Tom Moog - „Ordnung. Kontrast. Reduktion.“
Tom Moog mag es gern schlicht und elegant, deshalb trifft man den Kreativarbeiter stets schwarz gekleidet an. Der charmante Herr hört konzentriert und freundlich zu. Er formuliert treffend und eindeutig, er überredet nicht, er überzeugt mit Argumenten.
Nauort. Tom Moog sagt von sich, dass er durch seine Arbeit bei der legendären Werbeagentur GGK Düsseldorf geprägt worden sei. Drei Jahrzehnte lang war er anschließend als geschäftsführender Gesellschafter von Moog Moog und Morgenstern für die Kundenberatung, strategische Marken-Entwicklung und Kreation zuständig. Nun ist er als freier Werbeberater weitgehend in Personalunion an großen Projekten tätig. Aufhören will er auch nach Erreichen des Pensionsalters nicht, denn die kreative Gestaltung und der damit verbundene Erfolg machen ihm noch viel Freude.
Moog ist ein philosophischer Geist, der seine Berufs- und Lebenserfahrung gern weitergibt. Er machte sich viele Gedanken darüber, ob es nicht Regeln oder Qualitätskriterien gibt, die für jede Art von Gestaltung gelten, für bildnerische Arbeiten ebenso wie für musikalische, für Designer, Balletttänzer, Friseure und Schriftsteller. Moog hat ein System erarbeitet, das allgemeine Gültigkeit beansprucht: „Ordnung. Kontrast. Reduktion.“ Genau so lautet auch der Titel seines Buches, in dem er die Quintessenz seiner Forschung und Erfahrung publiziert.
Der Autor bezeichnet die drei Faktoren als „Siebe“, mit deren Hilfe jede Arbeit geprüft werden kann. Das erste und grobmaschigste Sieb ist die Ordnung. Ordnung meint eine Strukturierung der Zeichen, die lebensnotwendig ist zum Begreifen. Mit zahlreichen Beispielen aus Alltag und Kunst wird das belegt: Vom historischen Setzkasten über die Konstruktivisten des Bauhauses und DIN-Normen bis zu Bus- und U-Bahn-Plänen unterliegt alles einer Ordnung. Wer als bildender Künstler tätig ist. kennt den „Goldenen Schnitt“ als mathematisches Gestaltungsraster. Die Mathematik spielt eine dominante Rolle bei dem geordneten Verhältnis der Einzelelemente untereinander. Unser Alltag besteht aus Rastersystemen, an die wir uns gewöhnt haben. Deshalb statuiert Moog: „Gute Gestaltung ohne eine Form von Ordnung ist einfach nicht denkbar… Ordnung ist die Basis jeglicher Gestaltung.“
Das zweite, feinmaschigere Sieb ist der Kontrast. Seine Entdeckung ist für Moog das Spannendste an der Gestaltung. Das optimale Kontrast-Symbol ist das Yin-Yang-Symbol, das alle Gegensätze in sich vereint. Kontraste sind allgegenwärtig, beginnend beim Gegensatz der Geschlechter und - noch nicht - endend beim digitalen oder dualen Zahlensystem. Der Kontrast-Mix macht die Harmonie aus. Der Künstler hat viele Kontrast-Möglichkeiten, Spannung aufzubauen. Der Gestalter, der eingefahrene Geleise verlässt, um den Kontrast zum Normalen zu suchen, findet neue, kreative Wege. In den Bereichen Werbung, Design und Layout lassen sich viele Beispiele dafür aufzeigen. Moog zieht das Resümee, dass der Kontrast die formale Aufgabe hat, die Gestaltung spannender zu machen. „Kontrast visualisiert und verbindet Extreme.“
Das dritte und feinste Sieb steht für die Reduktion. Moog hält dieses Gestaltungselement für das wichtigste. Weil Gestaltung durch Reduktion besser wird. Durch Reduktion wird die Botschaft intensiviert: „Reduktion minimiert. Komprimiert. Und intensiviert. Und macht aus dem Wenigen, das bleibt, ein Maximum. Aus weniger wird mehr.“ Zahlreiche Abbildungen von literarischen, bildnerischen und plastischen Werken belegen diese These. Reduktion heißt „einfach“, meint Moog. Aber jeder Kunstschaffende weiß, dass gerade die Reduktion sehr schwierig ist, vielleicht die schwierigste Aufgabe.
