Das CanG ist da - und wirft viele Fragen auf
RATGEBER | Deutschland legalisiert Cannabis. Nach langen Wochen des Wartens für Befürworter der Legalisierung kam es im Bundesrat zu keiner ausreichenden Mehrheit, die für die Einschaltung des Vermittlungsausschusses stimmte. Da das Gesetz, welches eines der Hauptziele der Ampel-Regierung darstellt, nun auch durch den Bundespräsidenten unterzeichnet wurde, steht der Legalisierung ab April nichts mehr im Wege.
Neue Gesetzeslage ändert alles
Hierzulande gibt es viele Gesetze, die vermeintlich alltägliche Dinge zumindest in den grauen Bereich der deutschen Rechtslage schieben. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Suche nach Spielautomaten bei Automaten SpieleX, die bis vor Einführung des Glücksspielstaatsvertrages rechtlich quasi nicht einzuordnen war. Ein ähnliches Szenario bestand lange für Konsumenten von Cannabis innerhalb der Bundesrepublik. Zwar galt der Konsum an sich als straffrei, Besitz, Erwerb und Handel waren jedoch durch die vor dem CanG gültige Rechtslage untersagt. Unter diesen Voraussetzungen war in der Praxis nur in Ausnahmefällen ein legaler Konsum ermöglicht, da in den meisten Fällen der Konsum auch mit dem gleichzeitigen Besitz einherging.
Mit dem CanG hat sich die Situation in Deutschland schlagartig geändert. Bundesweit gilt nun eine einheitliche Menge von 25 Gramm der Blüten weiblicher Cannabispflanzen, die jeder Bürger in der Öffentlichkeit mit sich führen darf. Außerdem darf jede Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, bis zu drei blühende Cannabispflanzen auf eigenen Grund besitzen. Zum 01.06. wird es zudem CSCs (Cannabis Social Clubs) möglich sein, den Anbau für bis zu 500 Mitglieder im größeren Stil gegen Mitglieds- und Abnahmegebühren umzusetzen.
Warum legalisieren?
Im Rahmen der lang anhaltenden Diskussion rund um die Thematik der Legalisierung von Cannabis in Deutschland stellt sich vor allem eine zentrale Frage: Welche möglichen Vorteile bietet die Änderung der Gesetzeslage? Befürworter sprechen sich in diesem Aspekt für einen erhöhten Konsumenten- und Jugendschutz aus. Ferner sollte durch eine Legalisierung Druck, von der ohnehin bereits überlasteten genommen und eine zusätzliche Einkommensquelle durch anfallende Steuergelder generiert werden. Eine Legalisierung könnte der Vermutung einigen Experten zufolge auch Umsatzeinbußen auf Seite der organisierten Kriminalität hervorrufen.
Kritiker hingegen sind sich sicher, dass eine Legalisierung auch aufgrund einer Vorbildfunktion zu gegenteiligen Effekten hinsichtlich des angepeilten Jugendschutzes führen wird. Außerdem sei nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen die in einigen Punkten schwammige Ausführung des neuen CanG auf die in Bezug auf die Amnestieregelung neu aufzurollenden Verfahren haben wird. Alles in allem gibt es somit sowohl gute Argumente für und gegen die Legalisierung, die mittlerweile den Rahmen der Spekulation verlassen und zur Realität geworden sind.
Die Auswirkungen des CanG auf Deutschland
Schon jetzt wird heiß um die mittel- und langfristigen Folgen des CanG auf die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft diskutiert. Abzustreiten ist dabei nicht, dass die Legalisierung in den kommenden Jahren eine neue Quelle für Steuereinnahmen in verschiedenen Sektoren eröffnen wird. Auch Statistiken zeigen eine Bestätigung für diese Vermutung. Schon bevor die Legalisierung in Deutschland beschlossen war, gaben Prognosen einen konstanten Anstieg des Umsatzes auf dem Markt für legales Cannabis in Europa an. Im Rahmen der finalen Diskussion des Entwurfs eines CanG im Bundesrat wurden zudem weitere kritische Prognosen geschildert. Von Aussagen, die von einer erhöhten Anzahl von Verkehrstoten oder möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des häufig in Verbindung mit Cannabis konsumierten Tabaks ausgehen, ist jedoch aus wissenschaftlicher Sicht abzusehen.
