Rebell Robert Griess in Waldbreitbach
In der Kleinkunstreihe „…wir machen Theater“ des Hotels zur Post stand Robert Griess auf der Bühne, ein politischer Kabarettist mit Minderwertigkeitskomplex ob seines minderwertigen NRW-Abiturs. Seine Therapie ist Rebellion, die er fast zur Perfektion ausgearbeitet hat. Sein Programm ist quasi eine Anleitung zur Rebellion.
Waldbreitbach. Genau die Berufsgruppen watscht Griess kräftig ab, die die Mehrheit der Kabarettbesucher ausmachen – Lehrer, Beamte, Banker und BWLer im weitesten Sinn - , auf deren Kommen sowie Selbstironie oder Leidensfähigkeit er ökonomisch angewiesen ist. Den Anachronismus in seinem Bühnen-Dasein durchschaut der Kabarettist offenbar nicht, er könnte aber der Grund dafür sein, dass den Künstler noch kein Ruf ins Fernsehen ereilt hat.
Dabei analysiert Griess diffizile Strukturen durchaus gekonnt. Welch fatale Auswirkungen die Versprechungen des Kapitalismus national und weltweit bewirken und die Gegenüberstellung von politischen Flüchtlingen und Steuerflüchtlingen hat Esprit. Leider bedient der Kabarettist zu oft gängige Klischees – viele Figuren und Sätze kennt man schon. Der „Grüne“ Theo mit Liebe zu Drogen und Diskussionen besitzt kein Alleinstellungsmerkmal und der prollige Herr Stapper auf Hartz IV mit seinem glitzernden Schlangenleder-Blouson ist sprachlich fast identisch mit Kalle Pohls altbekanntem Vetter Hein Spack. Am Ende verrät aber gerade Stapper geniale Tricks zur Rebellion: Seine Methoden, wie man Briefe ohne Briefmarken verschicken und Ordnungshüter ärgern kann, funktionieren garantiert. Markante Aussagen wie „Der Groschen ist kein Sturzbomber.“ oder „Fernsehen wegen der Werbung ist, als hätte man einen Hund nur wegen der Scheiße“, würzen das Programm.
Die kritischen Fragen der Figuren treffen den Nerv: Warum sind ausgerechnet die Reichen gegen den Mindestlohn? Warum erhalten Krankenschwestern keinen Bonus? To have lunch or to be lunch? Wieso haben ausgerechnet Ostdeutsche Angst vor Islamisierung, wo doch nur ein Prozent der Dresdner Moslems sind. Geniale Gegenmaßnahme: Desensibilisierung durch Kennenlernen, also alle Flüchtlinge nach Osten schicken!
Mit scharfem Verstand und Gehör werden Aussagen von Politikern ad absurdum geführt, etwa die Äußerung der ehemaligen Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner: „Pferd im Rind ist eine Riesen-Sauerei.“
Robert Griess erntet viele Lacher, manche aus peinlicher Betroffenheit oder Erschrecken, denn Griess kann sehr bissig und makaber formulieren. Zum Beispiel, wenn er als Mager für Kriegsminen seiner kleinen Tochter erklärt: „Die Mine ist quasi das Auto Afrikas. Die Kinder müssen halt aufpassen!“
Zum Schluss gelang es dem Künstler, einen Shanty-Chor Waldbreitbach zu dirigieren mit dem Lied „Bring back my money to me.“ htv
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