Leserbrief zu Verkleinerung des Bundestags - Diedenhofen: "Reform ist gerecht"
LESERMEINUNG | SPD, Grüne und FDP haben sich auf eine Reform des Wahlrechts verständigt und beschlossen. Die Anzahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag soll dauerhaft von aktuell 736 auf eine gesetzlich festgelegte Anzahl von 630 sinken. Das begrüßt der heimische Bundestagsabgeordnete Martin Diedenhofen. Hierzu eine Lesermeinung.
Neuwied. Unser Leser Kowallek hat zu dem Thema folgende Meinung: "Auch wenn die Regelgröße von 598 statt jetzt 630 Bundestagsabgeordneten als Obergrenze gereicht hätte, stimme ich der positiven Würdigung der Wahlrechtsreform durch den Bundestagsabgeordneten Martin Diedenhofen mit einer Einschränkung zu. Inzwischen sind ja sieben Parteien im Bundestag. Das führt zu direkt gewählten Abgeordneten mit einem lächerlichen Stimmenergebnis. Das niedrigste Wahlergebnis für ein Direktmandat waren bei der letzten Bundestagswahl 18,6 Prozent. Das ist skandalös, weil über 80 Prozent der aktiv Wählenden diesen Abgeordneten nicht wollten. Schaut man auf die Zahl der Wahlberechtigten, ist das Ergebnis noch einmal mickriger.
Die sauberste Lösung ist somit, dass eine Partei höchstens so viele Direktmandate erhält, wie es ihrem Zweitstimmenanteil entspricht. Die Wahlkreissieger mit guten Ergebnissen kommen zum Zuge, während die schwach Abschneidenden berechtigt leer ausgehen.
Demokratisch fragwürdig ist aber die Streichung der Grundmandatsklausel. Dadurch werden einer regional stark verankerten Partei ausnahmsweise Mandate gemäß ihres Zweitstimmenergebnisses zugeteilt, auch wenn sie bundesweit an der Fünfprozenthürde scheitert. Historisch profitierte davon die Deutsche Partei (DP), eine rechtsgerichtete Nachfolgepartei der hannoverschen Regionalpartei Deutsch-Hannoversche Partei, mit Hochburgen in Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Nordhessen. Bei der Bundestagswahl 1994 profitierte die PDS als Regionalpartei des Ostens von der Grundmandatsklausel.
Dass die Linke 2021 davon profitierte, muss man differenziert betrachten. Sie ist anders als die PDS nicht mehr Regionalpartei des Ostens, betrachtete bislang zu Recht aber Ostberlin mit den früher sicheren Direktmandaten als ihre "Lebensversicherung", insofern also im Ansatz Regionalpartei. Da 2021 nur noch zwei Direktmandate von der "Lebensversicherung" übrigblieben, das dritte Mandat in Leipzig gewonnen wurde, sollten doch die Wählenden bei der nächsten Bundestagswahl darüber entscheiden, ob die Linken durch Ostberlin noch regional stark verankert sind oder nicht. Verlieren sie dort noch mehr und scheitern bundesweit an der Fünfprozentklausel, ist ihr Verschwinden aus dem Bundestag fair. Aber die Manipulation an der demokratisch sinnvollen Grundmandatsklausel ist es nicht.
Betroffen ist natürlich auch die CSU. Aber sie hat immerhin Gestaltungsmöglichkeiten durch Neudefinition des Binnenverhältnisses zur CDU. Die Fünfprozentklausel gilt zudem nicht für nationale Minderheiten wie den SSW als Partei der deutschen Dänen und Friesen. Eine kreative Problemlösung könnte die Anerkennung der Bayern als nationale Minderheit sein. Das werden sie aber wahrscheinlich nicht wollen."
Siegfried Kowallek, Neuwied
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