Lajos Wenzel zeigt: "Nora" von Henrik Ibsen ist auch nach 144 Jahren noch aktuell
Von Ulrike Puderbach
Mit der Inszenierung von Henrik Ibsens "Nora", einem Schauspiel, das 1879 am Königlichen Theater in Kopenhagen uraufgeführt wurde, hat Lajos Wenzel erneut meisterhaft unter Beweis gestellt, wie zeitlos Theater sein kann. Dieses Stück, welches zu seiner Entstehungszeit eine unglaubliche Provokation war, ist auch heute immer noch aktuell.
Neuwied. Wie bringt man in der heutigen Zeit ein Schauspiel zum Thema Emanzipation auf die Bühne, das vor 144 Jahren uraufgeführt wurde? Vor dieser Frage stand Lajos Wenzel, als er sich an die Inszenierung des Stückes adaptiert an die Gegenwart wagte. Henrik Ibsen war seiner Zeit 1879 weit voraus, als er in seinem Schauspiel "Nora" seine Protaginistin am Ende des Stücks in eine ungewisse Zukunft gehen lässt, indem sie ihren Mann verlässt - etwas, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts schier unmöglich schien.
Heute sind Trennungen und Scheidungen leider mehr als oft genug an der Tagesordnung, die meisten Frauen haben einen Beruf und eine eigene Existenz, sollte man meinen. Doch Lajos Wenzel und seine Schauspieler haben es auch in dieser Inszenierung voller spannender Wendungen und gegensätzlicher Charaktere wieder einmal geschafft, die Zuschauer zu überraschen.
Wenn die Fassade bröckelt...
Nora (Anna Pircher) erscheint zu Beginn des Schauspiels als oberflächliche Shopping-Queen, deren Lebensinhalt es zu sein scheint, das Geld ihres Mannes Torvald (Giovanni Rupp), der gerade den Posten einers Bankdirektors angetreten hat, auszugeben und sich auf die Geburt des gemeinsamen Kindes vorzubereiten. Doch plötzlich tauchen in ihrem scheinbar so perfekten Leben mit Christine (Friederike Majerczyk) eine alte Schulfreundin und mit Herrn Krogstad (Markus Angenworth) ein weiterer Schatten auf. Langsam stellt sich heraus, dass Nora sich, um ihrem Mann in seiner Lebenskrise zu helfen, unlauterer Mittel bedient hat, die Krogstad nun gegen sie einsetzen will, um seine Position in der Bank zu retten. Gleichzeitig eröffnet ihr Rank (Stephan Vanecek), der beste Freund des Paares und Torvalds Therapeut, dass er todkrank ist und seinem Leben ein Ende setzen wird, aber dass er viel mehr für sie empfindet.
Unter dem Druck dieser bröckelnden Fassade eines scheinbar perfekten Lebens erkennt Nora, dass sie nichts anderes für ihren Mann ist als ein dekoratives Schmuckstück - sein Kolibri, den er in einem goldenen Käfig hält. Nachdem Torvald in einem schwachen Moment die Beherrschung verliert und sein wahres Gesicht zeigt, erkennt sie endgültig, dass dieses Leben nichts für sie hergibt und beschließt, ihn zu verlassen. Als sie ihm diese Entscheidung mitteilt, glaubt er ihr zunächst nicht, doch als er merkt, dass er Nora und auch das noch ungeborene Kind für immer verloren hat, packt ihn die Verzweiflung und er bringt sich um.
Realität und Wunschdenken
"Nora" hat auch in der heutigen Zeit nichts an Aktualität verloren, das zeigen Lajos Wenzel und sein Team mit dieser Inszenierung ganz deutlich. Die Art des Käfigs und der Entrechtung mögen sich verändert haben, doch es gibt gerade in einer Zeit, in der das Wort Emanzipation zum Alltagswortschatz zu gehören scheint, immer noch große Diskrepanzen zwischen der Realität und dem Wunschdenken vieler. (Ulrike Puderbach)
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