Auch in den Bereichen Typographie, Design und Werbung ist nach Moog die Reduktion wichtig. Schlicht, sparsam und zeitlos und ruhig wird das Produkt durch die Beschränkung auf wenige Farben und Formen. Es wird bei der Lektüre klar, warum der Autor stets schwarze schlichte Kleidung trägt: Weil Schwarz eine unbunte Farbe ist, die Farbe für Macht und Neutralität, die zugleich elegant ist. „Starke Reduktion macht gleichzeitig „zeitlos“. Weil es einfach und schlicht ist. Und somit auch klassisch.“ Sein eigenes Firmenlogo hat Moog natürlich auch nach seinen Kriterien gestaltet: Drei gleich große Balken in dunkler werdenden Grautönen und ein vierter knallroter Balken daneben – Reduktion mit Struktur und Kontrast gepaart.
Ordnung schließt Kontrast nicht aus. Kontrast schließt Reduktion nicht aus. Reduktion schließt Ordnung nicht aus. „Ordnung, Kontrast und Reduktion ergänzen sich prima“. All diese Aussagen werden mit Beispielen belegt. „Die Akte“ von Andreas Rehmann (Hier geht’s zu unserem Bericht), die Sayner Hütte (wir werden am kommenden Wochenende davon berichten), ein HUF-Haus kommen durch das Ausleseverfahren der drei Siebe. Und elf Künstler, die nach Moog „beispielhaft für die hochwertige, künstlerische und konsequente Umsetzung der Kombination Ordnung, Kontrast und Reduktion“ stehen: Otl Aicher, Tadao Ando, Willy Fleckhaus, Andy Goldsworthy, Heijo Hangen, Le Corbusier, Harald Mante, Michelangelo, Dieter Rams, Rembrandt, Michael Schirner.
Tom Moogs Gestaltungsanleitung ist sehr verständlich geschrieben. Ein Fremdwörterbuch ist dazu nicht nötig. Jede Seite ist übersichtlich gestaltet: Die begrenzte Textmenge befindet sich in der Mitte jeder Doppelseite, rechts und links daneben sind Beispielbilder abgedruckt. Die Aussagen sind – selbstredend – übersichtlich und nachvollziehbar strukturiert. Trotzdem kann man das Buch nicht in einem Rutsch verschlingen. Ab und an muss der Leser innehalten und nach-denken, mit eigener Erfahrung abgleichen.
Kunst-Bände gibt es in unüberschaubarer Menge. Jeder, der gestaltend tätig ist, hat mindestens 50 davon im Regal stehen. So auch der Autor Tom Moog. Sein eigenes Werk hebt sich vom Dagewesenen ab. Die vorgestellten Prinzipien sind nicht innovativ, aber in der nun publizierten Kombination neu und überzeugend.
Nachdem man das gut durchdachte Werk verinnerlicht hat, stellt sich die Frage, ob der ungewöhnliche Preis von 34,04 Euro auch den Postulaten nach Struktur, Kontrast und Reduktion geschuldet ist? Kontrast zu den handelsüblichen Cent-Beträgen 99 oder 95. Aber welche Struktur weist der Gesamtbetrag auf? Auch das Buch ist in elegantes Schwarz gehüllt. Es ist im Verlag Ambra unter dem Logo des Springerverlags erschienen. Wer in dem Band schon ein wenig blättern möchte, der kann es hier tun. Helmi Tischler-Venter
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