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Nachricht vom 02.02.2022    

Wolf "GW1896m" liebt außerhalb des Waldes das Fleisch von Schafen

Was sich die Brüder Grimm vor langer Zeit ausdachten, hat die Realität längst ein- und auch überholt: Das Tiermärchen "Der Wolf und die sieben Geißlein" stellt "GW1896m" mit über 50 gerissenen Schafen im nördlichen Rheinland-Pfalz und im unmittelbar angrenzenden Rhein-Sieg-Kreis (Nordrhein-Westfalen) bei weitem in den Schatten.

Ist es "GW1896m" oder nicht? Im Jagdrevier von Jan Lock in der Nähe von Helmenzen-Oberölfen tappte dieser Wolf in eine Fotofalle. (Foto: Wildtierkamera von Jan Lock)

Altenkirchen. Die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld und mit ihr die im westlichen Zipfel gelegenen ausgedehnten "Wälder auf der Leuscheid", die sich im Nachbarbundesland Nordrhein-Westfalen fortsetzen, haben sich seit wenigen Jahren als ständiger "Wohnsitz" für Wölfe etabliert. Das "Leuscheider Rudel" wird inzwischen von Experten beider Bundesländer im Auge behalten. Schon mindestens zweimal stellte sich Nachwuchs ein. Per Fotofalle waren vor gut vier Monaten zwei Altwölfe, ein Jährling und sieben Welpen (damals im Alter von rund vier Monaten) erkannt worden. Die Mutter der Jungen, so vermuten Fachleute, dürfte die Wolfsfähe mit der Kennung GW1415f sein, die bereits 2020 mit dem Rüden GW1159m die Elternschaft eingegangen war. Auch bei diesem früheren Wurf wurden sieben "Kinder" gezählt, von denen inzwischen schon einige auf Straßen überfahren wurden. GW1159m war zuletzt im Dezember 2020 im Kreis Altenkirchen nachgewiesen worden und gilt seitdem als verschollen. Spätestens seit März 2021 wird GW1415f von einem neu zugewanderten Wolfsrüden mit der Kennung GW1896m begleitet. Sie wurden seitdem wiederholt gemeinsam an gerissenen Beutetieren identifiziert, wobei GW1896m wahrlich kein unbeschriebenes Blatt ist. Denn er ist derjenige, der sich nachweislich auch vielfach von Schafen ernährt. Über 50 Risse dieser Haustiere gehen bislang auf sein Konto, wie die nordrhein-westfälischen und rheinland-pfälzischen Statistiken belegen.

"Entnahme" kein Thema
Mit diesen Fakten als Grundlage wird der Ruf nach einer "Entnahme" des Tieres ständig erneuert. Ein Abschuss stehe derzeit aber nicht zur Diskussion, wie Julian Sandrini vom Koordinationszentrum Luchs und Wolf Rheinland-Pfalz (KLuWo) in Trippstadt darlegt, denn GW1896m ernähre sich nach wie vor hauptsächlich von Wild. Da Wölfe zudem streng geschützt seien, orientiere sich eine Entnahme immer am Bundesnaturschutzgesetz und komme erst infrage, wenn "keine zumutbare Alternative" vorliege. Darüber hinaus seien bis auf einen Fall alle Risse erfolgt, weil kein wolfsabwehrender Schutz für die Schafe vorhanden gewesen sei. Inzwischen hat sich in der Schafhaltung der Einsatz von Euronetzen mit einer Mindesthöhe von 90 Zentimetern durchgesetzt, die über eine angemessene Stromversorgung (mindestens 3500 Volt) verfügen sollen. Sandrini betonte, dass die Anschaffung einer solchen Konfiguration durchaus mit bis zu 100 Prozent gefördert werden könne. Um noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, "wird die Einzelbetriebsberatung weiter hochgefahren".

Von Bayern Richtung Nordwesten
Der Rüde GW1896m zählt zur mitteleuropäischen Flachlandpopulation. Erstmals trat er bei einem Nutztierriss im bayrischen Freising am 15. Oktober 2020 in Erscheinung. Über Baden-Württemberg mit zwei dokumentierten Übergriffen auf Schafe am 21. und 24. November 2020 in Waldshut (nahe der Schweizer Grenze) und Merzhausen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) führte ihn sein Weg Richtung Norden nach Rheinland-Pfalz mit nachgewiesenen Stationen Ende Februar 2021 in den Verbandsgemeinden Loreley und Wittlich-Land mit insgesamt vier toten Schafen. Seit fast einem Jahr nun nennt das Tier vor allem die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld abseits des Waldes "sein" Terrain, um seinen Hunger zu stillen. Nach KLuWo-Auswertung per DNA-Nachweisen ist er seit 3. März 2021 für mindestens 49 Schafrisse verantwortlich. Hin und wieder konnten seine womögliche Partnerin GW1415f und weitere Rudelmitglieder nachgewiesen werden.

