Rengsdorf debattiert über erneuerbare Energien
Die Schlussveranstaltung der Reihe „Traditionen im Wandel“ , veranstaltet von der Lokalen Agenda 21 der VG Rengsdorf und dem Kulturkreis Rengsdorf e.V., trug am 6. 11. 2013 den Titel „Neue Energien – bezahlbar und naturschonend“.
Rengsdorf. Offenbar sprach dieses Thema viele Menschen in der Raiffeisenregion an. Der Gemeindesaal war gut gefüllt und die Gäste redeten drei Stunden nach Beginn der Veranstaltung, nachdem die Podiumsdiskussion bereits beendet war, in Gruppen noch miteinander. Einen strengen Blick auf die Redezeitvorgaben hielt der Moderator des Abends, Philipp Jung vom Quest-Team. „Sensibilisierung zum Thema Neue Energien“ nannte er als Zielsetzung der Veranstaltung.
Den Einführungsvortrag hielt Hans Weinreuter, Energiereferent der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Sein Referat „Neue Energien braucht das Land - Chancen und Risiken für private Verbraucher“ ging von der Tatsache aus, dass die Hauptenergieträger begrenzt sind. Laut einer Studie wird in den nächsten fünf Jahren der Peak der Förderung konventioneller Energien erreicht. Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel seien immer noch ein großes Problem. Als konkrete Zielvorgaben sollten Treibhausgase bis 2050 um 80 Prozent reduziert sein und erneuerbare Energien bis dahin 60% Anteil stellen.
Ein Viertel des Energieverbrauchs geht zu Lasten der Privathaushalte. Weinreuter rechnete am Beispiel eines Einfamilienhauses vor, dass durch Gebäudesanierung mit sinnvoller Dämmung (Außenwand, Dach und Fußboden Erdgeschoss) der Energieverbrauch halbiert werden kann. Festzustellen sei, dass durch die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben jüngere Häuser eine bessere Energiebilanz besäßen bis hin zum optimalen Passivhaus.
Die Heiztechnik befand und befindet sich in einem permanenten Wandel. Die Rolle des Öls ist deutlich rückläufig. Aber Gas- und Ölheizungen werden uns noch eine Zeitlang begleiten. Thermische Solaranlagen bezeichnete der Referent als sinnvolle Ergänzung, während Wärmepumpen nur sinnvoll seien mit Flächenheizungen und bei gedämmten Gebäuden. Brennstoffzellen seien noch nicht marktreif. Heizungserneuerung plus Solaranlage bringe eine Einsparung von 30 Prozent. Die Dämmung der Gebäudehülle spare bis 80 Prozent des Energieverbrauchs. Jedes Haus brauche einen Modernisierungsfahrplan.
Weinreuter empfahl allumfassende Renovierungs-Maßnahmen: Außenwanddämmung plus Innendämmung, dazu Wärmeschutzverglasung und Solaranlage.
Dr. Ulrich Kleemann, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, erläuterte die Bedeutung der Energiewende für Rheinland-Pfalz und die Rolle der SGD Nord. Auch er sah Einsparpotentiale im Wärmebereich und Verkehrsbereich. Diese sollten durch Maßnahmen wie CO²-Zertifikate und EU-Normen gefördert werden. Die Diskussion über die Ökostromumlage sei der richtige Weg, denn der Klimaschutz werde uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Die Klimaextreme häuften sich, auch wenn die Temperatur nicht so extrem angestiegen sei. In Rheinland-Pfalz werde ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, das dem Klima einen höheren Wert bei Abwägung von Gütern beimisst.
Das Land wolle bis 2030 zu hundert Prozent bilanziell Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Aufgabe der SGD Nord ist z. B. die Genehmigung von Biogasanlagen. Sie beteiligt sich an Stellungnahmen, wobei die Belange des Natur- und Artenschutzes abzuwägen sind.
Patrick Weißenfels, regionaler Standortleiter der SYNA GmbH, einer Tochter der Süwag Energie AG, die für die Energieversorgung in 67 Kommunen zuständig ist, berichtete, dass in der VG Rengsdorf 353 Anlagen für erneuerbare Energien angeschlossen seien.
