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Nachricht vom 14.06.2024    

Ein Hauch von Hollywood in Rommersdorf: Neuwieder Festspiele eröffnen fulminant

Von Helmi Tischler-Venter

Traditionell eröffnet die Freie Bühne Neuwied die Rommersdorf Festspiele und die Stadt Neuwied tut gut daran, auf ihr ortseigenes Ensemble zu setzen, denn Boris Weber und seine Mitstreiter sind Garanten für gute Unterhaltung. In diesem Jahr standen überraschender Weise neben Webers Ehefrau Tammy Sperlich noch André Wittlich und Nicolas Knauf auf der Bühne im Englischen Garten.

Fotos: Helmi Tischler-Venter

Neuwied. Gespielt wurde die Komödie "Mondlicht und Magnolien", synonym für ein episches Liebesdrama wie "Vom Winde verweht" von Margaret Mitchell. Dieser Roman wurde in Amerika ein Millionenerfolg und erhielt den Pulitzer-Preis. Die von David O. Selznick in Los Angeles produzierte gleichnamige Verfilmung kam 1939 in die US-amerikanischen Kinos. Die Vorgeschichte zur Filmproduktion ist Thema des Bühnenstücks.

David O. Selznick ist von Mitchells Roman fasziniert, er will dicht am Originaltext bleiben und hat daher die Produktion unterbrochen und den Regisseur gefeuert. Nun braucht er ein völlig neues Drehbuch und einen neuen Regisseur. Dem Superstar Ben Hecht bietet er 15.000 Dollar für fünf Tage, in denen er das Drehbuch fertigstellen muss, doch Hecht kennt den Roman gar nicht. Auch der Regisseur und Kameramann Victor Fleming hat nur eine vage Vorstellung vom Inhalt. Beide Filmgrößen sind sich einig in der Einschätzung, dass ein Film, der während des Bürgerkriegs spielt, kein Erfolg werden kann.

Doch der besessene Produzent Selznick bleibt stur bei seiner Vorstellung und sperrt, um mit dem extrem kurzen Zeitfenster zurechtzukommen, sich mit seiner Sekretärin, dem Drehbuchautor und dem Regisseur in spe in der Wohnung ein. Zu essen gibt es nur Berge von Bananen und Erdnüsse, weil diese für die Nerven gut seien. Das ist auch nötig, denn in ihrer Enklave spielen Selznick und Fleming dem Autor jede Szene zum Mitschreiben vor.

Dabei zeigen die Schauspieler ihr großes Können: André Wittlich spielt als David O. Selznick hemmungslos alle Emotionen, von Leidenschaft, Entsetzen und totaler Verzweiflung bis zum Triumph. Boris Weber in der Rolle des Regisseurs zeigt nicht nur Kameraeinstellungen, er schlüpft in wechselnde Rollen des Films und bringt auf dem Tisch mit viel Geschrei und Gestöhne ein Kind zur Welt und eine im Auge geplatzte Ader treibt ihn zur Hysterie. Dem Drehbuchautor alias Nicolaus Knauf sieht man förmlich an, wie er zusehends Kilos und Nerven verliert. Die einzige Verbindung zur Außenwelt ist die von Tammy Sperlich verkörperte Sekretärin Miss Poppenghul, die ständig versucht, ihren störrischen Arbeitgeber mit dessen geldgebendem Schwiegervater telefonisch zu verbinden, das Trio mit Bananen und Erdnüssen versorgt und die Film-Ouvertüre auf der Blockflöte spielt.



Ben Hecht weiß als erfahrener Drehbuchautor, dass Drehbücher möglichst trivial sein müssen, um dem Publikum zu gefallen, und Scarlett O'Hara ist als Heldin für ihn ein "Flittchen" mit einer "verkommenen Moral". Victor Fleming streitet ständig mit dem Autor, weil er ihn für einen weltfremden Zeitungs-Schreiberling hält. Ihr Konsens lautet: "Dickes Buch, langer Film!"

Der unter Erfolgsdruck stehende Produzent verwirrt und brüskiert seine Mitstreiter mit seiner Einschätzung, es handele sich um die "großartigste Dreiecks-Liebesgeschichte aller Zeiten" und "Das hier wird der größte und beste Film, den die Welt jemals gesehen hat!". Für Fleming ist es "Scheißdreck". Er ist sich mit Hecht einig, dass der Film die Karrieren aller Beteiligten beenden wird. An dieser Stelle erstarrt Selznick.

Nach kurzer Zeit geht es wieder heftig weiter, denn jede einzelne Szene artet in einen Kampf aus. Die Filmohrfeige sorgt für viele gegenseitige Ohrfeigen des Männertrios. Den letzten Kampf unter den Filmschaffenden verursacht der Schlusssatz in "Vom Winde verweht", die banale Aussage "Schließlich ist morgen ein neuer Tag".

Bei der Gestaltung des Finales wird Ben renitent, denn er will ein "neues Amerika" schaffen. Doch der Produzent beharrt darauf, dass Amerika eine bestimmte Vorstellung von sich sehen will und dass die Kinogänger die Macht haben. All die Mühen nähmen sie auf sich, um unsterblich zu werden. Selznick sollte in allem Recht behalten, denn "Vom Winde verweht" gewann 1940 zehn Oscars.

Das attraktive Programm der Rommersdorf Festspiele geht bis zum 6. Juli weiter. Tickets sind erhältlich unter www.rommersdorf-festspiele.de. htv


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