Werbung

Pressemitteilung vom 11.05.2023    

Gedenken der Opfer und Verfolgten am Jahrestag des 8. Mai 1945

Die Initiativgruppe "Gedenkort für die Engerser Opfer und Verfolgten der NS-Zeit" hat am 8. Mai 2023 den Opfern und Verfolgten auf dem Kunosteinplatz in Engers gedacht. Darüber hinaus wurde auch auf aktuelle Gefahren des Rassismus und Neonazismus aufmerksam gemacht.

Fotos: Angelika Gelhardt

Neuwied. Günther Salz begrüßte als Sprecher der Initiativgruppe die Anwesenden. Dabei führte er aus, dass das Eingedenken am 78. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus Auftakt zur Entwicklung einer eigenen Gedenkkultur in Engers sein soll. Diese Gedenkkultur nimmt Bezug auf verschiedene Ansprachen bei der Einweihung des Gedenksteins am 9. April 2022, in denen darauf hingewiesen wurde, dass die Erinnerung an die Nazi-Herrschaft in Deutschland mit Wachsamkeit und Widerspruch gegen die heutigen Tendenzen des Rassismus und Neonazismus verbunden sein müssten. Bei der Gedenkfeier am 8. Mai 2023 wurde versucht, diesem Auftrag mit vier Wortbeiträgen annähernd gerecht zu werden.

Helmut Gelhardt gestaltete den ersten Wortbeitrag mit dem Vortrag eines Auszugs aus dem historischen Dokument "Manifest der demokratischen Sozialisten des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald" vom 13. April 1945. Zwei Tage zuvor war das KZ Buchenwald durch US-Truppen befreit worden. Sozialdemokratische /sozialistische Häftlinge riefen im Manifest zum Aufbau eines neuen demokratischen Deutschlands auf. Im Manifest heißt es unter anderem: "Wir haben Gefängnis, Zuchthaus und Konzentrationslager ertragen, weil wir glaubten, auch unter der Diktatur für die Gedanken und Ziele des Sozialismus und für die Erhaltung des Friedens arbeiten zu müssen. In Zuchthaus und Konzentrationslager setzten wir trotz täglicher Bedrohung mit einem elenden Tode unsere konspirative Tätigkeit fort. Überzeugt, dass die letzte Ursache zu diesem ungeheuerlichsten aller Kriege in der Raubtiernatur der kapitalistischen Wirtschaft, des finanzkapitalistischen Imperialismus und der von beiden erzeugten moralischen und politischen Verwahrlosung des Lumpenproletariats und Kleinbürgertums liegt, fordern wir, dass den Gesellschaftskrisen durch eine sozialistische Wirtschaft ein absolutes Ende gesetzt wird."

Gelhardt fügte im Vergleich dazu einen Ausschnitt aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947 an: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein."

Stellvertretend für alle Engerser Opfer und Verfolgten ließ Günther Salz den Engerser Kommunisten Heinrich Josef Günter selbst zur Sprache kommen. Hierzu verlas er die schriftliche Zeugenaussage von H. J. Günter vom 30. März 1948 an die Spruchkammer Darmstadt-Lager, in welcher H. J. Günter seine Leiden in den verschiedenen Konzentrationslagern skizziert. Damit habe er dazu beitragen wollen, dass der Engerser Amtspolizist und SS-Mann Philipp Schnorbach, der ihn zusammen mit dem Amtsbürgermeister Stein ins KZ gebracht hatte, seiner gerechten Strafe zugeführt wird, erläuterte Salz.



Der bei der Gedenkfeier anwesende Enkel von H.J. Günter, Hans-Jürgen Günter, der vor einigen Jahren das KZ Esterwegen besucht hat, wo Heinrich Josef Günter 1935-1937 gefangen gehalten wurde, schilderte sehr eindringlich einige Details über die im Schreiben genannte Prügelstrafe auf dem "Bock" sowie weitere unmenschliche, rohe und erniedrigende körperliche Strafen, die sein Großvater Heinrich Josef Günter wehr- und schutzlos erleiden musste. Diese Schilderung machte die Anwesenden sehr betroffen.

