Buchtipp: "17 Jahre Demenz - So long, liebe Mama" von Christine Piontek
Von Helmi Tischler-Venter
Da die Menschen immer älter werden, nimmt auch die Anzahl derer mit Demenz zu. Die Krankheit beeinträchtigt nicht nur die Betroffenen, sondern sehr stark auch die Angehörigen, die unendlich viel Liebe und Geduld aufbringen müssen. Christine Piontek realisiert mit dem Buch, in dem sie anrührend ihre persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung ihrer Mutter beschreibt, ein Herzensprojekt.
Windhagen/Dierdorf. Piontek widmet ihr Buch ihrer "tapferen Familie und allen, die im gleichen Boot sitzen." In diesem Boot sitzen viele Mitmenschen, die ähnliche Erfahrungen machen müssen. Zwar verläuft die Krankheit individuell unterschiedlich, aber alle Patienten machen schleichend Wesensveränderungen durch. "Demenz löscht das Gedächtnis aus." Das ist für die Familie, die sich sehr gut an die "gesunde" Person erinnert, schwer zu ertragen. Es gibt lichte und liebevolle Momente, aber keine Heilung. Das schmerzt die Tochter, weil der emotionale Abstand fehlt.
Verwunderung, Ratlosigkeit und Entsetzen sind ebenso unvermeidbar wie Momente des Glücks und der Hoffnung. Das zeigen Episoden wie der Ausflug der Familie nach Rom. Hilfreich ist, wenn man Mitmenschen um sich hat, die die Veränderungen ebenso beobachten und den Kampf gegen die Krankheit mitführen. Als empathische Tochter befindet man sich ständig in einer Zwickmühle.
Ein Hobby, zum Beispiel singen, kann Freude bereiten und das Gehirn wachhalten. Dagegen kann ein Unfall ein besonders hartnäckiges Trauma auslösen. Soziale Kontakte sind wichtig für Menschen mit Demenz, auch wenn Unterhaltungen oft zum Fremdschämen führen. Das muss man ebenso aushalten wie der körperliche Verfall, der zu dem mentalen Abbau unweigerlich hinzukommt. Um Informationen von Ärzten zu erhalten, braucht man eine Vollmacht, die man noch in guten Zeiten rechtzeitig und prophylaktisch ausfüllen sollte.
"Vorbereitet zu sein auf den nächsten Schritt, ist eine der wichtigsten Lektionen, die mich die Erkrankung meiner Mutter gelehrt hat", stellt die Autorin fest. Sei es der Umzug in eine seniorengerechte kleinere Wohnung, Koordinationstraining wie Physio- und Ergotherapie oder das Einplanen von Auszeiten für die Betreuungsperson, denn "Angehörige mit Demenz zu betreuen, ist eine große Herausforderung." Man kämpft sich ab, wird dünnhäutig und leidet und ist schließlich am Ende seiner Kraft.
Eine Tagespflege für Demenzkranke und eine Reha für pflegende Angehörige sind Hilfsangebote, die man rechtzeitig annehmen sollte, damit man stark und geduldig bleibt. Ein professioneller Pflegedienst und ein Zimmer auf der Pflegestation sind Lösungen für die Endphase der Demenzkrankheit, weil Angehörige allein damit überfordert sind. Piontek probierte auch mit Erfolg die Alexander-Technik aus.
Auch wenn die Mutter ganz teilnahmslos wirkte, konnte die Familie durch Emotionen kommunizieren, denn Liebe, Berührungen, Stimmen und Musik drangen immer noch durch. Die Autorin stellt ein Zitat ihrer Schwester, die Ergotherapeutin ist, wie einen Leitsatz voran: "Demenzkranke mögen vergessen, wer du bist. Sie haben aber ganz feine Antennen und könnten dich womöglich an dem Gefühl erkennen, das du ihnen vermittelst."
Das Hard-Cover-Buch ist erschienen bei story one publishing, ISBN 978-3-7115-7670-5. htv
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