Kein Appetit auf Pferde
Einmal im Gespräch und auch vielerorts als "Feind" angesehen, muss der Wolf inzwischen für Dinge herhalten, für die er nicht verantwortlich sein kann. Die genetischen Analysen eines Vorfalls mit zwei leicht verletzten Pferden (7. Januar) in Neustadt (Wied) ergaben, dass nicht Meister Isegrim, sondern ein Hund sich als "Täter" herauskristallisierte, die Gattung Wolf jedoch zuvor schon in der Hassskala weiter nach oben gerutscht war. Von den beiden Pferden waren von den verschiedensten Körperpartien Abstriche genommen worden, wie das KluWo mitteilte. Auch aus der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld ist ein ähnlicher Fall bekannt, wobei ein Wolf in eine Pferdebox eingedrungen sein soll. Im Nachhinein ergab sich, dass womöglich ein Hund die Nähe zum großen Vierbeiner gesucht hatte.



Hunde schlugen nicht an
Dass der Wolf auch Eindruck hinterlassen kann, merkte Claudia Schott aus Obererbach an, die in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 2021 zwei von vier Schafen verlor, und zur Erkenntnis gelangte, dass die Tiere wohl nicht ausreichend genug gesichert gewesen waren. Von dem eigentlichen Angriff hätten die Bewohner des Hauses in unmittelbarer Nähe des Geheges nichts mitbekommen. "Selbst unsere drei Hunde haben nicht angeschlagen", blickte sie zurück und ergänzte, dass "die überlebenden beiden Schafe inzwischen in eine andere Herde integriert worden sind". Regressansprüche seien keine gestellt worden. "Ich habe mich bislang immer total sicher gefühlt, aber jetzt mache ich mir doch so meine Gedanken", beschrieb Scholl, was sie im Nachgang bewegt. Grundsätzlich habe sie nichts gegen Wölfe. Wenn es sich bei diesem einen jedoch um eine "Fehlprägung" handele, könnte durchaus über eine "Entnahme" nachgedacht werden.

Besenderung eines Tieres
Um Schutzmaßnahmen gezielter einzusetzen, soll ein Tier des in Rede stehenden Paares laut Nachrichten-Sender ntv mit einem Sender versehen werden. "So soll festgestellt werden, wo sich die Tiere genau aufhalten und wie sie sich verhalten", zitierte der TV-Kanal auf seiner Online-Plattform das Mainzer Umweltministerium. Wann und vor allem wie der Halsbandsender angebracht wird, steht noch nicht fest. "Ich sehe die Besenderung als ein geeigneteres Mittel für die Befriedung des Konflikts zwischen Wolf und Nutztierhalter", sagte Ministerin Katrin Eder (Bündnisgrüne) im KLuWo, "eine Besenderung ist keineswegs die Vorstufe zur Entnahme."

Was das KluWo ist
Das im Jahr 2021 gegründete KLuWo wurde, so die Homepage der Behörde, als zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Luchs und Wolf geschaffen. Es koordiniere im Wesentlichen die Maßnahmen mit Bezug auf die beiden Großkarnivoren in Rheinland-Pfalz. Dies umfasse die Teilbereiche Monitoring, Management, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit. "Das KLuWo wird regional unterstützt von den ehrenamtlich tätigen Mitmachenden im Netzwerk von Großkarnivorenbeauftragten. Durch die Bündelung der Aufgaben innerhalb des KLuWo mit Dienstsitz in Trippstadt als zentraler Stelle, werden Synergien geschaffen und ein einheitliches Vorgehen sichergestellt", heißt es weiter im weltweiten Netz. Im Monitoring erfasse und analysiere das KLuWo alle Hinweise und Meldungen zu den Großkarnivoren. Darüber hinaus sei es sowohl der Ansprechpartner für die Beratung und Förderung von Präventionsmaßnahmen als auch für die Abwicklung von Ausgleichzahlungen im Fall von wolfs- oder luchsbedingten Nutztierübergriffen.

99 Prozent Wildtiere
In erster Linie ernährt sich ein Wolf zu 99 Prozent von Wildtieren, mit denen die Region gut gesegnet ist. Von dem übrig bleibenden einen Prozent entfallen 90 Prozent (!) auf Schafe und bis zu 5 Prozent auf Großviehnachwuchs wie Kälber, die in den ersten beiden Monaten nach der Geburt besonders gefährdet für eine Attacke von Meister Isegrim sind. Es handelt sich also immer um kleine Paarhufer, die er mit einem Biss in die Kehle tötet. Führend bei der Auswertung von DNA-Proben (auch mittels Kot), mit denen die Existenz eines dieser Raubtiere in einem Gebiet nachgewiesen oder ein Nutztierriss einem bestimmten Wolf zugeordnet werden können, ist das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik in Gelnhausen (bei Frankfurt). Es dauert zwischen zehn Tagen und drei bis vier Wochen, bis ein Resultat vorliegt. Das Territorium eines Wolfsrudels beträgt zwischen 250 und 350 Quadratkilometer; zum Vergleich: Die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld misst circa 230 Quadratkilometer. (vh)



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