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Nachricht vom 12.02.2022    

Alles klar, Herr Kommissar? - Jeanny

Von Jörg Schmitt-Kilian

KOLUMNE | Obwohl ich die Frage mit "Nein" beantworte, habe ich diesen Song des Extremmusikers Falco als Überschrift für meine Kolumnen gewählt. Ich werde Geschichten aus dem Leben erzählen, Antworten auf Ereignisse im polizeilichen Alltag suchen und möchte Leser sensibilisieren, ihre eigene Haltung zu überprüfen und mit anderen zu diskutieren.

Alles klar, Herr Kommissar? - Jeanny (Foto: Jörg Schmitt-Kilian)

Kolumne. Falco und ich (Göttlicher, entschuldige diesen Vergleich) haben einiges gemeinsam, aber doch sehr kontroverse Meinungen über Auswirkungen eines übermäßigen Drogenkonsums. Falco, du hast dich mit Alk, Koks und Drogenmixturen “auf Wolke sieben geschossen“ und blickst vermutlich arrogant (wie im richtigen Leben) auf uns herab. Vielleicht sitzt du gemeinsam mit Kurt Cobain, Jimy Hendrix, Michael Jackson, Janis Joplin, Amy Winehouse und anderen nach exzessivem Drogenkonsum verstorbenen “Musiker-Legenden“ auf der Wolke und ihr zieht euch eine Line Koks durch die tröpfelnde Nase. Und du erinnerst dich an Aloysius, den Münchener im Himmel, der energisch “a Maß Bier“ verlangt und denkst: “Legal – illegal – sch...egal“.

Und dann wirst du singen.

Dieser Fall ist klar, lieber Herr Kommissar, auch wenn Sie anderer Meinung sind,
den Schnee, auf dem wir alle talwärts fahren, kennt heute jedes Kind
Dreh dich nicht um, der Kommissar geht um - er hat die Kraft und wir sind klein und dumm
Und dieser Frust macht uns stumm. Wenn er dich anspricht und du weißt warum
Sag' ihm, dein Leben bringt dich um. Alles klar Herr Kommissar?


Nichts ist klar, du Superstar!

Und obwohl mir der Text deines gewaltverherrlichenden Song Jeanny zuwider ist, habe ich die Fixerin aus meinem Buch “Die Dealerin und der Kommissar“ Jenny genannt. Sie ist keine Romanfigur, sondern wie Du ein real existierender Mensch gewesen und lebte (unter anderem Namen) im oberen Westerwaldkreis. Jenny in meinem Buch ist bis zum heutigen Tage wie Deine Jeanny spurlos verschwunden. Ich habe Jenny in der Diskothek “Morgens um sieben“ in Hamm kennengelernt, in den Achtzigern DER Treffpunkt für junge Menschen, darunter eine ständig steigende Zahl von Konsumenten harter Drogen. Es hat sich bis zum heutigen Tag leider nichts verändert, das Elend spielt sich nur an anderen Orten ab, ergo: Nichts ist klar für den Kommissar!

Der Stoff, aus dem die Träume sind
Die junge Dealerin Jenny verkaufte im “Dreiländereck“ Heroin ausschließlich an junge Mädchen. Nach einer Einkaufstour in die Niederlande konnten wir Jenny in Altenkirchen festnehmen. Bei der ärztlichen Untersuchung wurden mehrere Gramm Heroin – in einem Präservativ im After eingeführt – gefunden. Außerdem hatte Jenny in der Handtasche eine als Spülmittel getarnte Plastikflasche mit Methadon. Bei der Vernehmung saßen wir uns gegenüber. Jenny lächelte mich wie eine Spinxh an und der unergründliche Ausdruck in ihren katzengrünen Augen irritierte mich. Sie rückte ihren Stuhl näher heran, legte mir die Hand auf die Oberschenkel und flüsterte: “Du kannst alles von mir haben, aber mach, dass ich nicht in den Knast komme.“



Jenny lächelte lasziv, aber auch ohne diesen verführerischen Blick war klar, was sie mit “alles“ meinte. Sie war noch immer eine attraktive Frau, hatte für eine Fixerin überraschend weiße (und vollständige) Zähne, keinen einzigen Pickel im Gesicht und keine „Fixerstraßen“, die meist perlschnurartig auf den vernarbten Unterarmen der Heroinabhängigen verlaufen. Jenny jagte sich das Gift offensichtlich an anderen Körperstellen in die Venen.

Sie starrte durch mich hindurch und plötzlich war mir klar, was sie entdeckt hatte. Auf dem Tisch hinter mir stand die Spülmittelflasche mit Methadon.

Ich konnte ihr nicht “alles“ geben, aber in Absprache mit der Staatsanwältin wurde Jenny statt in den Knast in eine (geschlossene) Fachklinik eingeliefert. Nach einigen Monaten hatte sie mitteilen lassen, sie wolle Angaben zu einer organisierten Bande in den Niederlanden machen. Da Jenny zudem eine (Kron-)Zeugin in einem ungeklärten Mordfall war, vereinbarte ich mit ihr einen Vernehmungstermin in dem Café auf der anderen Straßenseite der Klinik. Es war die erste Woche, in der sie das Klinikgelände für einen Nachmittag verlassen durfte.

“Und, alles klar?“, fragte mich mein Inspektionsleiter nach meiner Rückkehr.
“Gar nichts ist klar“, konnte ich nur antworten.

Was war geschehen?
Ich hatte in dem Café vergeblich auf Jenny gewartet. Sie hatte ihre Flucht in der ersten Woche des “Freigangs“ gut vorbereitet und ist bis zum heutigen Tag spurlos verschwunden. Ob wir sie irgendwann, irgendwo finden werden, tot oder lebendig, ist unklar!



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