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Nachricht vom 02.08.2012    

Im Leuphana-Sommercamp macht das Lernen auch in den Ferien Spaß

In Kyllburg bereiteten sich 26 Mädchen und Jungen aus dem Kreis Neuwied auf ihren Schulabschluss vor

Kreis Neuwied. Egal, wie Jugendliche den Sommer verbringen: Mathe-, Deutsch- und Englischbücher gehören in den seltensten Fälle und höchstens unter Zwang zum Ferien-Freizeit-Programm. Ganz anders sieht das in der Leuphana-Sommerakademie aus. 26 Mädchen und Jungen aus dem Landkreis Neuwied büffelten hier drei Wochen lang von morgens bis abends - und hatten richtig viel Spaß dabei. Ihr Ziel: Im nächsten Sommer wollen sie den Schulabschluss schaffen.

Nach drei Wochen auf dem Stiftsberg in Kyllburg waren die Jugendlichen des Leuphana-Camps und ihre Betreuer eine eingeschworene Gemeinschaft.

Der Stundenplan ist straff. Um acht gibt´s Frühstück, um neun beginnt der Unterricht: Deutsch, Mathe, Auftreten und ein PC-Kurs stehen auf dem Stundenplan. Gelernt wird in vier Gruppen, die aus sechs oder sieben Jugendlichen und zwei Betreuern bestehen. Vor dem Mittagessen wird eine halbe Stunde gelesen, anschließend geht es mit Coaching, Englisch oder Sport weiter, bevor die Mädchen und Jungen sich für knapp zwei Stunden in ihre Projektgruppen verabschieden, wo sie singen, tanzen oder Sitztrommeln, so genannte Cajons, bauen.

Denn am Ende dieser „Freizeit“ soll die Gruppe ein Musical aufführen – und zwar vor Familien und Freunden, was die Lampenfieber-Kurve bei den meisten tagtäglich ansteigen lässt. Nach dem Abendessen tagt das Schülerparlament und anschließend startet das Abendprogramm mit Angeboten wie Zumba, Basketball und gemeinsamen Spielen. Viel Zeit für Langeweile oder eigene Unternehmungen bleibt da nicht. Deshalb ist es auch nicht tragisch, dass das Eifelstädtchen Kyllburg, in dessen Bildungszentrum das Neuwieder Leuphana-Camp in diesem Sommer Unterschlupf gefunden hat, sich zwar malerisch vom bewaldeten Tal in luftige Höhen schraubt, ansonsten aber wenig für die 14- bis 16-jährigen Sommergäste zu bieten hat.

Das, schmunzelt Sommerakademie-Erfinder Kurt Czerwenka, ist durchaus gewollt. Denn die Jugendlichen, die hier mitmachen, sollen sich völlig auf die Lernfächer und auf die praktische Lebenshilfe konzentrieren können, die ihnen geboten wird. So vermitteln Coaching und Auftreten wichtige Kenntnisse zu Höflichkeit, Zuverlässigkeit und gutem Benehmen, bereiten aber auch konkret auf die bald anstehenden Vorstellungsgespräche vor.

Auch für die persönlichen Nöte der jungen Leute bleibt Raum. Denn häufig sind es gar nicht die schulischen Fähigkeiten, die einen Abschluss gefährden, weiß der Pädagoge, Psychotherapeut, Universitätsprofessor und ehemalige Hauptschullehrer Czerwenka: „Gerade wenn gute Leistungen in der Schule besonders wichtig wären, gibt es so viele andere Dinge, die das Leben eines jungen Menschen durcheinander wirbeln und manchmal sogar aus der Bahn werfen können. Wer die Noten verbessern will, muss deshalb oft an einer ganz anderen Stellen ansetzen.“

Und er muss nachhaltig arbeiten. Deshalb gehört neben dem dreiwöchigen Camp eine einjährige Nachbetreuung zum Konzept, die verhindern soll, dass die Wirkung des Erlebten nach wenigen Wochen Alltag wieder verpufft. Ein Konzept, dass bereits mehrfach auf seine Tauglichkeit geprüft wurde. Die Erfolgsquote der bisherigen acht in Deutschland durchgeführten Camps lag immerhin bei 90 bis 100 Prozent.

Auch von den 30 Jugendlichen aus dem Landkreis Neuwied, die im vergangenen Jahr an der Sommerakademie teilnahmen, schafften bis auf einen alle ihren Schulabschluss. Allerdings hat dieser Erfolg seinen Preis: Rund 140.000 Euro kostet die Sommerakademie mit Sommercamp und nachhaltiger Betreuung. Geld, dass von Sponsoren aufgetrieben werden muss, denn für die Jugendlichen und ihre Familien ist die Teilnahme kostenlos.



Im Landkreis Neuwied kommt die Agentur für Arbeit für die eine Hälfte der Kosten auf. Unterm Strich, so Agenturleiter Karl-Ernst Starfeld, ist diese Art der Vorbeugung nämlich wesentlich preiswerter als die Reparatur eines gescheiterten Berufseinstiegs. Die andere Hälfte des Geldes kommt aus dem genossenschaftlichen Bankensektor, zu dem neben der WGZ Bank Stiftung auch die VR-Bank Neuwied-Linz, die Raiffeisenbank Neustadt und die Westerwald Bank gehören.

„Für uns ist es wichtig, in der Region gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Stiftungssprecher Christian Hälker. „Und wie könnten wir das besser tun als durch eine so sinnvolle Investition in den Nachwuchs?“

Fans der Sommerakademie gibt es mittlerweile aber auch unter den Arbeitgebern im Landkreis. Schließlich sind Berufswahl und die Vorbereitung aufs Bewerbungs- und Vorstellungsverfahren ganz entscheidende Themen des Camps. Die Bewerbungsgespräche mit „echten“ Arbeitgebern, die dafür immerhin die weite Fahrt bis in die südliche Eifel auf sich genommen haben, gehören für die Jugendlichen eindeutig zu den Höhepunkten ihres Aufenthaltes und sorgen bei der einen oder dem anderen für mehr Lampenfieber als die bevorstehende Musical-Aufführung.

Doch wie immer verbergen sich hinter den größten Herausforderungen auch die schönsten Erfolge. Denn die Rückmeldung der Arbeitgeber kommt prompt und fällt durchweg gut aus. Manche der Jugendlichen sind so überzeugend, dass sie auf der Stelle eine Praktikumszusage bekommen.

Schließlich sind aber auch drei Wochen irgendwann zu Ende – was im Kyllburger Leuphana-Camp nicht ohne Tränen von statten geht. Zuerst sind es Mütter, Väter, Omas und Opas, die während der Tanz- und Gesangsdarbietungen ihrer Sprösslinge immer wieder verstohlen zum Taschentuch greifen. Und dann übermannt auch die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Abschiedsschmerz. Denn im Sommercamp sind sie zu einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden. „Ich wollte unbedingt mitmachen, nachdem ich von der Sommerakademie gehört hatte“, erinnert sich der 14-jährige Jan. „Aber hier war es noch viel besser als ich erwartet hatte.“ Ob fürs Leben oder für die Schule: Lernen kann eben auch richtig schön sein.


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