Kabarettistisches Wunschkonzert der Extraklasse mit Großmeister Lars Reichow
Von Helmi Tischler-Venter
Ein Konzert mit dem Pianisten Lars Reichow ist an sich schon ein musikalischer Genuss, seine Liedtexte immer scharfzüngig, augenzwinkernd humorvoll und bezaubernd. Die Wünsche, die er in seinem Wunschkonzert erfüllt, sind seine eigenen. Sie decken sich mit den Wünschen der Zuhörer, auf geheimnisvolle Weise sind Reichows Lebenserfahrungen und -wünsche die Erfahrungen aller.
Altenkirchen. Im "KulturSalon" an der Glockenspitze in Altenkirchen plauderte der Mainzer Künstler am Donnerstagabend (29. August) sowohl locker und lustig über seinen Alltag als Familienvater, als auch scharfsinnig und kritisch über die politische Situation. Jedes Wort war wohlüberlegt und saß. Die Themenmischung machte es möglich, dass das Publikum sich trotz der Texte mit Tiefgang gut unterhalten fühlte.
Reichow gestand, dass es schon eine Aufgabe sei, in diesen Zeiten einen unterhaltsamen Abend zu gestalten. Doch dem Meister der Kabarettkunst gelang es vorzüglich, die deutsche problembeladene Talk-Show-Gesellschaft mit seinen Urlaubserfahrungen in fremden Ländern zu verknüpfen mit dem Fazit, dass die Saftpresse vorne linke gehört, denn "wenn man sich ein bisschen auskennt im Urlaub, ist er auch schneller rum". Doch beim Urlaub mit dem Wohnmobil in Norwegen wurden die großen Käsfüße des Sohns zum Gefahrenpotential, weil Elche in der Nachbarschaft auftauchten, daher musste der "beste Autofahrer Europas" das "Jugendzimmer mit Kochplatte" sehr schnell auf die nächste Fähre lenken.
Der tierliebe Mainzer berichtete von seinem Engagement für notleidende Tiere und von seinem neuesten Familienzugang, einem traumatisierten, sensiblen Straßenhund aus Osteuropa, einem für Kindergeburtstage mietbaren Stretchdackel mit Zwischenfüßchen.
Bei unerwartet "karibischem Flair" vor der zum Zirkuszelt umgebauten Glockenspitze-Tennishalle besang der Musikkabarettist die Fußball-Weltmeisterschaft in der Wüste und selbstkritisch-sarkastisch das männliche Karrierestreben. Für seine Frau schrieb er ein einfühlsames Liebeslied. Reichows musikalische Wünsche bezogen sich auch auf die Regierung: "Ich wünsche mir eine Regierung ohne faule Kompromisse und Dauerdiskussion."
Politik ist Lars Reichows Spezialthema. Der Ampelkoalition bescheinigte er wohlwollend "einen nicht so glücklichen Lauf, Kreisel wäre billiger gewesen". Scholz‘ Strategie sei, schlumpfig zu grinsen und erst dann zu regieren, wenn das Zögern voll ausgekostet sei. Der geräuschloseste Kanzler aller Zeiten sei ein "special man" mit Verwegenheit verleihender Augenklappe.
Die Betrachtung des Politikers Friedrich Merz führte den Rheinhessen zu der Erkenntnis: "Der Puschel in der Mitte muss weg!" Karl Lauterbach sei der erste Minister, der per Talkshow mit Direktmandat ins Kabinett eingezogen sei. Im Gegensatz zu ihm habe Taschendiktator Björn Höcke wegen eines "Björn out" nicht am TV-Duell teilgenommen. Die rassistisch-extremistische AfD, die die Gesellschaft spalten und unsere Staatsform abschaffen will, ist Reichows erklärter Gegner, vor dem er eindringlich warnte.
Auch wenn am Ostrand Europas ein Krieg tobt, der die Menschen mitnimmt, appellierte der Kabarettist, sich die Einstellung der Ukrainer zu eigen zu machen, die sagen: "Wir haben nichts davon, Putin zu hassen. Wir versuchen den Hass umzuwandeln in Hilfsbereitschaft." Für uns, die wir im Speck unserer Friedensjahre leben, sollte es nach Reichows Dafürhalten selbstverständlich sein, die Ukraine zu unterstützen. Und wenn man anfange zu helfen und den Mut habe, etwas zu verändern, sei die Situation viel leichter zu ertragen. Zu dem politischen Lied präsentierte der Künstler die Flagge der Ukraine. So entließ er das Publikum nachdenklich, aber durchaus positiv gestimmt.
Helmut Nölgen vom Veranstalter Kulturbüro Felsenkeller wies auf kommende hochkarätige Veranstaltungen in der gemütlichen Atmosphäre des Kultursalons hin. Man findet sie unter www.kultur-felsenkeller.de/de/m1-programm.html. htv
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