Diplom-Ingenieur René Leßlich, Klimaschutzmanager der Raiffeisen-Region, forderte einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit Energieressourcen. Für die kommenden Generationen stellten sich folgende Themen: Anpassungsprozesse, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Völkerverständigung und Ressourcenverteilung.
Verbandbürgermeister Hans-Werner Breithausen führte aus, dass die Solarregion Rengsdorfer Land mit dem Projekt bezahlbarer und naturschonender neuer Energie 2011 begonnen habe durch eine Genossenschaftsgründung. Alle Bürger und Ortsgemeinden würden mit ins Boot genommen nach dem Motto „Nur gemeinsam sind wir zukunftsfähig!“ Die Genossenschaft besitze sechs der EEG-Anlagen. Die öffentlichen Gebäudeflächen seien inzwischen alle belegt. Für ihn stelle sich die Frage, ob der Energiewandel bezahlbar beleibe, ob die neuen Modelle auch ohne das EEG funktionierten z. B. durch Verträge direkt mit dem Energieversorger.
Jörg Wagenknecht, Geschäftsführer der „Bauko-Solar“ in Anhausen, registrierte einen Stimmungsumschwung gegen die Photovoltaik, weil die Leute denken, dass Photovoltaik den Strom immer teuerer mache. Das Gegenteil sei der Fall: Der Preis sei von 63 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 1996 auf 6,6 Cent in diesem Jahr gesunken durch extrem gesunkene Komponentenpreise. Mit Speicher sei der Strom auch nachts verfügbar. Anlagen sollten bedarfsgerecht gebaut werden nach dem Motto „oben produziert, unten verbraucht“, das erspare den teueren Netzausbau.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde Ulrich Kleemann gefragt, ob der Naturschutz hinter dem Ausbau erneuerbarer Energien zurückstehen müsse. Der Befragte bezog seine Antwort auf das ortsbekannte Problem mit dem Fahrsilo, das bald bereinigt sei. Auch der Waldbau solle weiterhin nachhaltig betrieben werden, aber ohne zusätzliche Ausgleichsflächen, weil die wertvollsten Biotope Grünlandflächen seien.
Auf die Kritik, dass Strom eindeutig teuerer statt billiger werde, antwortete Wagenknecht, dass Solarstrom zwar von Jahr zu Jahr günstiger produziert werde, trotzdem stieg der Preis, weil das Berechnungssystem nicht in Ordnung sei. Da die Standorte für Photovoltaik nicht geregelt sein, funktioniere die Berechnung nicht.
Weinreuter bestätigte das Kuriosum, dass die erneuerbaren Energien an der Börse Leipzig den Preis senkten, sodass durch die Umlagen der Preis wieder steige. Das sei ein falsches Konstrukt.
Dem Vorwurf, in der VG Rengsdorf gebe es viel Solar- aber wenig Windenergie, begegnete Breithausen mit dem Hinweis, dass noch keine Flächen ausgewiesen seien, weil man sich noch in der Findungsphase bewege, da naturschutzrechtliche Prüfungen vorab vorgenommen würden. Die VG Rengsdorf habe keine optimalen Flächen, nach einem Gutachten konzentriere man sich auf eine Fläche, die weiter geprüft werden müsse. „Die Abstandsflächen schließen viele Flächen aus.“
Kritisch angemerkt wurden die Kosten, die bei den vielen Sanierungsmaßnahmen auflaufen und Kredite nötig machen. Wenn sich die Maßnahmen nach 15 bis 20 Jahren amortisiert hätten, müsse man erneut sanieren und einen neuen Kredit aufnehmen. Die persönliche Energiewende müsse finanzierbar bleiben. Weinreuter bezifferte die Dauer der Haltbarkeit der Gebäudedämmung mit 30 Jahren. Er halte eine Förderung durch Abschreibung über Steuern für reizvoller als verbilligte Kredite.
Auf die Zweifel eines Besuchers, ob der Klimawandel durch den Menschen verursacht sei, entgegnete Kleemann, dass es unabhängig von der Ursache immer besser sei, Maßnahmen zu ergreifen, wenn man das könne, als am Ende zu sagen: „Hätten wir es besser getan!“
So fanden alle Debattanten einen Konsens mit Antoine de Saint-Exupery: „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen - denn Zukunft kann man bauen:“ Helmi Tischler-Venter
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