Kita-Frauen kritisieren Ministerin
Wann hat man schon mal Gelegenheit, mit einer echten Ministerin zu diskutieren? Die Landtagsabgeordnete Elisabeth Bröskamp (Bündnis 90/Grüne) hat es in Urbach ermöglicht. Hier sprachen 25 Erzieherinnen und Mütter und einige wenige Männer mit Irene Alt, in Mainz zuständig unter anderem für die Finanzierung der Kindergärten und –krippen in Rheinland-Pfalz. Die Ministerin musste sich massive Kritik von den Anwesenden anhören.
Personalprobleme mit den Teilzeitkräften wurden der Ministerin vorgetragen. Wenn dann noch Vollzeitmitarbeiter krank würden, beschrieb es eine Erzieherin, „dann geht das restliche Personal auf dem Zahnfleisch!“.
Irene Alt machte Vorschläge. Man könne die Teilzeitkräfte auf den Vor- und den Nachmittag verteilen. 2 x 19,5 Stunden, so Alt, seien nach ihrer Rechnung immer noch eine Vollzeitstelle.
Eine Kita-Leiterin widersprach. Das sei nicht zu organisieren. Die Frau machte einen Gegenvorschlag: eine halbe Stelle auf 24 Wochenstunden aufzustocken. Die Ministerin – unter anderem für Familie, Kinder und Jugendliche – fand einige Vorschläge gut und machte sich Notizen. Sie warnte jedoch: „Sie müssen mit ihrem Träger der Einrichtung vor Ort aushandeln, ob er das mitmacht!“
Ein männlicher Erzieher nannte Gründe für die vielen Teilzeitstellen im Bereich der Kinderbetreuung: die schlechte Bezahlung. Mit dem Gehalt einer Vollzeitstelle könne niemand seine Familie ernähren. Den Betreuungsschlüssel von zwei Vollzeitkräften für zehn Krippenkinder nannte der Mann „völlig unzureichend“ und bekam Applaus der Anwesenden dafür. Wenn’s gut geht, reichten drei Betreuer für zehn Kleinkinder gerade mal. Darauf ging die Ministerin nicht ein. Sie konterte: „Der Betreuungsschlüssel ist ganz klar festgelegt. Mehr Personal ist nicht finanzierbar!“
Mit der Bemerkung zog sich Irene Alt erneut den Unmut der Anwesenden zu, die protestierten: „Wir wollten doch über Qualität sprechen, und nicht über Geld!“
Dennoch drehte sich die Diskussion, an der sich auch Elisabeth Bröskamp beteiligte, die meiste Zeit ums Geld. Bröskamp rief dazu auf, ihre Fraktion in den gerade beginnenden Haushaltsberatungen für die Jahre 2014/2015 zu unterstützen: „Wir müssen das für Erziehung benötigte Geld woanders wegholen!“
Fragt sich, ob bei den Frauen und Männern an der Basis dafür noch die Kraft vorhanden ist. Eine Erzieherin beschrieb die Lage so: „Wir führen diese Diskussionen seit 30 Jahren – und es verändert sich nichts. Unser Fehler ist, dass wir dieses Spiel immer noch mitmachen. Die Eltern bekommen das im Detail gar nicht mit, was hier passiert. Aber manchmal grenzt es schon an Kindeswohlgefährdung!“ Das Statement wurde wiederum mit kräftigem Applaus kommentiert. Die Ministerin resignierend: „Ich habe hier heute Abend den Schwarzen Peter, ich merke das schon!“
Zur Finanzierung einer besseren Personalausstattung von Kindertagesstätten wurde von Seiten der Erzieherinnen sogar der Vorschlag gemacht, die Eltern wieder zur Kasse zu bitten. Hierbei geht es aber ans Eingemachte, den die Mainzer Landespolitikerin Alt sagte: „Die Beitragsfreiheit der Kinderbetreuung ist ein hochpolitisches Thema. Ich weiß, dass hierüber kontrovers diskutiert wird. Für uns Grüne war das ein wichtiges Thema.“
Noch für einige Zeit saßen die Erzieherinnen mit der Ministerin zusammen. Noch andere Finanzthemen wurden angesprochen, so die Belastungen von Eltern für die Bezahlung der Schulbusse und die teueren und immer wieder wechselnden Schulbücher. Lösungen hatte niemand zur Hand. Holger Kern
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