Weiße Turnschuhe im Schlosstheater Neuwied - Versicherungsbetrug mit Genuss
Von Helmi Tischler-Venter
René Heinersdorff, Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz und Autor der Komödie "Weiße Turnschuhe" hatte bewusst dieses Stück an den Anfang der neuen Spielzeit gesetzt, um die Zuschauer mit einem Lachen im Gesicht nach Hause gehen zu sehen. Die geniale Besetzung der vier Rollen tat ein Übriges. Die Aufführung lebte von der Ausdrucksstärke des Schauspielers und Kabarettisten Jochen Busse in der Hauptrolle.
Neuwied. In der Premiere am Freitag, 13. September hatte das Publikum Gelegenheit, die erstaunliche Fitness des betagten Künstlers zu bewundern, dafür gab es sogar Szenenapplaus. Busses Alter Ego ist Günther, der mit seinen 75 Jahren ebenfalls topfit und agil ist. Sein Erfolgsgeheimnis: Er joggt und rudert, trinkt wenig und wenn, nur guten Alkohol und genießt "hin und wieder eine attraktive Frau". Daher bietet er in der Frauen-Spinninggruppe gern körpernahe Nachhilfe an. Günthers Lebensmotto lautet: "51 Prozent aller Probleme lösen sich von selbst und ich habe nur 49 Prozent."
In seinen weißen Turnschuhen, die jetzt Sneakers heißen, läuft Günther die fünf Treppen zu seiner Wohnung gern zu fuß. Einen Treppenlift lehnt er vehement ab. Sein Sohn Kai - mit erstauntem blauem Augenaufschlag überzeugend naiv dargestellt von Claus Thull-Emden - kommt völlig erschöpft oben an, er ist körperlich und mental am Ende, denn er muss bekennen, dass er Mist gebaut hat. Er hat die Familienimmobilie in der Prinzregentenstraße verspekuliert, deren Anteile Günthers Rente darstellen. Kai hat eine Lösung parat: Er hat Pflegestufe 4 für Günther beantragt. Der Widerstand des Seniors gegen die angeblich von Doktor Stadler attestierte Taubheit, Bewegungsunfähigkeit, Sehschwäche und Gedächtnisverlust ist zwecklos, denn die Prüferin von der Krankenkasse steht bereits vor der Tür.
Simone Pfennig stellt als resolute Sylvia (Sülwia) Weber mit thüringischem Zungenschlag klar, dass Sozial- und Versicherungsbetrug mit Gefängnis bestraft wird. Aber sie ist von Günthers Pflegebedürftigkeit sehr beeindruckt, obwohl Nachbar Max - dargestellt von Florian Odendahl - immer wieder Einlass begehrt, um Günther zum Joggen abzuholen. Da Frau Weber Soforthilfe nötig erscheint, zieht sie direkt bei Günther ein, um ihn als ausgebildete Pflegekraft zu umsorgen.
Günthers Possenspiel erzeugte unzählige skurrile und aberwitzige Szenen. Jochen Busse wäre nicht er selbst ohne Interaktionen mit den Zuschauern und kabarettistische Einlagen, die allein schon den Theaterbesuch wert sind. Hinzu kommen Situationskomik und pfiffige Dialoge. Das Stück in der Inszenierung von Urs Schleiff hat ein für alle überraschendes Ende.
Minutenlange Standing Ovations belohnten das Ensemble, und René Heinersdorff bedauerte angesichts des Erfolgs, dass laut Vertrag pro Saison nur ein Stück von ihm sein darf, während er voller Freude Rosen an die Schauspieler verteilte.
Weitere Aufführungen im Schlosstheater Neuwied finden bis 29. September statt. Karten und Informationen gibt es unter www.schlosstheater.de. htv
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