Mindestlohn: Bürokratie und demotivierte Arbeitskräfte
Die Umsetzung des Mindestlohns bei kurzfristig Beschäftigten in Landwirtschaft und Weinbau belastet die Betriebe mit unzumutbarem bürokratischem Aufwand und demotiviert die Arbeitskräfte. Achim Hallerbach und Erwin Rüddel üben Kritik.
Kreis Neuwied. "Warum lässt man uns nicht arbeiten! Wir kommen von weit her um Geld zu verdienen; ausruhen können wir uns im Winter daheim genug!", bekommen die Spargel- und Erdbeeranbauer fast täglich von Ihren ausländischen Saisonarbeitern zu hören und sprechen damit die Regelung des Arbeitszeitgesetzes an, welches die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzt und nach sechs Tagen einen Ruhetag vorschreibt. In Ausnahmefällen können Mehrarbeiten bis 60 Stunden/Woche durch Ruhezeiten innerhalb eines Kalendermonats ausgeglichen werden. Diese werden aber auf die maximale sozialversicherungsfreie Beschäftigungszeit von drei Monaten angerechnet.
Das Arbeitszeitgesetz ist bereits seit Jahren rechtskräftig, aber durch die Dokumentationspflichten des Gesetzes zum Mindestlohn birgt es für die Erdbeer-, Spargel-, und Gemüseanbauer ein hohes Risiko. Kann doch im Falle einer Kontrolle bei Überschreiten der maximalen Arbeitszeiten und nach Anrechnung zusätzlicher Ruhezeiten der dreimonatige sozialversicherungsfreie Beschäftigungszeitraum überschritten und damit die nachträgliche Abführung von Sozialversicherungsabgaben fällig werden. Diese hat dann der Arbeitgeber alleine zu tragen.
"Die Landwirte mit Spezialkulturen sind zurzeit ohnehin von früh bis spät mit der Organisation der Erntearbeiten und der Vermarktung beschäftigt. Die aufwändige Dokumentation der Arbeitszeiten kommt jetzt noch dazu und die Sorge, bei der Einteilung der Arbeiter einen Fehler zu machen, der sich auf die Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung negativ auswirkt", betont der 1. Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach und Dezernent für Veterinärwesen und Landwirtschaft.
Erschwerend für die Betriebe kommt noch hinzu, dass die Mindestlohnvergütung eine leistungsabhängige Bezahlung nahezu ausschließt. Akkordzuschläge wären einfach zu teuer. Die Mehrkosten könnten aus Wettbewerbsgründen nicht an die Verbraucher weitergereicht werden. Hallerbach: "Zumindest das christliche Ideal scheint sich im Gesetz zum Mindestlohn analog zum Gleichnis der "Arbeiter im Weinberg" niedergeschlagen zu haben, was den leistungsstarken Erdbeerpflücker oder Spargelstecher eher demotivieren dürfte."
Zudem sind die nicht sozialversicherungspflichtigen Saisonarbeiter durch das Mindestlohngesetz gegenüber den Festangestellten besser gestellt. Thomas Ecker, Untere Landwirtschaftsbehörde bei der Kreisverwaltung Neuwied: "Letztere bekommen von ihren derzeit 7,40 Euro je Arbeitsstunde (ab 2017 8,50 Euro) noch circa 30 Prozent Lohnnebenkosten abgezogen. Der Saisonarbeiter bekommt den vollen Mindeststundenlohn - und dies bei gleicher Leistung."
"In der Quintessenz werden die Saisonarbeitskräfte nicht mehr Geld mit nach Hause nehmen, als vor der Einführung des Mindestlohngesetzes, aber den Eindruck, dass sich Leistungsbereitschaft in Deutschland offensichtlich nicht lohnt!", ist sich der 1 .Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach sicher.
Der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel begrüßt, dass die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zwischenzeitlich einige Fehlstellungen erkannt und erste Nachbesserungen vorgenommen hat. So entfallen nun die Aufzeichnungspflichten für Familienangehörige, die im Betrieb beschäftigt sind und die Lohngrenze für eine verpflichtende Arbeitszeiterfassung wird von knapp 3.000 Euro monatlich auf 2.000 Euro abgesenkt. "Unsere Forderung nach Erleichterungen bei der Dokumentationspflicht für Saisonarbeitskräfte wurde bisher nicht umgesetzt", kritisiert Rüddel. "Ich hoffe jedoch, dass wir hier noch Verbesserungen erreichen."
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