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Nachricht vom 29.10.2011    

Neue Broschüre über die Rheinbrohler Frauenrechtlerin Johanna Loewenherz erschienen

Sie lebte in Berlin und München – Jetzt gibt es auch eine Fotografie – Immer noch Unentdecktes über den Alltag der kämpferischen Frau

Rheinbrohl/Neuwied. Sie war Schriftstellerin, Politikerin, Frauenrechtlerin. Und das zu einer Zeit, als Frauen kaum Rechte hatten und um jedes kleine Stück Freiheit kämpfen mussten: die Rheinbrohlerin Johanna Loewenherz. Nun gibt es eine neue Broschüre über sie.

Das Foto zeigt (von rechts): Die Autorin der neuen Broschüre Dr. Hildegard Brog, Landrat Rainer Kaul, die Gleichstellungsbeauftrage Doris Eyl-Müller und den Geschäftsführer der Johanna-Loewenherz-Stiftung, Manfred Thran.

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Neuwied Doris Eyl-Müller berichtet: „In akribischer Kleinarbeit hatte bereits Dr. Wolfgang Dietz in den 1980iger Jahren erste Fakten zusammengetragen. Wir fanden unter anderem ein Libretto für eine Oper, ein programmatisches Werk zur Frauenfrage und auch ein frauenpolitisches Drama. Mit der Ehrenpreisträgerin 2003 Prof. Dr. Annette Kuhn wurden weitere Aspekte des Lebens von Johanna Loewenherz deutlich. Zum Beispiel wissen wir jetzt, dass sie in Berlin und München lebte. Und wir fanden endlich eine Fotografie. Dr. Hildegard Brog, die die Broschüre für den Landkreis geschrieben hat, hat sich intensiver mit der Rolle von Johanna Loewenherz in der Neuwieder SPD auseinandergesetzt“, erklärt,

Für die Historikerin Brog bleiben dennoch viele Fragen offen: „Noch immer ist uns über die Ausbildung von Johanna Loewenherz wenig bekannt. Wir wissen zwar, dass sie aus gut bürgerlichem Elternhaus stammt und in Berlin und München gelebt hat, aber zu wem sie dort Kontakt hatte und mit wen sie sich austauschte, wissen wir nicht.“

Ihr Vermögen vermachte Johanna Loewenhertz im Mai 1937 dem Landkreis Neuwied, der damals das Erbe nicht antreten durfte, weil die Schenkende Jüdin war. „Wir haben erst 1984 das Testament dieser mutigen Streiterin für die Frauenrechte gefunden“, erklärte Landrat Rainer Kaul bei der Präsentation der kleinen Broschüre, die einen Überblick über das Leben und Wirken der Sozialdemokratin gibt.

„Heute verdankt der Landkreis Neuwied Johanna Loewenherz die einzige kommunale Frauenstiftung in Rheinland-Pfalz. Darauf sind wir sehr stolz und es war eine weise Entscheidung der Kreisgremien in den 1980iger Jahren das Erbe anzunehmen und den letzten Willen der Johanna Loewenherz in Form einer gemeinnützigen Frauenstiftung umzusetzen“, erläutert Rainer Kaul.

Die Stiftung vergibt in jedem Jahr mit ungerader Jahreszahl einen Ehrenpreis an eine oder mehrere im Sinne des Stiftungszwecks herausragende Persönlichkeiten. In den Jahren mit gerader Jahreszahl ein oder mehrere Stipendien. Der Stiftungszweck wurde dem Testament entnommen: “Stiftungszweck ist die Förderung von Frauen, die sich um die Sache der Frauen besonders verdient gemacht haben. Ohne Ansehen religiöser und politischer Anschauung soll die Förderung durch Vergabe von Geldpreisen an Frauen erfolgen, die besondere wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Leistungen vollbracht haben oder sich in sonstiger Weise um die Stellung der Frau in Staat und Gesellschaft besonders verdient gemacht haben.“



Die Broschüre ist bei den Gleichstellungsbeauftragten in Stadt und Landkreis Neuwied oder im Bürgerbüro der Kreisverwaltung erhältlich.Infos zur Stiftung auch unter: www.johanna-loewenherz-stiftung.de

Ein unruhiges Leben

Johanna Loewenherz wurde am 12.03.1857 oder 12.04. 1857 in Rheinbrohl geboren. Über das genaue Geburtsdatum gibt es unterschiedliche Versionen. Am 16. oder 17. Mai 1937 verstirbt Johanna Loewenherz in Rheinbrohl. Sie entstammt einer jüdischen Familie. Ihr Vater Heimann Loewenherz ist Kaufmann und Steinbruchbesitzer, ihre Mutter Fanni Loewenherz ist Hausfrau.

Johanna Loewenherz hat zwei ältere Geschwister, die ältere Schwester verstirbt 1905, ihr älterer Bruder 1880. Am 24.08.1900 wird ihr unehelicher Sohn Karl Fritz in Köln geboren. Im Mai 1933 gilt der Sohn Karl Fritz als flüchtig und verstirbt nur wenige Monate später am 4.12.1933 an einer Blutvergiftung. Die Beerdigung am 7.12.1933 wird polizeilich überwacht, protokolliert und als politisch unbedenklich eingestuft.

Über die Ausbildung der Johanna Loewenherz ist z. Z. noch immer nichts bekannt. Sie arbeitet als Schriftstellerin und veröffentlicht sowohl literarische als auch politische Schriften.

Am 12.04.1887 siedelt sie nach Neuwied um. Von 1903/04 und 1911-15 lebt sie mit ihrem Sohn in München/Schwabingen.

1895 unternimmt sie ausgedehnte Agitationsreisen für die SPD. Dabei ist u.a. das Frauenwahlrecht ihr Thema. In den 90er Jahren ist sie aktive Vertreterin der SPD Neuwied und besucht verschiedene Parteitage, bei denen sie Resolutionen einbringt und versucht Frauenpolitik innerhalb der SPD durchzusetzen.

Einige Veranstaltungen muss sie verlassen, weil es Frauen untersagt ist, sich politisch zu betätigen. Auch der von ihr mitgegründete Volksbildungsverein zu Neuwied wurde polizeilich aufgelöst. Ab 1897 finden sich in den bisherigen Quellen keine Hinweise mehr auf ein politisches Engagement.

Vom 14.04 bis 5.05.1933 wird Johanna Loewenherz in sog. Schutzhaft genommen und muss sich danach regelmäßige polizeilich melden. Am 4.4.1937 verfasst sie ihr Testament und vermacht dem Landkreis Neuwied ihr Haus und Anwesen in Rheinbrohl. Der Landkreis kann das Erbe nicht antreten, da es jüdischer Herkunft ist. Eine Testamentvollstreckerin verwaltet das vermietete Haus und veräußert Grundstücke. Erst als am 03.02.1984 das Amtsgericht Linz dem Rechtsanwalt Dietmar Welsch die Nachlasspflege überträgt wird das Erbe entdeckt.



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