Buchtipp: "Lost & Dark Places Westerwald" von Andreas Stahl
Von Helmi Tischler-Venter
33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte hat Andreas Stahl im geografischen Westerwald ausgemacht, von Bendorf bis Hadamar und von Dillenburg bis Windeck. Verlassene Orte sind im Trend, eine Fernsehserie lebt vom Interesse an den verwunschenen, verbotenen oder sogar gruseligen Plätzen. Diese gibt es auch bei uns, zu finden im ersten "Dark-Tourism-Guide" für den Westerwald.
Dierdorf. Die Faszination für Lost Places hat ihre Kehrseiten. Der Autor und Objektfotograf stellt die wichtigen Verhaltensregeln voran, denn alle verlassenen Orte haben Eigentümer. Daher müssen die Relikte mit Respekt behandelt werden, es darf nichts mitgenommen oder dagelassen werden, Rauchen und Graffitis sind verboten und man darf die maroden Plätze nicht allein besichtigen. Wer die Regeln beherzigt, kann Anachronismen und Besonderheiten in der Region entdecken.
Manche aufgelassenen Objekte stehen ganz offensichtlich da, wie der Hochbunker in Limburg mitten in der betriebsamen "WERKStadt". Viele stehen, von Grün überwuchert, versteckt im Wald, wie das alte Wasserwerk zwischen Hommelsberg und Limbach oder der Hildegardisfelsen und der Keltenwall bei Dornburg-Frickhofen sowie die Moder-Blockhütte nahe Heupelzen und die historische Wasserbrücke über die Westerwald-Querbahn bei Nistertal.
Einige Liegenschaften dienten einst militärischen Zwecken, sei es der geheimnisumwitterte Rabenscheider Reichsbahntunnel bei Haiger, die Nike-Batterie bei Burbach-Lützeln, das Korpsdepot Linden-Wölferlingen oder das ehemalige Bundeswehrübungscamp nahe dem Stegskopf.
Andere Gebäude waren Stätten des Feierns oder der Erholung, zum Beispiel das Hotel Waldhaus Wingertsberg in Oberbieber und das Kino Hofmann in Driedorf.
Geldmangel verursachte seit jeher den Niedergang. Das wird deutlich beim einst bedeutenden Kloster Seligenstatt bei Seck aus dem 12. Jahrhundert und bei dem ehemaligen Kinderheim bei Runkel-Dehrn, das einst als Wirtschaftsgebäude für das Schloss von Dehrn errichtet wurde.
Zahlreiche Bauten verloren ihren Zweck nach dem Ende des im Westerwald verbreiteten Bergbaus. Dazu gehören die Grube Ypsilanta bei Dillenburg, die Brecheranlage der Peterszeche im Buchhellertal und die Verbundgrube Füsseberg - Friedrich Wilhelm in Biersdorf. Der "Hohle Zahn" bei Berzhahn war tatsächlich einmal eine Seilbahn für Basaltgestein.
Gar nicht so leer und verlassen ist der Stöffelpark bei Enspel, dessen Industrieaufbauten für den Basaltabbau konserviert und für viele Veranstaltungen genutzt werden. Der ungefährliche Besuch lohnt sich sogar mit Kindern.
Stahl hat zu jedem Lost Place dessen Geschichte oder damit verbundene Geschichten recherchiert. So erfährt die Leserschaft, dass die gebildete Eiche bei Peterslahr mit einem Fluch belegt ist, der sich erst löst, wenn ein Mann eine sprechende Kröte küsst. Froschkönig umgekehrt.
Damit keiner nach dem Besuch eines verfallenden Objekts depressiv wird, hat Andreas Stahl an jedem beschriebenen Ort auch ein sehenswertes Ziel dagegengestellt: Nach der Besichtigung der Villa Angerstein in Haiger, Schauplatz eines Massenmords, empfiehlt der Autor eine Senfverkostung in Hessens erster Senfmanufaktur. Wer enttäuscht ist, dass das letzte Gebäude der Kreisstadt Altenkirchen, das in Schräglage in der Nähe des Zusammenflusses der Wied mit einem Mühlengraben steht, nicht besichtigt werden kann, kann im nahegelegenen Reiferscheid bei und mit Alpakas Motivation und Streicheleinheiten holen. Die ehemalige Gaststätte Heidehof bei Dierdorf fiel dem Kneipensterben zum Opfer, aber auf der Schlossinsel liegt heute sehr idyllisch eine Minigolfanlage.
Das 160-seitige reich bebilderte Buch ist im Verlag Bruckmann erschienen im Rahmen der Reihe "Lost & Dark Places", ISBN 978-3-7343-2543-4. htv
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