreichendes Urteil, das alle staatlichen Ebenen zu deutlich verstärkten Maßnahmen gegen die Klimakrise verpflichtet. Diese müssen so wirksam und konkret sein, dass auch die Kinder, Enkel und Nachgeborenen ihre Grundrechte in der Zukunft frei ausüben können. Das gilt auch für den Bereich der Bauleitplanung, also die Kommunen. Die vorliegenden Bebauungspläne genügen diesem Anspruch nicht, sie sind völlig neu zu überdenken und zu überplanen oder aufzugeben. Auf Projektebene haben sich durch die Aufnahme des Schutzgutes Klima in das UVP-Gesetz auch die Anforderungen an die Umweltprüfungen für Einzelvorhaben verschärft. Hier müssen die Auswirkungen auf Treibhausgase und das Globalklima untersucht und bewertet werden. Allgemeine Klimaschutzziele wie im Klimaschutzkonzept des Kreises Neuwied müssen konkretisiert werden. Das fehlt.
Die Stellungnahmen des BUND enthalten auch detaillierte Mängellisten bei der Bewertung des Artenschutzes. Da keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, bleiben die Aussagen der Verwaltung meist im Pauschalen und Allgemeinen. Weder die Auswirkung auf geschützte Flora und Fauna, seien es Greifvögel oder Fledermäuse, wurden berücksichtigt noch die Verluste an den verschiedenen Biotoptypen. Auch der Verlust an fruchtbarem Boden, wichtig für die Weiterexistenz einer bäuerlichen Landwirtschaft und für die Speicherung von CO₂ und Wasser, bleibt unausgeglichen.
Die Quellbereiche und Quellbäche, Zuflüsse zum Großmaischeider Bach und Holzbach dürfen nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU sich nicht verschlechtern. Und nach der furchtbaren Flutkatastrophe an der Ahr sollte jedem Planer und jedem Ratsmitglied auch in Dierdorf klar sein, dass wir die Hochwassergefahren durch Starkregen niemals unterschätzen dürfen.
Der BUND fordert aus all diesen Gründen und wegen gravierender Planungsdefizite die Gremien in der VG Dierdorf dazu auf, die vier Bebauungspläne so nicht zu beschließen. (PM)
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