Leserbrief: Neuwied als Cannabis-Modellstadt? "Keine Quasilegalisierung unter dem Deckmantel der Wissenschaft!"
LESERMEINUNG | Sollte Neuwied sich als Cannabis-Modellstadt bewerben? Stadtratsmitglied René Bringezu (fraktionslos) will eine entsprechende Debatte im Stadtrat anstoßen und ist dazu gerade auf der Suche nach Unterstützern. Kuriere-Leser Siegfried Kowallek meint allerdings, dass es keine zusätzliche Beschäftigungstherapie für eine ohnehin schon ausgelastete Stadt braucht.
Die Kuriere hatten über den Vorschlag, Neuwied als Cannabis-Modellstadt auszuweisen, bereits berichtet.
LESERBRIEF. "Auf den ersten Blick mutet René Bringezus überraschende Initiative sympathisch-dynamisch an. Aber ein Rennen um Modellregionen für regulierten Cannabiskonsum sehe ich eher nicht. Die Großstädte Köln, Hamburg und Berlin warten nach meinem Informationsstand ab, und in Saarbrücken steht obendrein auch die SPD auf der Bremse, weil es bisher überhaupt keine bundesweite Rechtsgrundlage für das Vorhaben gibt.
Kommt der Gesetzentwurf, muss noch die EU-Ebene mit einbezogen werden. Die Planung, Organisation und wissenschaftliche Begleitung des Modellkommunen-Projekts verschlingt zudem sehr viel Zeit. Schlampige Wissenschaft kann in der Wirklichkeit nur bei unstrittigen Unterfangen durchgewunken werden. Angesichts der sehr massiven Gegnerschaft im Hinblick auf Cannabislegalisierung muss die Evaluation in diesem Fall jedoch wissenschaftlich sauber und ergebnisoffen erfolgen.
Eine Quasilegalisierung unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit dürfte nämlich chancenlos sein, weil eine Feigenblattfunktion durchschaut würde. Aber neben einem Veto der EU kann die lange Zeitdauer auch zur Folge haben, dass zwischenzeitlich ein Regierungswechsel stattfindet, der das Projekt beendet. Auf die Grünen als Juniorpartner zu bauen, wäre dann fatal, bedenkt man etwa, dass die Grünen als hessische Mitregierungspartei inzwischen den kleinen Bürgerrechtsflügel der FDP weit rechts überholt haben.
Wer im Stadtrat René Bringezus Initiative unterstützen will, sollte zu diesen Bedenken zunächst einmal unwiderlegbare Gegenargumente entwickeln. Eine weitere Beschäftigungstherapie für eine ohnehin ausgelastete, vielleicht auch schon überforderte Stadt brauchen wir ansonsten nicht."
Siegfried Kowallek, Neuwied
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