Sarah Litke mit Preis für Zivilcourage geehrt
Sarah Litke aus Neuwied verhinderte mit ihrem beherzten Eingreifen eine Sexualstraftat. Dafür wurde sie am Donnerstag, 4. Dezember, von Innenminister Roger Lewentz mit dem zweiten Preis für Zivilcourage ausgezeichnet. Die feierliche Verleihung fand im Kurfürstlichen Schloss in Mainz statt, wir führten im Anschluss ein Interview mit der mutigen Neuwiederin.
Neuwied. Wer Zivilcourage zeigt, hilft anderen Menschen in Notsituationen und gerät nicht selten selbst in Gefahr dabei. Der Mut, den Menschen, die anderen helfen, Schaden von ihnen abwehren, oder sie aus einer Notsituation befreien, aufbringen, muss belohnt werden und dient als Vorbild für andere. Deshalb verlieh Innenminister Roger Lewentz nun bereits zum 15. Mal den Preis für Zivilcourage an Rheinland-Pfälzer, die sich in einer derartigen Situation couragiert verhalten haben.
Insgesamt neun Preisträger, die aus 62 Vorschlägen von einer interdisziplinären Jury, unter dem Vorsitz von Innenstaatssekretärin Heike Raab, ausgewählt wurden, ehrte Lewentz im Rahmen einer Feierstunde im Kurfürstlichen Schloss in Mainz, darunter eine Neuwiederin: Sarah Litke, eine 25-jährige Krankenschwester, die beherzt eingriff, als sie auf dem Nachhauseweg von der Nachtschicht sah, wie ein Mann ein junges Mädchen bedrängte und damit wahrscheinlich ein Sexualstraftat verhinderte.Für ihr mutiges Eingreifen, ungeachtet der Gefahr, in die sie sich selbst brachte, bekam sie den zweiten Preis. Kurier-Mitarbeiterin Eva Klein führte mit Sarah Litke ein Gespräch über Zivilcourage, Mut und soziales Miteinander:
Was war geschehen?
Am Morgen des 16. Oktobers 2013 ist Sarah Litke gegen 7 Uhr auf dem Heimweg von der Nachtschicht, als sie aus dem Auto heraus beobachtet, wie ein Mann ein Mädchen attackiert und bedrängt. Sie ruft sofort die Polizei, hupt mehrfach, so dass der Täter daraufhin von dem Mädchen ablässt und flüchtet. Danach kümmert sich Sarah Litke intensiv um das völlig verstörte 17-jährige Opfer und begleitet diese zur Polizeiwache. Dank der detaillierten Täterbeschreibung kann der Täter schon wenige Minuten nach der Tat gefasst werden.
Eva Klein: Frau Litke, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Szenerie sahen?
Sarah Litke: Erst dachte ich, da wäre ein Gerangel unter Jugendlichen, aber als ich dann sah, dass der Mann das Mädchen von hinten gepackt hatte und mit seinem Unterarm gegen ihren Hals drückte, wusste ich, dass da etwas nicht stimmt. Zuerst sah es für mich auch so aus, als hätte er ein Messer in der Hand, das erwies sich aber hinterher als Täuschung. Ich war ungefähr zehn Meter weit weg und drückte mehrmals auf die Hupe, daraufhin flüchtete er sofort. Da er sehr auffällige Kleidung trug, konnte ich ihn auch gut beschreiben. Gedacht habe ich nicht wirklich viel in dieser Situation, da handelt man eher intuitiv.
Eva Klein: Hatten Sie im Nachhinein nochmal Kontakt zu dem Opfer?
Sarah Litke: Leider nicht, ich habe allerdings meine Nummer bei der Polizeiinspektion hinterlassen, wenn Sie möchte, kann sie sich gern bei mir melden. Ich verstehe aber auch, wenn sie den Vorfall momentan auf sich beruhen lassen möchte. Bei der Gerichtsverhandlung werde ich sie wahrscheinlich sehen, für diese steht aber noch kein Termin fest.
Eva Klein: Haben Sie sich hinterher in einer ruhigen Minuten einmal Gedanken darüber gemacht, was hätte passieren können, wenn der Täter nicht sofort geflüchtet wäre?
Sarah Litke: Natürlich habe ich hinterher darüber nachgedacht und gerade im Zuge der aktuellen Fälle, wie dem Fall Tugce, bei denen Hilfeleistung für die Helfenden schlimm ausgegangen ist, kommen diese Gedanken automatisch. Als Krankenschwester bin ich jedoch sensibilisiert für das Thema und verhalte mich generell eher ruhig und sachlich in brenzligen Situationen. In diesem Moment allerdings kam als Motivation für mein Handeln auch Wut hinzu, da hier ein Mensch in Gefahr war. Ginge es um Geld oder Sachwerte, würde ich zwar die Polizei informieren, mich aber ansonsten aus dem Geschehen heraus halten. Ich kann auch verstehen, wenn jemand sich nicht selbst in Gefahr bringen möchte, indem man die Polizei informiert, ist ja schon ein wichtiger Schritt getan.
Eva Klein: Was würden Sie Menschen raten, die in einer ähnlichen Situation sind?
Sarah Litke: Jeder muss das für sich entscheiden, aber ich finde es wichtig, erst einmal Hilfe zu holen, denn jeder hat mittlerweile ein Handy und kann die Polizei rufen. Andere Menschen mit einzubeziehen, also Umstehende anzusprechen, ist auch ein wichtiger Aspekt. Man muss nicht unbedingt den Helden spielen und sich selbst in Gefahr bringen. Hilfe kann man auch holen, ohne sich selbst zu gefährden, nur wegschauen und gar nichts machen finde ich schlimm. Ist die Situation dann unter Kontrolle, kann man sich um das Opfer kümmern, denn diese sind meist verstört und geschockt und benötigen jemanden, der sich um sie kümmert.
Eva Klein: Denken Sie, dass es genau diese Angst davor, selbst zum Opfer zu werden, ist, die Menschen oft wegschauen lässt?
Sarah Litke: Bestimmt greift in solchen Situationen erst einmal der Selbstschutz. Man kann die Situation ja oft nicht einschätzen, weiß nicht, ob Waffen im Spiel sind und wie aggressiv der Täter reagiert. Hilfe kann man aber – wie gesagt – immer holen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Oft existiert in den Köpfen auch eine Barriere, dass man sich in fremde Angelegenheiten nicht einmischt. In Fällen häuslicher Gewalt zum Beispiel denkt man oft, dass das Opfer ja auch von sich aus sich Hilfe holen könnte, aber meist brauchen diese Menschen jemanden, der den ersten Schritt macht, da sie selbst oft abhängig sind von den Tätern. Ich finde, dass man lieber einmal zu oft hinsieht, als einmal zu oft wegzuschauen.
Eva Klein: Ich bedanke mich für das Gespräch und beglückwünsche Sie zum 2. Preis für Zivilcourage des Landes Rheinland-Pfalz.
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