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Nachricht vom 20.01.2013    

„Unsere Botschaft kann eine große Orientierung sein“

Interview mit Pfarrer Wolfgang Eickhoff, dem neuen Superintendenten der evangelischen Kirchen im Kreis Neuwied

Region. Am heutigen Sonntag, 20. Januar, wird der neue Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Wied – das ist fast der gesamt Kreis Neuwied – in sein Amt eingeführt. Der NR-Kurier sprach mit dem Raubacher Pfarrer Wolfgang Eickhoff über Kirche und Christentum im 21. Jahrhundert, über seine persönlichen Ziele als Superintendent und über das Schöne und das Schwere am Beruf des Pfarrers.

Pfarrer Wolfgang Eickhoff, hier im Altarraum seiner evangelischen Kirche in Raubach, ist der neue Superintendent für den Kirchenkreis Wied. Fotos: Holger Kern

Wolfgang Eickhoff wurde am 21. September 1960 in Dudweiler bei Saarbrücken geboren. Er ist heute 52 Jahre alt. Sein Vater war Schlossermeister. Nach der Grundschule und dem Abitur besuchte er als Theologiestudent die Universitäten Saarbrücken, Bonn und Heidelberg. 1987 trat er seine erste Stelle als Vikar in Elversberg im Saarland an. 1989 kam Eickhoff für den Probedienst nach Neuwied in die Marktkirche und unterstützte dort den damaligen Pfarrer und Superintendenten Henning Popp bei seiner Arbeit. Ein Jahr später, am 1. Oktober 1990, ging Eickhoff als Vertretungspfarrer für Wilhelm Unterberg nach Raubach, wo Eickhoff bis heute als Pfarrer wirkt. 1987 heiratete er, 1988 und 1990 kamen die beiden Söhne zur Welt, einer studiert Germanistik und Anglistik, der andere macht das Fachabitur in EDV und Netzwerktechnik. Anfangs wohnte die junge Familie Eickhoff im Pfarrhaus von Raubach, baute dann aber ein eigenes Haus im Neubaugebiet des Ortes.

Herr Eickhoff, was sind die Aufgaben eines Superintendenten?

Es ist das Leitungsamt der Kirche auf der mittleren Ebene, zwischen der Kirchengemeinde und der Landeskirche. Der Zuständigkeitsbereich des Superintendenten umfasst den Kirchenkreis, der in meinem Fall fast identisch ist mit dem Kreis Neuwied. Ausgenommen sind nur die Verbandsgemeinde Asbach und die Gemeinden Vettelschoß und St. Katharinen. Als Superintendent bin ich Vorsitzender der Kreissynode, das ist so etwas wie das Kirchenparlament, in das die Kirchengemeinden des Kreises ihre Delegierten entsenden und wo die Beschlüsse gefasst werden. Außerdem leite ich die Pfarrkonvente, das sind monatlich stattfindende Dienstbesprechungen der Pfarrerinnen und Pfarrer im Kirchenkreis. Darüber hinaus repräsentiert der Superintendent den Kirchenkreis in der Öffentlichkeit. Weitere Aufgaben sind auf der Verwaltungsebene die Aufsicht über die kirchlichen Einrichtungen im Kirchenkreis, zum Beispiel das Diakonische Werk, sowie die Dienstaufsicht über die Pfarrerinnen und Pfarrer. Der Superintendent ist auch zuständig für die Ordination, also die Beauftragung zur Wortverkündigung, und für die Einführung von Pfarrerinnen und Pfarrern, für die Leitung der Pfarrwahl und für die Begleitung, Seelsorge und Beratung von Pfarrerinnen und Pfarrern. Das geht nicht immer ohne Spannungen. Denn wenn ein Superintendent für die Dienstaufsicht zuständig ist, ist die Frage, inwieweit er gleichzeitig Seelsorger für die Pfarrer sein kann. Inwieweit mir das gelingt, wird man sehen.

Eickhof bleibt Pfarrer in Raubach. Die von ihm zuletzt mitbetreute Kirchengemeinde Dierdorf wird ab sofort von Pfarrer Philip Horn unterstützt. Auch in Raubach soll Horn den neuen Superintendenten entlasten, im Rahmen von 75 Prozent einer vollen Stelle. Horn, der in Oberbieber wohnt, hat bisher in Niederbieber Aufgaben für die bisherige Superintendentin Marion Obitz übernommen, die nach 17 Jahren nicht wieder für das Amt kandidierte. Zuletzt war Eickhoff schon Stellvertreter der Superintendentin. Der einzige Gegenkandidat bei der Wahl war Pfarrer Werner Zupp aus Neuwied. Für Eickhoff stimmten 61 von 81 Delegierten der Kreissynode. Die Amtszeit dauert acht Jahre.

Herr Eickhoff, was sind Ihre persönlichen Ziele als neuer Superintendent des Kirchenkreises Wied?

