Leserbrief zum Streit um Erwin Rüddels Aussagen: "Das Rechts-Links-Schema verweigern"
LESERMEINUNG | Wie kommt es, dass Menschen ihre Umwelt und ihr Gegenüber ständig in Kategorien einordnen und andere Meinungen nicht stehenlassen können? Bundestagsmitglied Erwin Rüddel musste jüngst eine Menge Kritik für seine Meinung einstecken. Kuriere-Leser Siegfried Kowallek aus Neuwied hat einen Leserbrief der eigenen "politischen Urteilskraft" der Bürger gewidmet.
Die Kuriere hatten über die Kontroverse um Erwin Rüddel bereits berichtet.
LESERBRIEF. "Beim Neujahrsempfang der Neuwieder CDU im Jahre 2020 hielt Helmut Dieser, Bischof von Aachen, einen interessanten Vortrag darüber, dass der Mensch nach kultureller Gestaltung seines Lebensumfeldes und seiner Lebensweise strebt, mit der er sich und die Umwelt deutet. In allem Ringen um Fortschritt gehe stets die Notwendigkeit mit, die Welt zu deuten, was den Menschen vom Tier unterscheide. Das Gefüge der Deutungen, der unterschiedlichen Vorstellungen wird als die jeweilige Ideologie bezeichnet, die konservativ, sozialistisch, liberal oder wie in Israel nationalreligiös sein kann.
Wenn Erwin Rüddel meint, die Grünen seien die ideologischste Partei im Bundestag, bringt er damit nur zum Ausdruck, dass sie von seiner eigenen konservativen Ideologie am weitesten entfernt ist. Wenn Rüddel sagt, die Mehrheit sei nicht links, sondern politisch rechts der Mitte, meint er hoffentlich, dass die meisten Menschen vernünftig sind, ohne Vorgaben einer Partei nachdenken, zu individuellen Schlussfolgerungen kommen, die indes auch eskapistisch sein können, sich nicht an eine Partei binden und die Demoskopen durch zunehmende Wechselwählerei nerven.
Das Links-Rechts-Schema verweigern
Vor allem verweigern sie sich dem Links-Rechts-Schema. Wer nämlich seiner eigenen politischen Urteilskraft vertraut und sich mit den anstehenden Problemen argumentativ auseinandersetzt, kann die Unterscheidung zwischen "links'" und "rechts" links liegenlassen.
Wenn Erwin Rüddel schließlich erklärt, nicht alles, was rechts von den Grünen sei, sei verwerflich, stimme ich ihm sogar zu. Der in Rüddels Denke wahrscheinlich rechts von den Grünen stehende Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, hat den Sexismus-Vorwürfen ausgesetzten Partysong über die "Puffmutter Layla" in einem Bierzelt mitgesungen und findet das überhaupt nicht schlimm. Das ist doch sympathisch souverän, wenn ihn auch die Kritik vom Grünen-Koalitionspartner nicht beeindruckt."
Siegfried Kowallek, Neuwied
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