Gerichts-Entscheidung des Monats: Streitiges Erbe
Kann ein im gemeinschaftlichen Ehegattentestament mit einem konkreten Grundstück bedachter Schlusserbe die lebzeitige Schenkung unter anderem eben dieses Grundstücks durch die Erblasserin an deren miterbende Tochter zurückfordern? - Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Sachverhalt:
Koblenz. Die Parteien sind Geschwister. Ihre Eltern errichteten im Jahre 1969 ein Testament, in dem sich die Ehegatten wechselseitig als alleinige Erben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzten. Nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sollte der Kläger nach diesem Testament ein in K. gelegenes Grundstück als Alleinerbe erhalten. Der Vater der Parteien verstarb zuerst, sodass die Mutter zur nicht befreiten Vorerbin wurde. Die Parteien sowie ein weiterer Bruder wurden zu Nacherben. Lange nach dem Tod ihres Ehemanns übertrug die Mutter der Parteien der Beklagten unentgeltlich ein Grundstück in P. sowie ihren Miteigentumsanteil am besagten Grundstück in K.. Darüber hinaus erhielt die Beklagte bezüglich des Grundstücks in K. ein kostenloses lebenslanges Wohnungs- und Gartennutzungsrecht. Im folgenden Jahr erteilte sie der Beklagten zudem eine notarielle Vollmacht.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Mutter in den letzten Lebensjahren versorgt und zuletzt auch gepflegt hat. Der Kläger behauptet, dass die mittlerweile verstorbene Mutter der Parteien kein Eigeninteresse an dieser Schenkung gehabt, sondern mit Beeinträchtigungsabsicht zulasten des Klägers gehandelt habe. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes und der bereits zu Lebzeiten der Mutter an die Beklagte geflossenen Gelder überschritten nach Auffassung des Klägers den Wert der von der Beklagten erbrachten Leistungen jedenfalls ganz erheblich. Der Kläger begehrt die Übertragung des Grundstücks in K. auf ihn selbst und des Weiteren übertragenen Grundstücks an die Erbengemeinschaft sowie die Bewilligung der Löschung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechts im Grundbuch.
Entscheidung
Es handelt sich um ein Teilurteil. Nur die oben genannten Begehren sind Gegenstand dieser Pressemitteilung. Eine Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 818 ff. BGB hat das Gericht abgelehnt. Eine Herausgabe des Geschenks kann der Erbe in entsprechender Anwendung des § 2287 Abs. 1 BGB nämlich nur dann verlangen, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, den Erben zu beeinträchtigen. Dies ist zwar schon dann der Fall, wenn der Erblasser weiß, dass er durch das Geschenk das Erbe schmälert.
Da der Erblasser dies jedoch nahezu immer weiß, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zusätzlich eine Missbrauchsprüfung erforderlich. Ein Missbrauch liegt trotz dieses Wissens um die Beeinträchtigung des Erbes dann nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der vorgenommenen Schenkung hatte. Ein solches Eigeninteresse kommt dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls Pflege geht oder wenn der Erblasser mit dem Geschenk einer sittlichen Verpflichtung nachkommt, weil er einer Person, die ihm besonders geholfen hat, damit danken will. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Verpflichtung sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung et cetera kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dadurch im eigenen Haus wohnen bleiben zu können. Es ist auch als ein anerkennenswertes Eigeninteresse anzusehen, wenn der Erblasser durch das Geschenk eine ihm nahestehende Person an sich zu binden versucht.
Der Erbe, der das Geschenk herausverlangen will, ist für das fehlende Eigeninteresse des Erblassers beweispflichtig. Nach durchgeführter Vernehmung von Zeugen nahm das Gericht hier an, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der Schenkung bestand, welches der Annahme eines Missbrauchs der Verfügungsgewalt entgegenstand. Nach der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte sowohl vor der Schenkung als auch noch danach ganz erhebliche Betreuungs- und Versorgungsleistungen für ihre Mutter erbrachte. So begleitete sie diese bei vielen Gelegenheiten im Alltag, machte Erledigungen, besorgte den Haushalt und unterstützte die Mutter in finanziellen Angelegenheiten. Bereits diese Unterstützungsleistungen stufte das Gericht als erheblich ein, auch wenn die eigentliche Pflege der Erblasserin erst nach der Schenkung erforderlich wurde.
Nach der Überzeugung des Gerichts aufgrund der Zeugenaussagen ging die Erblasserin bei der Schenkung davon aus, dass die Beklagte ihr auch weiterhin zur Seite stehen werde, wie es dann tatsächlich auch der Fall war. Das Gericht erkannte zudem, dass der erhebliche Pflegebedarf der Mutter der Parteien anderenfalls zu ganz erheblichen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst geführt hätte, um ihrem Wunsch entsprechend im Haus wohnen bleiben zu können. Erst recht hätte eine stationäre Unterbringung in einem Altenheim erhebliche Kosten verursacht, die das Erbe ebenfalls geschmälert hätten. (PM)
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