Im vierten Beitrag äußerte Ferhat Cato Überlegungen zu den aktuellen Erscheinungen und Gefahren des Rassismus und Neonazismus. Ferhat Cato bezog sich dabei konkret auf eigene Erlebnisse während der Veranstaltung des DGB am diesjährigen Tag der Arbeit am Deutschen Eck in Koblenz. Cato: "Ein rechter Mob von rund 30 Personen hat permanent versucht, alle Wortbeiträge der Rednerinnen und Redner mit aggressivem Niederbrüllen und lauter Trillerpfeifenbeschallung zu verunmöglichen. Die Rednerinnen und Redner zeigten sich jedoch souverän. Der rechte Mob verströmte - körperlich wahrnehmbar - blanke Wut, ja auch Hass. Es ging diesem Mob nicht um entschiedenes, wirkungsvolles Vorbringen von sachlichen, inhaltlichen Gegenargumenten, zum Beispiel durch friedliches Hervorzeigen von entsprechenden Transparenten. Dieser Mob zeigte nur pure, radikale Verachtung von allem, was nicht seiner Ideologie entspricht. Die Demokraten müssen aufwachen und sich unmissverständlich und absolut energisch gegen diese Rechten stellen. Die Demokraten dürfen nicht zulassen, dass die Rechten diesen Staat kapern."

Anschließend erfolgte die Niederlegung von Rosen am Gedenkstein, verbunden mit einer Schweigeminute.

Zum Schluss gab Günther Salz den Teilnehmern noch zwei Gedanken des jüdischen Philosophen Theodor Wiesengrund Adorno aus seinem Vortrag "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit" von 1959 mit auf den Heimweg. 1. Zitat: "Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie." 2. Zitat: "Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangenen beseitigt wären. Nur weil die Ursachen fortbestehen, ward sein Bann bis heute nicht gebrochen." (PM)


Lokales: Neuwied & Umgebung

Jetzt Fan der NR-Kurier.de Lokalausgabe Neuwied auf Facebook werden!

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
 


Anmeldung zum NR-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Neuwied.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


VG Rengsdorf-Waldbreitbach begeht zehnten Ehrenamtstag

Oberraden. "Sich mit Idealismus und ehrenamtlichem Einsatz einer Aufgabe widmen, die der Gemeinschaft und damit uns allen ...

Einbruch in Hümmericher Gaststätte - Tresor entwendet und später gefunden

Hümmerich. Wie die Polizei mitteilte, ereignete sich der Einbruch in den frühen Morgenstunden. Die unbekannten Täter brachen ...

Öffentlichkeitsfahndung: Vermisster 10-Jähriger aus Bad Neuenahr

Bonn/Bad Neuenahr. Die Bonner Polizei ist auf der Suche nach einem vermissten 10-jährigen Jungen aus Bad Neuenahr, der seit ...

Ein Feuer zerstörte einen Imbisswagen in Sankt Katharinen vollständig

Sankt Katharinen. Am Donnerstag (21. November) um 11.20 Uhr brach ein Feuer in einem Imbisswagen in der Linzer Straße 118 ...

Erweiterung der AWO-Kita "Haus der Generationen" abgeschlossen

Neuwied. Daher gehen die umfassenden Bemühungen weiter. Nun ist ein erfreulicher Zwischenschritt hinzugekommen: Die AWO-Kita ...

Gründung einer Selbsthilfegruppe zum Thema "Ängste, Depressionen und PTBS"

Neuwied. Am Dienstag, dem 3. Dezember findet um 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr das Gründungstreffen einer Selbsthilfegruppe für ...

Weitere Artikel


Lions Club Rhein-Wied spendet Weihnachtsmarkterlös

Region. Mit der großzügigen Unterstützung der Inhaberfamilie Blackburn und der Firmen Rabenhorst und Pertzborn haben die ...

IG BAU: "Eklatantes Überwachungsdefizit" - Baustellen sind Unfall-Hotspot

Kreis Neuwied "Wir brauchen eine stärkere Kontrolle durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden. Denn das A und O im Job ...

Berauschter Autofahrer fährt bei Linzer Polizei vor

Linz. Der Mann wollte die Beteiligung an einem Verkehrsunfall bei der Linzer Polizei anzeigen. Bei der Aufnahme konnten bei ...

Karnevalsfreunde Oberbieber spenden für trauernde Kinder

Neuwied. So zeigten sich auch in diesem Jahr die Zugbesucher so spendabel, dass die Karnevalsfreunde gleich mit großzügigen ...

Royal Occasions - britische Chormusik in Neuwied und Koblenz

Neuwied. Bei zwei Konzerten, in der Liebfrauenkirche Koblenz und in der Neuwieder Kirche St. Matthias, standen Komponisten ...

SPD: "WIR VOR Ort" - Startschuss in Anhausen

Anhausen. Ortsbürgermeister Heinz Otto Zantop begrüßte die Gäste, unter ihnen auch die Landabgeordnete Lana Horstmann und ...

Werbung