"Verteidige das Herz Europas": Demonstration gegen die AfD am Heimathaus Neuwied
Von Helmi Tischler-Venter
MEINUNG | Das Neuwieder Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem alle im Neuwieder Stadtrat vertretene rechtsstaatliche Parteien und viele freiheitlich denkende Organisationen angehören, hatte für den 18. Mai zu einer Demonstration am Heimathaus eingeladen, in dem die AfD Rheinland-Pfalz ein "Heimattreffen" unter der Überschrift "Europa neu denken" veranstaltete.
Neuwied. "Verteidige das Herz Europas" setzte das Bündnis für Demokratie und Toleranz als Motto dagegen. Mehrere hundert Menschen, darunter Kommunalpolitiker aller demokratischer Parteien, ließen sich am Pfingstsamstag auch nicht durch einen Regenguss davon abhalten, gegen die AfD zu demonstrieren, denn deren Parteiprogramm verrät, dass die EU aufgelöst werden soll.
Sehr deutlich taten einige Demonstrationsteilnehmer ihre Meinungen auf Teppichklopfern kund: "Hellblaue Dummschwätzer macht euch fott!" oder "Ist mir nicht egal, ich lass das jetzt nicht so!", denn geduldiges Nichtstun führte in der deutschen Geschichte bereits einmal zur Katastrophe.
Organisator und Sprecher Peter Schwarz bezeichnete die AfD-Politiker als Feinde Europas, denen Widerstand entgegengesetzt werden muss, denn die "Wölfe im Schafspelz", die im Heimathaus einen Heimatabend veranstalteten, strebten die Rückkehr zum Nationalismus des 19. Jahrhunderts an, "als gäbe es die Toten zweier Weltkriege nicht und als gäbe es die Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg nicht, die das Wagnis der Demokratie eingingen" und damit 70 Jahre Frieden bescherten. Schwarz befürchtete, dass die AfD die Zerschlagung der Werte will, um die man uns in anderen Ländern beneidet, dass sie Abhängigkeit will und daher Kontakte zu autokratischen Staaten wie Russland und China hält. Dass Kandidaten dieser Partei im Verdacht der Vorteilsnahme stehen, sei ein Skandal. "Die AfD hat Rechtsextremisten, Rassisten und Staatsfeinde im Schlepptau, die von der Partei gedeckt werden." Entschlossenes Handeln des Verfassungsschutzes wird begrüßt. Fazit: "Die Partei ist hochgefährlich für unser Leben, Demokratie, Frieden und Freiheit!"
Schwarz nannte die EU "die beste politische Entwicklung nach zwei verheerenden Weltkriegen", denn die Völker Europas seien nur gemeinsam den weltweiten Herausforderungen gewachsen. Durch Kultur, Begegnung, Handel und Kunst seien aus Feinden Freunde geworden. "Die gewachsene Gemeinschaft will die AfD mutwillig zerstören." Schwarz appellierte an alle EU-Mitglieder, nicht den gleichen Fehler zu machen wie die Briten beim Brexit, den diese inzwischen mehrheitlich bereuen und an die AfD: "Mit uns wird es keinen Rückschritt in finstere Zeiten geben, unsere Zukunft ist mitten in Europa. Wir versprechen: Wir werden erfolgreich sein! Vive l‘ Europe!"
Der bisherige Kreisbeigeordnete und Schuldezernent Michael Mahlert bekannte, er habe lange Zeit nach Lösungen mit der AfD gesucht. Nun frage er sich: "Was bedeutet Höcke Inklusion?" Mahlert brach sein Beispiel auf Neuwied herunter, wo es vier Förderschulen gibt und Behinderte unsere Unterstützung brauchen. Worte wie "Absonderung" hätten hier nichts verloren. Zum Profil der AfD gehörten internationale Handelskontrollen und Einlasskontrollen. "Wollen wir das? Wir müssen dagegenhalten, denn es ist gefährlich. Es ist bereits eine Minute vor zwölf!", mahnte Mahlert und bat darum, alle Mitmenschen zu motivieren, am 9. Juni wählen zu gehen.
Manfred Kirsch appellierte, es sei "an der Zeit, auf die Straße zu gehen für Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität mit den vielen geflüchteten Menschen" und er verwies auf die Möglichkeit, Grundrechte zu entziehen und einen Verbotsantrag gegen die AfD zu stellen. Die AfD sei eine gefährliche Gruppierung, die all diejenigen diskriminiere, die in der Gesellschaft am Rand stehen, es gebe bei ihr keine Sozialpolitik, sie zementiere Ungleichheit. Daher: "Keine Mehrheiten für diese Herrschaften! Lasst uns leidenschaftlich an der europäischen Idee festhalten!"
Der junge Redner Agid al Massalmeh äußerte sich zuversichtlich, dass die von der AfD angestrebte komplette Zerstörung Europas nicht passieren werde, "solange wir noch eine klar denkende Regierung haben. Wer am meisten unter der AfD leiden wird, sind deren Wähler, denn sie werden beschissen!" Sein Appell: "Seien Sie schlau, wählen Sie nicht blau, sondern sind Sie schlauer und bilden Sie eine Brandmauer!"
Pfarrer Neusel (a. D.) erinnerte in einem Zwischenruf daran, dass in autokratischen Regimen die kleinen Leute nichts zu melden haben und an den ersten Artikel unserer Verfassung: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Inge Gütler, "überzeugte deutsche Europäerin aus Neuwied", verwies auf Europa als das international beliebteste Reiseziel der Welt, ohne störende Grenzen und mit einheitlicher Währung. Die AfD nehme als rechtsnationales Bündnis personelle und finanzielle Vorteile der EU in Anspruch, wolle aber die europäische Einigkeit zerstören. "Wir haben die Vergangenheit nicht vergessen: Nie wieder Krieg! Verteidigt mit uns das Herz Europas!"
Das Bündnis hatte noch eine Besonderheit vorbereitet: Ein Duo spielte die deutsche Nationalhymne auf Gitarre und Querflöte, Rainer Neuendorf sprach die dritte Strophe dazu, bevor die Demonstranten diese leise und gefühlvoll mitsangen.
Die Demonstration lief, von der Polizei aufmerksam beobachtet, sehr friedlich und ruhig ab. Es bleibt zu hoffen, dass AfD-Mitglieder und -Sympathisanten, die zeitweise zuhörten, sich das Gehörte auch zu Herzen nahmen. htv
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