Buchtipp: „Sexfallen und Killerpflanzen“ von Rainer Nahrendorf
Von Helmi Tischler-Venter
In seinem neuen multimedialen Buch mit integrierten Video-QR-Codes und knackscharfen Fotografien zeigt der profunde Naturkenner Rainer Nahrendorf am Beispiel der gefährdeten heimischen Orchideen und des fleischfressenden Sonnentaus, mit welchen faszinierenden Tricks diese Pflanzen ihre Fortpflanzung und ihr Überleben sichern.
Dierdorf. Die wegen ihrer Schönheit verehrten Orchideen sind Trickbetrügerinnen, die mit der Farbe und Form ihrer Blüten und mit verführerischen Düften Insekten anlocken, um ihre Bestäubung zu sichern. Nach der Pseudokopulation wird den angelockten Insekten die Belohnung vorenthalten, denn Nektar gibt es nicht. Der streng geschützte Frauenschuh zum Beispiel entlässt seine Beute erst aus der pantoffelförmigen Kesselfalle nach erzwungener Bestäubung. Ragwurzarten verführen Insektenmännchen, indem ihre Blüten in Form, Farbe, Oberflächenstruktur und Duft Insektenweibchen täuschend echt imitieren.
Bereits der Evolutionsforscher Charles Darwin war vom Trickreichtum der Pflanzen fasziniert. Er stellte fest, dass für jede Art ein bestimmtes Insekt für die Bestäubung gebraucht wird, daher war er davon überzeugt, dass es einen Falter mit extrem langem Rüssel geben müsse, der die Orchidee „Stern von Madagaskar“ bestäubt. Die vermutete Existenz des Falters wurde zwischenzeitlich betätigt. Für Darwin war der insektenfressende Sonnentau die „wundervollste Pflanze der Welt“. Der Botaniker Carl von Linné hatte die Existenz einer solchen Pflanzenart für unmöglich gehalten.
Doch die pflanzlichen Karnivoren verfügen über vielfältige Tricks: Der Aronstab arbeitet mittels Kadavergestank als Geiselnehmer für Schmetterlingsmücken, der Wiesensalbei hat einen Schlagbaummechanismus entwickelt, mit dem er Blütenstaub auf den haarigen Rücken von Hummeln ablagert, der Pilz „Entomophttera muscae“ lockt Fliegenmännchen in eine tödliche Sexfalle und Raubpilze ernähren sich von lebenden tierischen Organismen.
Bei fleischfressenden Pflanzen werden Grubenfallen, Klebefallen, Klappfallen, Reusenfallen und Saugfallen gefunden. Der in der Eifel agierende Autor beschränkt seine Darlegungen auf den Rundblättrigen Sonnentau und den Wasserschlauch, die in dem moorigen Mittelgebirge heimisch sind. Die Saugfallen des Wasserschlauchs sind komplizierte Mechanismen, die nur unter Wasser oder in feuchter Erde funktionieren. Durch Unterdruck werden die Beutetiere mit dem umgebenden Wasser in ihre Fangblasen gesaugt, wo sie verdaut werden.
Die Kultivierung der Moore macht den faszinierenden Pflanzen den Garaus, daher ist die Renaturierung dringend nötig, damit der Mensch überhaupt noch eine Chance hat, bei geführten Wanderungen durch das Hohe Venn auf Orchideen oder Karnivorenpflanzen zu treffen. Der Moorpfad Dahlem führt als Rundwanderweg über einen rollstuhlgerechten Holzbohlenweg durch das sensible Moor.
Rainer Nahrendorf geht es mit dem Büchlein darum, Menschen für die Faszination der trickreichen Orchideen und insektenfressender Pflanzen zu begeistern und so zum Erhalt der Naturwunder oder der Biodiversität beizutragen. Er hat launig-einfühlsame Tiergedichte der Naturschützerin Jutta Over angehängt, nennt Beispiele für Insektenschutz und analysiert das Engagement von staatlichen Programmen und privaten Naturschutzverbänden. Aktuelle Literatur- und Linklisten zum Moor- und Insektenschutz schließen das 92-seitige informative Bändchen ab.
Es ist als Softcover-Ausgabe für 14,95 Euro mit der ISBN 978-3-347-77265-6 und als Hardcover-Buch für 24,95 Euro mit der ISBN 978-3-347-77266-3 erhältlich. (htv)
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