Keramik kann viel mehr als Krüge und Fliesen
Von Helmi Tischler-Venter
Wer Höhr-Grenzhausen hört, denkt an das Kannenbäcker Land, blaugraue Krüge und bunte Fliesen. Das ist zwar nicht verkehrt, aber keinesfalls zeitgemäß. Ohne keramische Produkte gäbe es keine digitalen Geräte, keine Prothesen und keine Raumfahrt. Ein Studium am praxisbezogenen Westerwald-Campus der Hochschule Koblenz in Höhr-Grenzhausen sichert die Zukunft.
Höhr-Grenzhausen. Die Regionalinitiative der drei Landkreise Altenkirchen, Neuwied und Westerwaldkreis bewirbt alles, was die Region Westerwald einzigartig macht. Dazu gehört der Ton, der die Grundlage der Keramikindustrie ist. Daher besuchten der Landrat des Westerwaldkreises Achim Schwickert und Vorständin Sandra Köster den Hochschulstandort "WesterWaldCampus" in Höhr-Grenzhausen. Er ist der keramische Zweig der Hochschule Koblenz in Höhr-Grenzhausen. Integriert in den Westerwald-Campus sind der Fachbereich Werkstofftechnik, Glas und Keramik sowie das Institut für Künstlerische Keramik und Glas (IKKG). Der Fachbereich gilt als das größte Ausbildungs- und Forschungszentrum für Keramik in Europa mit einem Netzwerk, das sich über Europa hinaus erstreckt. Hintergrund für die Wahl des Standorts war die lange Tradition der Keramikherstellung und -ausbildung in der Region. Diese Tradition reicht in Höhr-Grenzhausen bis ins 19. Jahrhundert zurück.
Fachrichtungsleiter und Prodekan Professor Dr. Olaf Krause nannte den Ton "Fluch und Segen zugleich", weil Ton und Keramik im Bewusstsein der Menschen mit Töpferei verbunden wird und durch die negative Presse über die Schließung von Keramikbetrieben auch eine negative Einstellung gegenüber Keramik vorherrscht. Dabei macht Haushaltskeramik nur einen kleinen Teil der Verwendungsmöglichkeiten aus, denn die hohe Qualität des westerwälder Lagerstätten erlaubt vielfältige technische Anwendungen. Während am Institut für Künstlerische Keramik und Glas (IKKG) kreative Studierende Freie Kunst Keramik/Glas studieren können, erhalten Studierende in der Fachrichtung Werkstofftechnik Glas und Keramik (WGK) eine erweiterte Ingenieursausbildung in einem bundesweit einzigartigen Hightech-Studiengang.
Hochschul-Mitarbeiterin Tina Klersey präsentierte einen Koffer mit keramischen Musterartikeln. So unterschiedliche Objekte wie Isolatoren, Zündkerzen, Glasfasern, künstliche Gelenke, Zahnfüllungen, Dichtringe, Mahlwerk in der Pfeffermühle, Space-Shuttle-Kacheln, Sensoren, Mikroportionierer und Rennwagenbremsen zeigen die vielseitige Nutzung, die den attraktiven Eigenschaften hohe Härte, Verschleißbeständigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Hochtemperaturstabilität geschuldet sind. "Jedes Handy und jedes Auto funktioniert nur mit keramischen Werkstoffen. Die Klimarettung schaffen wir nur mit diesem Material", betonte Krause. Genau darauf können sich die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure am Westerwald-Campus spezialisieren und werden somit weltweit gesuchte Fachkräfte.
Trotzdem klagte Krause über schwindende Studentenzahlen. Als Filiale der Hochschule Koblenz fühle sich Höhr-Grenzhausen oft vergessen und es fehle vor allem Geld für effektives Marketing.
Landrat Schwickert war sich bewusst, dass es schwierig ist, Studenten aus der Region zu finden. Er regte an, im Schulterschluss mit den Werbemaßnahmen von "Wir Westerwälder" die Vorzüge des Standorts Westerwald aus der Sicht junger Leute zu verbreiten, vielleicht mit einem kleinen Image-Film.
Als Protagonist eignet sich Diplom-Ingenieur (FH) Stephan Schmidt, der als Geschäftsführender Gesellschafter die Stephan Schmidt Gruppe leitet, die zu den weltweit führenden Herstellern von Spezialtonen und Advanced Clay Minerals gehört. Er stammt aus einem 1947 gegründeten Familienbetrieb und studierte an der Fachhochschule in Höhr-Grenzhausen, weil er es "spannend fand, was Keramik alles ist". Parallel dazu machte er eine Lehre als Stoffprüfer. Seit 2010 ist er in dem Betrieb tätig und jetzt selbst Ausbilder für attraktive keramische Berufe. Es gibt 400 einzelne Tone, die selektiv abgebaut und als Mischungen weltweit verkauft werden, dazu braucht man Fachleute, die hier ausgebildet werden.
Schmidt hat einen starken Bezug zum Westerwald und ist wegen seiner Liebe zur Natur und kurzen Wege zur Arbeit mit seiner Familie bewusst in der Region geblieben. Er setzt auf Öffentlichkeitsarbeit und betreibt viel Forschung und Entwicklung, geleitet von Mineralogen.
Der Landrat lobte die Familienunternehmen, weil sie nicht auf kurzfristigen Gewinn aus sind, sondern langfristig planen und effizient ausgestalten. Diese Familienunternehmen müssen mit den Leuten reden über benötigten Straßenbau und Rekultivierung. Das ist für die Gemeinden durchaus gewinnbringend.
Vorständin Sandra Köster verwies auf die Ausbildungskampagne "Westerwälder Naturtalente 2024" und präsentierte eine dicke Fibel für Schulen, in der 30 Unternehmen dargestellt werden. Zudem soll die Kampagne "Ton-Angeber" angestoßen werden. Das Angebot der Regionalinitiative wurde dankbar angenommen.
Kontakt zum "WesterWaldCampus, der einen Bachelor-Studiengang "Werkstofftechnik Glas & Keramik" und einen Master-Studiengang "Ceramic Science and Engineering" sowie einen dualen Studiengang anbietet, über die Mail klersy@hs-koblenz.de für Schnupperangebote oder für ein Beratungsangebot an porz@studierendenwerk-koblenz.de. htv
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