Werbung

Nachricht vom 22.12.2024    

Buchtipp: "Margarete Steiff - die Biografie" von Gabriele Katz

Von Helmi Tischler-Venter

"Für Kinder ist nur das Beste gut genug", schrieb Margarete Steiff unter die 256 Artikel umfassende Liste ihrer "Spieltiere" als Firmen-Motto im Steiff-Katalog von 1892. Bis sie diese Einstellung weltweit verbreiten konnte, hatte die schwäbische Unternehmerin 45 Lebensjahre mit Arbeit, Anstrengung und Frömmigkeit hinter sich.

Buchtitel. Foto: Wolfgang Tischler

Dierdorf/Karlsruhe. Der Erfolg wurde dem Kind, das mit eineinhalb Jahren an der damals unheilbaren Kinderlähmung erkrankte und fortan ein "Krüppelchen" war, wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Das vitale, mutige Mädchen lehnte sich gegen die Außenseiterrolle auf. Es war in Giengen von Menschen umgeben, die für ihren Lebensunterhalt körperliche Arbeit leisten mussten und diese im strengen lutherisch-protestantischen Sinne klaglos taten, denn Selbstbeherrschung war alles, auch für Margarete Steiff, die weder laufen noch den rechten Arm nutzen konnte.

Gabriele Katz untersucht die sozialpolitischen Rahmenbedingungen im Kaiserreich, in dem sich die kreative, behinderte Margarete mit unglaublicher Energie gegen eine Männerwelt behauptete. Zum Glück hatte sie männliche Vorbilder, Ratgeber und Kreditgeber. Die Industrialisierung Württembergs kam ihren Bestrebungen zugute.

Obwohl Margarete ständig auf Hilfe angewiesen war, besaß sie einen enormen Erlebnishunger und Abenteuerlust, infolge deren sie als kleines Kind zweimal ins Wasser fiel. Trotzdem blieb sie völlig angstfrei. Ihren Aufenthalt in der Kinderheilanstalt in Ludwigsburg empfand sie als ein Highlight. Sie wurde zwar nicht geheilt, aber sie genoss zum ersten Mal kindliche Freiheiten und Spiele, was für sie neu war.

Ab 1859 besuchte Margarete die "Nähschule" für verschiedene Handarbeitstechniken. Die Mädchen "durften" sich die meiste Zeit mit Dingen beschäftigen, die Geld brachten. Mit ihrem jüngeren Bruder lernte sie aus Büchern Dinge, die eigentlich nur die Buben lernen durften.

Nachdem sie die Hoffnung auf Heilung aufgegeben hatte, arbeitete Margarete an ihren Stärken. Sie band Menschen an sich, mit fantasievollen Erzählungen, Zitherspiel, Singen und Spiele erfinden. Nach 13 Jahren mühsamer Arbeit mit der linken Hand als Lohnnäherin, ermöglichte ihr der Vater den Einstieg in die Selbständigkeit, denn sie musste für ihren eigenen Unterhalt sorgen.



Margarete nahm die in Giengen hergestellten Filzstoffe als Grundlage für warme, strapazierfähige Kleidung, die sie auf einer neumodischen Nähmaschine nach Kundenwünschen anfertigte. Sie entdeckte ihre Vorliebe für Kinderkleidung und Dekorationsartikel. Der Wunsch, effizienter zu arbeiten und die Ausweitung der Produktpalette, zeigen Margaretes Arbeitsphilosophie. Sie wollte auch einen größeren Markt erschließen, daher investierte der Vater in den Umbau seines Hauses und richtete eine Werkstatt für Margarete ein. Diese nähte auf eigene Kosten eine Kollektion und war mit dreißig Jahren nun Kleinunternehmerin. Mit einem eigenen Wirtschaftsgeflecht erzielte sie wirtschaftlichen Erfolg, dadurch konnte sie sich eine Rollstuhlrampe bauen lassen und eine Magd einstellen.