Werden wir jetzt alle “faule Kiffer”?
Eine Gruppe befürchteter Bürger äußert die Sorge, in Zukunft in einer “bekifften Gesellschaft” voller “fauler Kiffer” verweilen zu müssen. Zwar ist diese Sichtweise aufgrund vieler von Filmen und Serien bekannten Klischees durchaus verständlich, jedoch mit Blick auf andere Vorreiter auf dem Gebiet äußerst unwahrscheinlich. Schließlich ist Deutschland bei Weitem nicht das erste Land, das den Schritt zur Legalisierung wagt. In Kanada, den legalen US-Staaten und vielen anderen Nationen mit moderner Drogenpolitik sind selbst nach einigen Jahren keine bemerkenswerten Auswirkungen in dieser Hinsicht zu beobachten.
Unklarheiten sorgen für große Zweifel
Der mit Abstand wichtigste Einwand gegen das CanG besteht aus den vielen offenen Fragen, die mit der teils schwammigen Formulierung im neuen CanG einhergehen. Hier wird beispielsweise von einer maximalen Summe von 50 Gramm Cannabis im Besitz einer Einzelperson gesprochen. Bei einer durchschnittlichen Ernte würde der festgeschriebene Maximalbetrag mit den per Gesetz erlaubten drei weiblichen Cannabispflanzen jedoch deutlich überschritten werden. Weitergehend stellt sich jetzt die Frage, wie möglicherweise unterschiedliche Trocknungsgrade vor Gericht bewertet werden. Cannabis wird nass geerntet und anschließend getrocknet. Da im Gesetz jedoch nicht genau geregelt wird, ab welchem Feuchtigkeitsgehalt die Blüten als trocken gelten, kann es hierbei in Zukunft zu problematischen Situationen kommen.
Fraglich ist auch, inwiefern das CanG kurzfristig zur Eindämmung des Schwarzmarktes führen soll. Schließlich ist der Besitz von 25 Gramm zwar ab April legal, es gibt hierzulande jedoch keine offiziellen Anlaufstellen, bei denen Cannabisprodukte zu Freizeitzwecken erworben werden können. Bis die ab dem 1.6. erlaubten CSCs die ersten Ernten einfahren werden, dürfte rund ein halbes Jahr vergehen, in dem Konsumenten ihr Cannabis zwar vollkommen legal besitzen, jedoch an keiner Stelle offiziell erwerben dürfen. Dieser Missstand sorgt verständlicherweise nicht nur für Verwirrung, sondern auch für Empörung unter Legalisierung-Gegnern. In der Theorie sind dem Schwarzmarkt somit zumindest für einen beschränkten Zeitraum alle Türen geöffnet, um den Umsatz nochmals massiv anzukurbeln.
CanG wird nach rund anderthalb Jahren evaluiert
Um möglichst schnell einen ersten Eindruck von der Entwicklung nach Einführung des CanG erhalten zu können, soll das neue Gesetz und dessen Folgen bereits rund anderthalb Jahre, also im Herbst 2025, evaluiert werden. Ob die aktuelle Rechtslage überhaupt weiter als bis zu diesem Zeitpunkt bestehen wird, ist aktuell mehr als fraglich. Seitens der CDU wird bereits jetzt verkündet, dass das CanG bei einer möglichen Machtübernahme im Bundestag nach den Neuwahlen im kommenden Jahr möglichst schnell gekippt werden soll.
Ein Blick auf die Entwicklung in Ländern, die bereits Jahre vor Deutschland den Weg der Legalisierung eingeschlagen haben, macht jedoch Grund zur Hoffnung. Schließlich sind dort keine nennenswerten Beobachtungen hinsichtlich negativer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Folgen aufgetreten. Spannend könnte auch der nächste Bericht des WDR (World Drug Report) sein. Hier und in den in Zukunft von der Bundesregierung veröffentlichten Ausarbeitungen wird sich zeigen, inwiefern die Legalisierung in Deutschland tatsächlich sinnvolle Veränderungen mit sich bringen wird. (prm)