Heddesdorfer Burschen waren als "Pfingstreiter" in Rommersdorf und Engers unterwegs
Auch in diesem Jahr waren wieder die traditionellen Heddesdorfer Pfingstreiter unterwegs, um ihren historisch abgesicherten Tribut zu fordern. So ritten sie also ins Kloster Rommersdorf und nach Engers, um ihren Tribut zumindest teilweise in Empfang nehmen zu können.
Heddesdorf/Engers. Die Heddesdorfer Kirmes und die traditionsreichen "Pfingstreiter" können keinesfalls nur in Heddesdorf aufgrund historischer Vorkommnisse eine bewegte Vergangenheit vorweisen. Auch das vormalige Kloster Rommersdorf sowie der Ort Engers nehmen am Neuwieder Kirmesgeschehen mit dem Ritt der Heddesdorfer Burschen zur Abtei und nach Engers indirekt teil. Denn dort holen sich die Pfingstreiter (Mitveranstalter der legendären Kirmes) ihren Tribut (ein wohlfeiles Mittagessen) ab, weil die Heddesdorfer den Engerser Bauern zugesichert haben, ihre Schafe bis auf deren Gemarkung treiben zu dürfen, um sie dort Gras fressen zu lassen.
Sowohl der Neuwieder Oberbürgermeister als auch der Landrat bestätigen in der Kirmes-Festschrift, dass dieser Jahrhunderte alte Brauch bis heute wahrgenommen wird, denn sollte er einmal nicht zustande kommen, hat sich dieser historische Tag ein für alle Mal erledigt. Sowohl Gerhard Preis, der Vorsitzende der AG Heddesdorfer Pfingstkirmes, als auch Andreas Leufgen, Sprecher der Heddesdorfer Pfingstreiter, hatten im Vorfeld alles nur Mögliche dazu getan, dass die diesjährige Kirmes und mit ihr das traditionelle Wettreiten auf dem Platz an der Bimsstraße um den Pokal der Fürstenfamilie und dem anschließenden Ritt nach Engers durch die Heddesdorfer/Engerser Gemarkung wie in den Jahren zuvor reibungslos vollzogen werden konnte.
In Engers wurde die Heddesdorfer Reiterschar von ehrenwerten, historisch gewandeten, heimischen Bürgern mit dem Schultheißen an der Spitze vor dem Kurfürstlichen Schloss am Historischen Rathaus empfangen. Dort warteten die Engerser, der Schäfer mit seinem Hund, etliche Hofleute, ein Nachtwächter und die Bürgerwehr auf die Reiter aus Heddesdorf, die sich mit dem neuen siegreichen Reitersmann an der Spitze aufgemacht hatten, um ihren Tribut in Empfang zu nehmen. "Seid gegrüßt ihr Heddesdorfer Burschen, die ihr gekommen seid, um den Tribut zu fordern, den wir seit anno 1564 zu zahlen haben", so begrüßen alle Jahre die Engerscher Einwohner ihre Neuwieder Nachbarn. Dieser Pflicht und Schuldigkeit nach der jeweiligen "Tributzahlung" sind die Engerser in all den Jahren immer peinlichst nachgekommen, doch einmal sollte es erhebliche Schwierigkeiten gegeben haben.
Bei seiner diesjährigen Willkommensrede an die Reitersleut‘ aus dem fernen Heddesdorf erwähnte der Engerser "Hofmann", dass die Engerser seinerzeit in schweren Zeiten ihren Tributzahlungen nicht nachkommen und diese in klingender Münze nicht zahlen konnten. "Aber gerne sind wir bereit, diesen in Speiß und Trank zu leisten", erklärte der "Hofmann", der allerdings von erheblichen Schwierigkeiten im Vorfeld jenes unseligen Jahres berichtete, als marodierende Söldner und Landsknechte großes Unglück über die Engerser Bürgerschaft brachten und deren Schafe mitgenommen haben. Selbst dem Kurfürsten mussten sie ihre Pacht schuldig bleiben. "Doch wir wollen auch diesmal wieder den Tribut bezahlen. Aber nicht in Geld. Heut geben wir euch Burschen aus Heddesdorf ausschließlich Speis und Trank, denn nur zu diesem sind wir verfplichtet", berichtete der Engerser "Hofmann". Dabei wurde sogar die Speisenabfolge beschrieben: "Ihr sollt haben zwey Eyerkuchen, ein jeden von 12 Eyern, ein halb Viertel Wein, 2 Brodt und zwey Kühekäß, dann das ist uns´re Schuldigkeit."
Wenn auch die damaligen Heddesdorfer Landbesitzer damit nicht einverstanden waren, so sprach dann doch der Schultheiß schließlich ein Machtwort und entschied: "So soll dieses Jahr von dem Zehnten, den die Engerser zu zahlen haben der Gemeinde, wovon auch der Graf und auch der Pfaff sein Teil erhält, die Hälfte erlassen sein. Der Tribut wird aufgeteilt, die Hälfte in Geld, der Rest in Natura offeriert. So gibt jeder seinen Beitrag." Wenn auch widerwillig, so stimmten auch einstmals die Heddesdorfer Burschen dem Vergleich zu, auch wenn sie meinten, dass dieser nur in diesem einen Jahr gelten und im nächsten Jahr zumindest ein Hammel mitgenommen werden sollte. "Nun fangt ihr schon wieder an. Gebt doch endlich Ruh und seid zufrieden", monierte der Engerser Hofmann das Verhalten seines Widerparts aus Heddesdorf.
Im Nachtrag zu diesem unterhaltsamen Historienspiel am Historischen Rathaus hatte "Schultheiß" Bernd Wolf noch ein eher unangenehmes Ritual zu erledigen, wobei er darauf verwies, dass amtlicherseits jegliches volkstümliches Zusammensein im Schloss künftig nicht mehr stattfinden soll. Stattdessen sollen "feine Pinkel" das Schloss mit Musik bevölkern und somit das Schloss für die Bürgerschaft verschlossen bleiben. Und der "Teilschlossherr" und "Obermusikant" Rolf Ehlers trägt offendig Mitschuld daran, dass dies so geschehen soll. "Dies muss geahndet werden", betonte der Schultheiß aufgeregt und so legte man dem unglücklichen "Missetäter" die "Schandgeige" an. Doch der Hofmann relativierte die Schuld des musikalischen "Teilschlossherrn" und betonte, dass Rolf Ehlers keine Schuld treffe, da er sich doch unbedingt immer für die Engerser Belange einsetze. Und so wurde ihm die leidige "Schandgeige" wieder abgenommen. Allerdings: Falls er nicht ein bekanntes Engerser Lied beim bevorstehenden Festakt zur 1250-Jahr-Feier im September singe, dann wird er dieses ungebührliche Verhalten im Duckesje bei Wasser und Brot büßen müssen, betonte der "Schultheiß".
Und da sich das historisch abgesicherte Geschehen mit der Engerser Bürgerschaft und den Heddesdorfer Pfingstreitern wohl so oder so ähnlich abgespielt hat, werden die Männer auf ihren Pferden in den schwarzen Anzügen und prächtigen Zylinderhüten aus dem "benachbarten" Heddesdorf immer wieder gerne nach Engers kommen, wo sie in der Gaststätte neben dem Historischen Rathaus ihren Tribut "in Natura" empfangen konnten. Wie immer mit dabei waren deren "Liebsten", die den Weg nach Rommersdorf und Engers in einer bequemen Kutsche wahrgenommen haben sowie die treuen "Pfingstradler", die allesamt mit den Engerser Bürgern einen harmonischen Pfingstdienstagnachmittag verbringen konnten. (jüg)
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