Mariele Millowitsch & Walter Sittler: Alte Liebe - grandiose Lesung in Rommersdorf
Von Helmi Tischler-Venter
Die beiden beliebten Schauspieler Mariele Millowitsch und Walter Sittler bescherten bei den Rommersdorf Festspielen ein volles Haus mit ihrer Lesung. Der überzeugende Vortrag wurde vom begeisterten Publikum mit mehrmaligem minutenlangem Applaus honoriert.
Neuwied. Das ausgewählte Buch "Alte Liebe" von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder passte kongenial zu den Künstlern: Mariele Millowitsch las die Rolle von Lore und Walter Sittler verlieh Harry Leben. Die beiden Alt-Achtundsechziger sind seit fast vierzig Jahren verheiratet und leben ohne Höhepunkte gewohnheitsgemäß nebeneinander her. Sie kennen sich so gut, dass sie die Reaktion des Partners immer schon antizipieren können.
Harry, der eigentlich Architekt werden wollte und im Bauamt landete, ist bereits seit zwei Jahren pensioniert und pflegt seinen Garten. Lore liebt ihren Job als Bibliothekarin und fühlt sich darin unersetzbar. Bei allen Differenzen sind sie sich darin einig, dass ihre Tochter Gloria alles Mögliche im Leben falsch gemacht hat. "Glorias Leben ist eine einzige Katastrophe. Sechsunddreißig Jahre, der dritte Mann, eine entsetzliche Ehe nach der anderen. Und dieser Mann ist auch falsch, ich fühle das."
Zu der Hochzeit mit diesem neuen Mann hat Gloria ihre Eltern eingeladen. Er ist Frank Bredow aus Leipzig, von Beruf Erbe eines Immobilienimperiums, der einen ungenehmigten Tennisplatz vor seiner Villa angelegt hat. Für Lore und Harry absolut nicht der Traum-Schwiegersohn. Wie erwartet, weigert sich Harry, zur Hochzeit mitzufahren.
Das Ehepaar diskutiert, wie immer mit kleinen verbalen Spitzen und Beleidigungen über Literatur, Golf, Patientenverfügungen Harrys Freund Ede und Martin Walser. Sie wissen, dass ihre Zeit abläuft und ihre Träume nie realisiert wurden. Lore verursacht das schlechte Laune: "Ich kann mich selbst nicht leiden. Ich weiß, dass Harry recht hat. Nicht immer, aber oft… Altwerden ist nicht einfach, all die Verluste sind nicht einfach - Verluste von Kraft, Haaren, Zähnen, Schönheit, Libido, Verluste von Freunden, Leidenschaft, ich sehe überall nur Verluste."
Harry weiß, dass ihre Debatten sich im Grunde um die Fragen drehen, die sich jeder stellt, aber nicht ausspricht: Wer stirbt zuerst? Wer lässt wen zurück?
Harry beschließt letztendlich doch, zur Fürstenhochzeit nach Leipzig mitzufahren. Vorher meldet Glorias Schwiegervater Insolvenz an, aber die große Hochzeit ist nicht gefährdet. Für Lore ist es ein größerer Schock, als ihre Mutter stirbt, die acht Jahre im Wachkoma lag. Ihr Bruder hat einen tödlichen Autounfall, wahrscheinlich ist es Suizid. Voller Mitgefühl und im Bewusstsein, dass es schnell gehen kann, dass einer allein ist, entschuldigt sich Harry, dass er so ein sturer, alter Zausel geworden ist.
In Leipzig ist alles sehr protzig und platt, aber diese groteske Hochzeit treibt Lore und Harry wieder zueinander. Sie tanzen und finden sich und ihre Liebe wieder. Sie sind glücklich und wollen ihren Lebensabend zukünftig genießen.
Eine Woche vor dem letzten Arbeitstag stirbt Lore durch Herzstillstand.
Weitere Veranstaltungs-Highlights der Rommersdorf Festspiele finden Sie auf der Homepage der Stadt Neuwied. (htv)
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