Mir ist es ein Anliegen, dass sich der Kirchenkreis nicht nur als Organisationsstruktur versteht, sondern dass die Gemeinden das Bewusstsein haben: Wir sind eine Gemeinschaft von Kirchengemeinden und in unserer Unterschiedlichkeit brauchen wir einander als Ergänzung und bei dem, was wir als Kirchenkreis miteinander organisieren. Pfarrstellenplanung ist aufgrund zurückgehender Kirchensteuermittel und zurückgehender Gemeindegliederzahlen ein Thema. Jetzt kommt neu dazu, dass über den Kirchenkreis die Personalplanung mit den Gemeinden beginnt, weil vermieden werden soll, dass aus Spargründen Stellen in den Gemeinden so zurückgeschraubt werden, dass sie für die Ausführenden nicht mehr interessant sind und die Qualität der Kirchenarbeit darunter leidet. Das betrifft Kirchenmusiker, Jugendleiter, Bürokräfte und viele andere Tätigkeiten. Ich will, dass Kirchengemeinden sich in Zukunft übergemeindlich abstimmen mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung. Das sind keine einfachen Prozesse, weil sie neu sind und die Kirchengemeinden mit ihren Presbyterien ziemlich selbstständig arbeiten können. Diese Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg anzuleiten und zu fördern, das ist für mich ein persönliches Ziel und das möchte ich mit dem Team des Kreissynodalvorstandes umsetzen.



Wie beurteilen Sie den Stand der Kirche und des christlichen Glaubens in der heutigen Gesellschaft?

Die Bedingungen werden schwieriger. Protestanten und Katholiken haben in Deutschland inzwischen unter 60 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung. 1950 waren wir noch bei 97 Prozent. Die Kirche und der christliche Glaube haben bei vielen Menschen nicht mehr die Bedeutung, die sie einmal hatten. Es ist deutlich zu spüren, dass auch ein Traditionsabbruch erfolgt ist. Das wird vermutlich noch weitergehen. Wir von der evangelischen Kirche arbeiten daran, das Thema Glaube wieder sprachfähig zu machen. Für viele jüngere Menschen ist Kirche mit Begriffen verbunden wie altmodisch und das passt nicht zu mir. Viele denken – das ist teilweise eine berechtigte Kritik aus früheren Zeiten – Kirche hat etwas mit Bevormundung zu tun: Die wollen mir sagen, wie ich leben soll. Das passt nicht mehr zum heutigen freiheitlichen Lebensstil. Dagegen setze ich, dass die Botschaft von der Liebe Gottes, mit der wir unterwegs sind, eine Hilfe zum Leben ist, dass sich Menschen als Geschöpfe Gottes begreifen können, die nicht perfekt sind, aber trotzdem angenommen, die vergänglich sind, aber in dieser Sterblichkeit trotzdem nicht verloren, sondern in Gott aufgehoben. Ich denke, dass ist eine wichtige Botschaft für Orientierung und die ist es auch heute wert unter die Menschen gebracht zu werden.

Wird die Kirche heute noch gebraucht?

Ich denke, dass bei der Fülle von Möglichkeiten der Menschen sich zu verwirklichen, es eine große Aufgabe ist, den eigenen Weg zu finden. Wo will ich mit meinem Leben eigentlich hin? Was ist für mich der Ansporn? Will ich beruflichen Erfolg und stelle Familienglück dafür zurück? Das große Gebiet der Freizeitgestaltung – in all dem können sich Menschen verlieren. Viele Arbeitsprozesse bergen das Risiko, dass Menschen scheitern und sich wertlos fühlen. Kirche hat da eine Rolle auf diejenigen zu achten, die an den Rand gedrängt werden. Unsere Botschaft kann eine große Orientierung sein.

Was ist Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit als Kirchenmann das wichtigste Anliegen?

Dass die Themen Glaube und Gottvertrauen nichts Aufgesetztes sind und nicht nur etwas für besondere Menschen. Sondern ins alltägliche Leben passen und dahin auch gehören. Weil sie Orientierung und die Möglichkeit schenken, im Leben eine Richtung und Halt zu finden. Dass jeder seinen Halt hat in dieser schnelllebigen Gesellschaft. Wo ich Menschen begegne, ist mein Anspruch, dass der andere merkt, dass er oder sie - so wie er ist - geachtet und etwas wert ist.

Was macht Ihnen als Pfarrer am meisten Spaß?

Mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammenzukommen. Und dass es ein Beruf ist, der ein ganz großes Spektrum hat, von sehr schönen bis zu sehr schweren Ereignissen. Menschen zu begleiten von der Geburt, über den Konfirmandenunterricht bis zur Hochzeit. Und ihnen beiseite zu stehen in schweren Zeiten, bei Krankheit oder wenn jemand zu beerdigen ist. In dieser Vielfalt meines Berufes sehe ich eine große Freiheit.

Was ist das Schwere daran, Pfarrer zu sein?

Wenn sich Terminfülle einstellt und Arbeitsverdichtung. Dann ist es schwer, mehrere sehr unterschiedliche Dinge im Kopf und im Herzen zu haben und die Aufgaben mit kurzen Umstellungsphasen möglichst gut hinzukriegen. Es kann zum Beispiel passieren, dass um 14 Uhr noch eine Beerdigung ist und um 15 Uhr beginnt der Konfirmandenunterricht. Bei solchen Abläufen emotional umzuschalten, das ist schwierig. Mann kann es lernen, damit umzugehen. Aber es ist wichtig, dass man sich professionell begleiten lässt, beispielsweise durch Supervision. Das hilft, das eigene Beziehungsgeflecht zu reflektieren und gesund zu bleiben.

Das Gespräch mit Pfarrer Eickhoff führte Holger Kern am Samstag, 19. Januar, im Pfarrhaus in Raubach.



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