Hass im Web: Beleidigungen im Netz können richtig teuer werden
Von Thomas Sonnenschein
Was ist mit der Netiquette passiert, die in den Anfängen des Internets in moderierten Chaträumen hochgelobt wurde? Heute sind Beleidigungen im Internet an der Tagesordnung. Doch das muss man sich nicht gefallen lassen. Hendrik Hering klagte erfolgreich gegen einen Kommentar mit 15 Mittelfingern.
Hachenburg. Nachdem sich der Landtagspräsident Hendrik Hering am 6. August vergangenen Jahres gegen Corona impfen gelassen hatte, postete er dies öffentlich in den sozialen Medien. Er wollte damit zeigen, dass auch er als Politiker mit gutem Beispiel sich mit einer Impfung gegen einen schweren Coronaverlauf schützt.
Spott-Smileys
Die Reaktionen im Netz fielen erwartungsgemäß sehr unterschiedlich aus. Überwiegend wurde das Beispiel positiv bewertet. Nahezu alle Beiträge zu Corona und Impfung liken Impfgegner mit einem Lachsmiley, um spöttelnd zu zeigen, dass sie es angeblich besser wissen und die Impfung ihrer Meinung nach eher schädlich statt wirksam sei. So gab es auch in diesem Post von Hendrik Hering erwartungsgemäß derartige Haltungen.
Nur scheinbare Anonymität
Doch es geht auch rabiater. Wenn Inhalte in sozialen Netzwerken die Meinungen polarisieren, zerstreiten sich oft in den Kommentaren die Leser untereinander. Je länger ein solcher Streit anhält, desto tiefer fällt häufig das Niveau. Nicht selten werden dabei krasse Beleidigungen geschrieben. Ein Zustand, der nicht geduldet werden muss und tatsächlich rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dessen sind sich die Kommentatoren in ihrer nur scheinbaren Anonymität meist gar nicht bewusst.
Cyber-Fundamentalismus
Manchmal reagieren Kommentatoren auch direkt mit Wut und Aggression gegen den Beitragsteller selbst. Auch hier gilt: Man muss nicht einer Meinung sein, man darf durchaus seinen Unmut äußern und seine eigene Meinung wiedergeben. Man darf auch Kritik äußern, sollte dabei aber auch den nötigen Respekt vor den Meinungen Andersdenkender haben.
Und genau da ist der Knackpunkt: Im Internet fehlt dieser gegenseitige Respekt inzwischen oft. Radikale Ansichten werden immer häufiger mit fanatischen Methoden durchgeboxt. Das ist der neue Cyber-Fundamentalismus, der immer größere Kreise zieht. An Argumenten fehlt es dabei oft oder es werden gefährliche Halbwahrheiten dogmatisiert. An Anfeindungen hingegen fehlt es nicht.
Hass und Hetze
Immer mehr scheint in Vergessenheit zu geraten, dass hinter jedem Beitrag Menschen stehen. Es sind Menschen, die sich nicht nur aufgrund einer Meinung definieren, sondern aus einer unüberschaubaren Vielfalt an Facetten. Jeder Mensch kann lachen, trauern, wütend sein oder sich für etwas begeistern. Persönliche Beleidigungen gegen eine Person als Gesamtheit wegen einer einzigen Meinung, die den Kommentatoren nicht passen, sind von daher weder moralisch noch rechtlich zu akzeptieren. Denn es sind solche Anfeindungen, die Hass und Hetze über das Internet schüren.
Ganz offen die Gewissensfrage: In einer Welt, in der wir uns im Fernsehen anschauen, wie rohe Regenwürmer gegessen werden, oder talentlose Sänger mit üblen Bewertungen geoutet werden - Wie hoch wäre die Einschaltquote, wenn im Fernsehen echte Gladiatorenkämpfe auf Leben und Tod nach römischem Vorbild ausgestrahlt würden? Nach dem Motto "Niemand geht zu "Mäkkes", aber alle gehen hin" wird der Widerspruch zwischen Entscheidungen, für die ich gerade stehen muss, und solchen, die ich in scheinbarer Anonymität treffe, deutlich.
1.500 Euro Strafe für 15 Mittelfinger
Hendrik Hering wurden für seinen Beitrag in einem Kommentar 15 Mittelfinger gezeigt. "Soziale Medien haben ihr Gutes, jedoch sind die Tabugrenzen verschoben. Benehmen und Verhalten der Internet-User sind zum Teil voller Hass", sagt Hering. Er vergleicht die Beleidigungen mit dem Recht im Straßenverkehr. Dort ist es auch nicht erlaubt, den Mittelfinger oder den Vogel zu zeigen. Derartige Handlungen können richtig teuer werden. Also hat Hering die Konsequenz gezogen und Anzeige gegen den Kommentator gestellt. Tatsächlich wurde dieser durch die Staatsanwaltschaft ermittelt und zu einer Strafe von 1.500 Euro verdonnert.
Aktiv gegen Beleidigungen im Netz
So wie Kfz-Kennzeichen auf Personen schließen lassen, so lassen IP-Adresse, Standortermittlung oder Provider-Informationen auf den Urheber von Beleidigungen schließen. Hendrik Hering möchte mit seiner erfolgreichen Anzeige allen Menschen Mut machen, gegen Hass und Beleidigungen im Internet aktiv vorzugehen. Wenn derartige Verstöße konsequent geahndet würden, dann wäre auch die Netiquette wieder auf dem Vormarsch. Weniger Internet-User würden sich dann persönlich verletzt fühlen müssen.
Einen interessanten Link zu Videos von Tätern und Opfern finden Sie hier.
Einen Link für Hilfe und Ratgeber für Betroffene finden Sie hier.
(Thomas Sonnenschein)
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