Die selbstbewusste und innovative Margarete Steiff ließ einen kleinen Katalog drucken und inserierte in Zeitungen. Sie stellte Näherinnen an. Mit einem "Elefäntle" begann die Produktion von strapazierfähigen, weichen und warmen Spieltieren. Margaretes Neffe Richard Steiff fertigte später den weltberühmten "Teddybären". Die Steifftiere sind aus der Kinderperspektive gefertigt. Die "erste Filz-Spielwarenfabrik Deutschlands" expandierte und wurde durch zwei hypermoderne Glasbauten erweitert.

Da Margarete ein ausgeprägter Familienmensch war, beschäftigte sie ihre Neffen mit Leitungsfunktionen in ihrer stetig wachsenden Fabrik, während sie dafür sorgte, dass die Nichten in hausfraulichen Tätigkeiten gründlich ausgebildet wurden. Ihr selbst blieb die übliche Frauenrolle als Ehefrau und Mutter verwehrt. Als sie 1909 starb, hatte die Tante und Unternehmerin Margarete Steiff den Fortbestand ihres Steifftier-Werkes testamentarisch gesichert.

Das 250-seitige Taschenbuch mit etlichen historischen Fotografien ist erschienen im Lauinger Verlag, ISBN 9783765089022. htv



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Neuwied mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Mehr dazu:   Buchtipps  
Lokales: Dierdorf & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion


Anmeldung zum NR-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Neuwied.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Nicole nörgelt … über Tranchiermesser in den Weihnachtsgästen statt der Weihnachtsgans

GLOSSE! Leute, die einen das ganze runde Jahr mit der berühmten Kehrseite nicht angucken, wünschen einem mit feuchten Augen ...

Unbekannte entwenden Gartengeräte aus Garage in Großmaischeid

Großmaischeid. Wie die Polizeidirektion Neuwied/Rhein berichtet, ereignete sich das Diebstahlsdelikt zwischen 22.30 Uhr am ...

Mahnwache in Neuwied zum Tag der Menschenrechte

Neuwied. Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" ist zwar nicht rechtlich bindend, bietet jedoch eine Grundlage für ...

Förderverein Brückrachdorf spendet

Dierdorf. Möglich wird der Urlaub nur mithilfe von Spenden. Als der Vorstand des Fördervereins Brückrachdorf das hörte, stand ...

Kindertreff Block öffnet im Januar seine Türen

Neuwied. Ab dem 14. Januar gibt es im Bürgerhaus Block (im Erdgeschoss der Seniorenbegegnungsstätte), Mittelweg 10, immer ...

Mutige Mitarbeiterin verhindert Ladendiebstahl im CAP-Markt St. Katharinen

Sankt Katharinen. Am Freitagmorgen (20. Dezember) betrat ein bislang nicht identifizierter Mann mit einer schwarzen Reisetasche ...

Weitere Artikel


Totalschaden bei Verkehrsunfall in Dierdorf: 85-Jähriger missachtet Vorfahrt

Dierdorf. Wie die Polizeidirektion Neuwied/Rhein berichtet, ereignete sich der Unfall am Freitag (20. Dezember) gegen 11.45 ...

Sanierung Kunstrasenplatz in Roßbach dringend nötig

Roßbach. Beim Austausch mit den Verantwortlichen des SV Roßbach/Verscheid über das weitere Vorgehen wurden auch Fragen förderfähiger ...

BSW: Nalan Özcan kandidiert im Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen



Neuwied. Die 32-jährige Fahrdienstleiterin aus Roth will im Bundestag einen Politikwechsel: "Unsere Straßen, Brücken, ...

Verkehrsunfall bei Freirachdorf: Alkoholisierte Fahrerin hatte keinen Führerschein

Freirachdorf. Die Unfallverursacherin befuhr die K3 von Marienhausen kommend in Richtung Freirachdorf, als sie in einer Rechtskurve ...

Fahndungserfolg in Montabaur: Polizei nimmt Fahrzeugdieb auf Autobahn fest

Montabaur. In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember stoppten die Beamten der Polizeiautobahnstation Montabaur ein Wohnmobil ...

Knuspermarkt: Gedenkminute für die Opfer der Amokfahrt

Neuwied. In einer Schweigeminute trauerten die Besucher und setzten ein Zeichen - gegen Hass und Gewalt und für die Solidarität ...

Werbung