Tinnitus und seine Möglichkeiten der Behandlung
RATGEBER | Fast jeder hat das Klingeln, Pfeifen oder Rauschen im Ohr schon einmal erlebt. Wenn der Tinnitus mehr als 3 Monate anhält und damit als chronisch gilt, wird eine langfristige Behandlung immer wichtiger¹. Die Methoden richten sich dabei ganz individuell nach dem jeweiligen Patienten und seinen Beschwerden.
Tinnitius – Counseling als Teil der Behandlung
Ein anhaltender Tinnitus kann zu einer erheblichen Belastung werden. Der Alltag von Betroffenen ist dann in vielen verschiedenen Bereichen eingeschränkt. Das kann so weit gehen, dass es zu einer Behinderung bei Tinnitus kommt und Betroffene sogar arbeitsunfähig werden. Um das Geräuschphänomen zu verstehen und die Hilfe möglichst effektiv zu gestalten, gibt es Counseling bei Tinnitus. Darunter fallen eine Vielzahl von Therapieansätzen, die darauf abzielen, Menschen mit Ohrgeräuschen dabei zu unterstützen, mit ihren Symptomen umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Zu den wichtigsten Aspekten gehören:
• Information und Aufklärung über Tinnitus, einschließlich Ursachen, Symptome und mögliche Behandlungen, um ein besseres Verständnis des Zustands zu ermöglichen.
• Entwicklung von Bewältigungsstrategien, die Techniken zur Stressbewältigung, Entspannungsmethoden und Ablenkungstechniken umfassen, um den Umgang mit den belastenden Auswirkungen von Tinnitus zu erleichtern.
• Anwendung von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) zur Veränderung von negativen Denkmustern und Verhaltensweisen, die den Tinnitus beeinflussen könnten.
• Möglicher Einsatz von Hörtherapie und Hörhilfen, um die Hörfähigkeit zu verbessern und die Aufmerksamkeit von den Tinnitus-Geräuschen abzulenken.
• Bereitstellung von emotionalem Support und psychologischer Unterstützung, um mit den emotionalen Auswirkungen von Tinnitus, wie Ängsten, Frustrationen und Depressionen, besser umgehen zu können.
Die individuelle Behandlung kann je nach den spezifischen Bedürfnissen und der Schwere des Tinnitus variieren. Was darüber hinaus hilft, finden behandelnder Arzt und Patient gemeinsam heraus. Die Zusammenarbeit mit qualifizierten Fachleuten wie Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (HNO-Ärzten), Audiologen oder Psychologen ist wichtig, um eine angemessene Unterstützung und Behandlung zu gewährleisten.
Hören bei Tinnitus neu lernen
Einige der Möglichkeiten, Tinnitus zu behandeln, richten sich an Hörgewohnheiten. Dazu zählen Musiktherapie und Hörtrainings, aber auch technische Hilfen wie Noiser und Masker. Während Noiser das Gehirn dahin gehend trainieren sollen, den Tinnitus als unwichtig wahrzunehmen und daher zu „überhören“, sollen Masker die lästigen Ohrgeräusche überdecken. Diese Funktionen können unter anderem in einem Hörgerät integriert sein, sofern Sie eines benötigen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Hörtraining. Betroffene sollen gezielt darauf hinarbeiten, dass sie den Tinnitus im Ohr weniger intensiv wahrnehmen. Diese Behandlung macht sich zu Nutzen, dass das Gehirn Geräusche priorisiert und ihre Wahrnehmung fördern oder hemmen kann. Es spricht dabei gezielt die Geräuschhemmung in den vielfältigen Prozessen an.
Einen anderen Weg, die Hörgewohnheiten bei Tinnitus zu beeinflussen, geht die Musiktherapie. Sie greift vertraute und positiv verknüpfte Melodien auf und schult damit ein bewusstes Hin- und Weghören. Ähnlich wie bei Maskern und Noisern ist der praktische Nutzen bislang nicht endgültig wissenschaftlich belegt. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Musiktherapie legt jedoch positive Effekte nahe.²
Entspannung als Behandlung bei Tinnitus
Der ständige Ton im Ohr kann zur Belastung werden und damit auch zu einem Grund permanenter innerer Anspannung. Wenn auch Sie den Druck deutlich spüren, sollten Sie als Teil der Behandlung Entspannungstechniken ausprobieren. Dabei gibt es nicht die Methode. Probieren Sie am besten verschiedene Verfahren aus, um herauszufinden, welches Ihnen bei Tinnitus die beste Hilfe ist.
Infrage kommen etwa progressive Muskelentspannung und autogenes Training, aber auch Visualisierung, Fantasiereisen oder Biofeedback. Hier gilt ganz einfach: Was Ihnen bei Tinnitus hilft, ist gut.
Die Tinnitus-Behandlung mit Psychotherapie ergänzen
Ist der innere Druck durch den Tinnitus zu groß, reicht Entspannung als Behandlung oft nicht mehr aus. Die Geräusche beeinträchtigen mitunter die Arbeitsfähigkeit, aber auch das Sozial- und Beziehungsleben spürbar. Dann kann die Psychotherapie Betroffene wieder auffangen.
Bei chronischem Tinnitus vermittelt die kognitive Verhaltenstherapie gezielt Strategien, wie Sie mit den Ohrgeräuschen besser und entspannter umgehen können. Dabei greift die Therapie gezielt die Gedanken auf, die Sie sich zum Tinnitus machen. Auch mit dem Geräusch zusammenhängende Verhaltensweisen nehmen Sie im Rahmen der Sitzungen unter die Lupe und modifizieren sie so, dass der Ton im Alltag nicht mehr eine so hohe Belastung ist. Den Ton selbst kann die Therapie jedoch nicht eliminieren.
Die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie bei Tinnitus ist wissenschaftlich nachgewiesen. Deshalb ist sie Bestandteil der Leitlinien zum Behandeln der Erkrankung.³
Tinnitus: Behandlung körperlicher Ursachen
Mitunter entsteht der Ton als sogenannter objektiver Tinnitus aufgrund einer körperlichen Ursache. Dann steht die Behandlung dieser Ursache im Fokus der Therapie. Diese können dabei von verengten Blutgefäßen über muskuläre Anspannungen bis hin zu Blockaden im Bewegungsapparat von Kopf und Hals reichen.
Je nach Ursache liegt die Lösung für den Tinnitus dann etwa in einer Operation der verengten Gefäße, im Lösen der Blockaden oder der Gabe von Medikamenten. (prm)
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¹ „Tinnitus-Behandlung beim HNO-Arzt » Tinnitus » Krankheiten » HNO-Ärzte-im-Netz ».“ Hno-aerzte-im-netz.de, https://www.hno-aerzte-im-netz.de/krankheiten/tinnitus/tinnitus-behandlung-beim-hno-arzt.html. Zugegriffen 15. Dezember 2023.
² Argstatter, Heike, et al. “Long-Term Effects of the ‘Heidelberg Model of Music Therapy’ in Patients with Chronic Tinnitus.” International Journal of Clinical and Experimental Medicine, vol. 5, no. 4, 2012, p. 273.
³ Zenner, H. P., et al. “Zur interdisziplinären S3-Leitlinie für die Therapie des chronisch-idiopathischen Tinnitus.” HNO, vol. 63, no. 6, 2015, pp. 419–427, doi:10.1007/s00106-015-0011-z.