Buchtipp: „Tod im Nebelwald“ - Westerwaldkrimi von Lutz G. Wetzel
Von Helmi Tischler-Venter
Der Untertitel „Krieg im Revier - das Dorf schläft nie“ ist wörtlich zu nehmen, denn eine grausame Mordserie erschüttert eine Kleinstadt im Westerwald. Es beginnt mit heimtückischen Morden an Hauptwachtmeister Kesselrings geschätzten Hühnern, die für sein geliebtes tägliches Eibrot sorgen. Nicht einmal Kesselrings wuchtige Anwesenheit kann den nächtlichen Mörder vertreiben.
Dierdorf/Stuttgart. Kommissar Rotteck dagegen wird erst richtig aktiv, als die Apothekersgattin im Frisierstuhl ermordet wird, wodurch Friseur Rimini als Täter verdächtigt wird. Der Sensible reagiert gekränkt: „Die Wahrheit ist eine zarte Blume, Herr Wachtmeister. Die können Sie nicht zum Blühen bringen.“ Er hat eine Vorliebe für wesentlich ältere Frauen, denn „eine ruhige, Ältere, die saugt die Liebe langsam auf wie ein Fensterleder. Weich und leise.“
Die interessanten vielschichtigen Protagonisten aus dem Band „Tod im Waldwinkel“ sind wieder mit von der Partie: Doktor Rotgold mit seinem klingelnden Einsatzfahrrad, der Jägerstammtisch, die Kerschbaums aus Weyersbusch mit ihrem ganz eigenen Wertesystem und Äffchen Fettweiß, der lebenserfahrene Wirt des örtlichen Mittelpunkts „Grüner Baum“. Er beobachtet und kennt seine Mitmenschen und berät sie auch mit psychologischem Geschick bisweilen, zum Beispiel Bürgermeister Ingo Dingens, der Politik so verkauft wie früher Autos, gern mit Eiern wirft und heimlich, aber heftig in seine tief dekolletierte Vorzimmerdame verliebt ist. Doch diese lässt Dingens zappeln und unkt ahnungsvoll: „Ich habe Angst vor dem, was noch kommt.“
Jagdhelfer Frohberger, bekannt als „Dreistrahliger Pinkler“ lobt seinen Jagdhund: „Siehst du, am Ende einer Schweinefährte findest du immer ein Schwein.“ Doch Kommissar Rotteck findet den beliebten Jäger mit gefesselten Händen an einem Fleischhaken, an dem er mit dem Kinn hängt. Zum Glück überlebt der Mann leicht lädiert.
Eine neue Dimension erreicht das Grauen, als Lenchen, die kleine Tochter des Dorfschmieds, schwer misshandelt vor den Augen des Wirts und des Doktors stirbt. Drei blutige Taten an einem Tag und nicht ein Verdächtiger. Nicht einmal Hauptwachtmeister Kesselrings selbstgebrauter „Schwarzer Tod“ kann die Seelen reinigen, aber draußen in der Natur findet Rotteck Frieden.
Anita, Rottecks Lebensgefährtin, philosophiert: “So ein Jäger, der hat irgendwie ein Stück Leben mehr als die anderen, denk ich immer. Der schaut ein ganzes Ende tiefer in die Welt. Der sieht im Wald Sachen, die ich nie sehen würde. Und er hat so eine besondere Seele, so erdig, wie Waldboden.“
Rotteck stellt fest, dass alle Opfer etwas mit der Jagd zu tun haben. Kesselring wundert das nicht, denn er hält sowieso Jäger für Strolche. Auf der Suche nach einer Jagd treiben sich zwei Fremde im Ort herum, Männer aus Düsseldorf mit einem schicken Mercedes 220 S und der Überzeugung, sich alles kaufen zu können. Nur die Westerwälder Stoffel sind immun gegen das Geld. Und die Kerschbaums beobachten misstrauisch jeden, der in ihrem Revier wildert.
Ein Selbstmord vor den Augen der beiden Polizisten und ein unberechenbarer Bürgermeister auf Rachefeldzug gegen Jäger verhindern Rottecks Entspannung auf dem Hochsitz. Und das Morden hat immer noch kein Ende, sowohl an Menschen als auch an Hühnern.
Auf unvorhersehbare Weise finden alle Kriminalfälle eine Lösung. Eine Westerwälder Lösung, denn Wirt Fettweiß entgegnet auf den Vorwurf: „Bei euch ist alles irgendwie sehr speziell“, weise: „Wir sind hier tief im Westerwald. Träges Blut. Wir haben gelernt, mit den Steinen zu leben, mit undankbarem Boden und mit schweren Zeiten, die kein Ende nahmen.“
Das spannende Taschenbuch ist erschienen bei Kosmos, ISBN 9783440170953. (htv)
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