Pressemitteilung vom 21.10.2023
Wirtschaft im nördlichen Rheinland-Pfalz vor nächstem Krisenwinter - Was die Sorgen antreibt
Nachdem die wirtschaftliche Entwicklung im Norden von Rheinland-Pfalz zuletzt stagnierte, trübt sich die konjunkturelle Lage im Herbst 2023 wieder deutlich ein. Laut IHK verschlechtern sich die Geschäftserwartungen.
Rheinland-Pfalz. Der IHK-Konjunkturklimaindex, das wirtschaftliche Stimmungsbarometer für die aktuelle Geschäftslage und zukünftige Perspektiven der gewerblichen Unternehmen in der Region, fällt nach der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Koblenz um 12 Punkte und steht im Herbst 2023 bei 85 Punkten (Jahresbeginn und Frühsommer 2023: jeweils 97 Punkte). Damit verbleibt er auch weiterhin klar unterhalb der 100-Punkte-Marke, der Grenze zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung, und liegt sogar unterhalb des aktuellen landesweiten Index von 88 Punkten. Im positiven Bereich über 100 Punkten lag die Stimmung der Wirtschaft im IHK-Bezirk Koblenz letztmalig zum Jahresbeginn 2022.
Erwartungen weiterhin nicht hoffnungsvoll
28 Prozent der Betriebe schätzen ihre aktuelle Lage als gut ein (Frühsommer 2023: 30 Prozent), 44 Prozent als gleichbleibend (Frühsommer 2023: 49 Prozent), und weitere 28 Prozent als schlecht (Frühsommer 2023: 21 Prozent). Der Saldenwert aus positiven und negativen Antworten liegt damit bei 0 (Frühsommer 2023: 9 Prozent). Das war zuletzt während der Corona-Pandemie zu Jahresbeginn 2021 der Fall.
Auch die Geschäftserwartungen der Betriebe, die sich nach dem energiepreisbedingten Einbruch im Herbst 2022 bis zum Frühsommer noch etwas stabilisiert hatten, verschlechtern sich laut IHK wieder. 56 Prozent und damit über die Hälfte der Unternehmen rechnen mit einer höchstens gleichbleibenden und 35 Prozent sogar mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten. Nur 9 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft. Mit -26 ist der entsprechende Saldo damit wieder weiter ins Negative gefallen (Frühsommer 2023: -14 Prozent).
Fabian Göttlich, Geschäftsführer Interessenvertretung der IHK Koblenz, ordnet diese Zahlen kritisch ein: "Die Sorgen in der Wirtschaft wachsen. Selbst während der Energiekrise vor einem Jahr wurde die ‚Ist-Lage‘ besser bewertet als jetzt. Und viele Unternehmen gehen davon aus, dass sich die Situation nicht verbessern wird. Umso wichtiger wären daher verlässliche und wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen - doch die aktuelle Wirtschaftspolitik führt bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern eher zu Verunsicherung und Frustration."
Multiple Risiken, geringe Dynamik bei Investitionen und Personal
Die Gründe, weshalb viele Betriebe mit Sorge in die Zukunft blicken, sind vielfältig: Mit 62 Prozent belegt der Inlandsabsatz Platz eins der größten Geschäftsrisiken. Dicht darauf folgen die Energiepreise (60 Prozent), die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (59 Prozent) und der Fachkräftemangel (53 Prozent) sowie die Arbeitskosten (50 Prozent). Den größten Zuwachs verzeichnet dabei das Risiko der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mit einem Plus von 13 Prozentpunkten im Vergleich zum Frühsommer und 16 Prozentpunkten im Vergleich zur Vorjahresumfrage. Demgegenüber rücken die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs wieder mehr in den Hintergrund: Im Vergleich zum Herbst 2022 geben 39 Prozent weniger Unternehmen die Folgen des Krieges als Geschäftsrisiko an.
Angesichts dieser vielschichtigen Risikolage gehen auch die erwarteten Investitionen (74 Prozent der Betriebe mit gleichbleibenden oder geringeren Investitionsabsichten) und die Beschäftigtenerwartung (89 Prozent mit gleichbleibenden oder geringeren Beschäftigungsabsichten) zurück. Die wirtschaftliche Lage überlagert hier kurzfristig den eigentlich vorhandenen Bedarf. Denn 45 Prozent der Betriebe geben an, offene Stellen derzeit längerfristig nicht besetzen zu können.
Die Exporterwartungen der Industrie zeigen sich nach Angaben der IHK leicht verbessert. "Immerhin 28 Prozent der Industrieunternehmen rechnen mit mehr Ausfuhren von Gütern ins Ausland. Das sind sechs Prozent mehr als im Frühsommer und zwölf Prozent mehr als im Herbst 2022. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Auftragseingänge in der Industrie insgesamt klar zurückgehen. Weniger Nachfrage, Kostendruck und schwierige Rahmenbedingungen - viele Unternehmen fragen sich, wie es weitergehen soll", kommentiert Göttlich. "Da ist es wenig hilfreich, dass die Politik die hausgemachten Probleme nochmals erhöht: Die Lkw-Maut wird zu Anfang Dezember angehoben, die Mehrwertsteuer auf Gas soll bald wieder steigen und in Rheinland-Pfalz kommt es im Zuge des neuen Kommunalen Finanzausgleichs dieses Jahr zu großflächigen und teils massiven Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern."
Blick in die Branchen
In allen Wirtschaftssektoren außer der Bauwirtschaft, die sich um 15 Indexpunkte auf 88 steigern kann, verschlechtert sich das Konjunkturklima im Vergleich zum Frühsommer. Die Industrie erreicht 85 Punkte (-10 Punkte im Vergleich zum Frühsommer), was insbesondere auf die energieintensive Vorleistungsgüterindustrie zurückzuführen ist. Hier bricht die aktuelle Geschäftslage und damit auch die Gesamtstimmung maßgeblich ein (73 Punkte). Im Handel fällt der Klimaindex um -12 Punkte auf 75.
Der Inlandsabsatz bereitet hier 70 Prozent der Unternehmen Sorge, da sich Inflation und Sparsamkeit der Verbraucher im Konsumverhalten niederschlagen. Die Dienstleistungsbranche erreicht mit einem Konjunkturklimaindex von 92 Punkten noch den besten Wert und liegt über dem gesamtwirtschaftlichen Stimmungsbild. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Stimmung bei den Dienstleistungen im Frühsommer noch im positiven Bereich über der 100-Punkte-Marke (107 Punkte) gelegen hatte und der Rückgang auch hier zweistellig ist (-15 Punkte).
Weitergehende Reformen notwendig
"In allen Branchen wird deutlich, dass die politischen Weichenstellungen nicht mehr länger auf sich warten lassen dürfen", fasst Fabian Göttlich die Ergebnisse der Umfrage zusammen: "In einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem keine Nachfrageimpulse entstehen und die Kosten in die Höhe gehen, ist es umso mehr Aufgabe der Politik, für Planungssicherheit zu sorgen. Denn ansonsten hat die aktuelle Gemengelage das Potenzial, die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts infrage zu stellen."
Die Umfrage wurde vom 11. September bis 12. Oktober durchgeführt. Teilgenommen haben 343 Unternehmen mit rund 43.000 Beschäftigten. (PM)
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