Außergewöhnlicher „Crash-Kurs“ für junge Leute
Bei der Polizeidirektion Montabaur gibt es das „Projekt 25“. Es richtet sich an junge Fahrer. Rund 320 Schüler der Jahrgangsstufen elf und zwölf des Mons-Tabor Gymnasiums bekamen in einer Präventionsveranstaltung von Polizei, Rettungskräften und einem Film die Folgen von schnellem Fahren vor Augen geführt. Durch Betroffenheit soll Vernunft ausgelöst werden.
Montabaur. Junge Fahrer stellen im Straßenverkehr eine besondere Risikogruppe dar. Bei der Prävention geht die Polizeidirektion Montabaur neue Wege. Sie will Vernunft durch Betroffenheit auslösen. So ist der Titel der Veranstaltung „Crash-Kurs“ auch bewusst doppeldeutig gewählt worden. Laut Duden bedeutet Crash-Kurs: „Lehrgang, in dem der Unterrichtsstoff besonders komprimiert und in kurzer Zeit vermittelt wird.“ Crash steht aber auch für „heftiger Zusammenstoß, Unfall“.
In dem gut einstündigen Vortrag ging es um schwere Unfälle, an denen junge Fahrer beteiligt waren und diese nicht überlebt haben. Bei der Einführung erläuterte die Referentin Daniela Delzepich, dass diese Art der Prävention seit 2006 in Großbritannien praktiziert wird und dort die Unfallzahlen deutlich gesunken sind. Schon die Eingangszahlen waren erschreckend: Es kamen 2015 im Westerwald 15 Personen im Straßenverkehr ums Leben, davon waren sechs unter 25 Jahre alt. Alle Unfallverursacher waren männlich. Bei 130 Unfällen gab es Schwerverletzte, davon waren bei 45 Unfällen junge Fahrer involviert. 112 dieser Unfälle wurden von männlichen Fahrern verursacht.
„Was ihr hier seht und erlebt, habt ihr garantiert noch nicht erlebt“, sagte Daniela Delzepich, ehe sie einen Film startete. Ralf Steube hatte einen Film über mehrere tödliche Unfällen aus dem Jahr 2015 und 2016 zusammengestellt. Der Film, der die Arbeit der Rettungskräfte zeigte, machte sehr betroffen. Es wurden selbstverständlich keine Verletzten oder gar Toten gezeigt, aber allein der Gedanke, dass in den gezeigten Trümmern ein junger Mensch, starb reichte aus. Tief betroffene Gesichter und Tränen in den Augen, als in einer Szene ein Sarg von Feuerwehrleuten und Bestatter ins Bestattungsfahrzeug getragen wurde.
Anschließend an den Film berichteten betroffene Helfer ihre Eindrücke bei dem tödlichen Unfall am 20. Februar 2015 um 5.55 Uhr bei Langenhahn. Polizeikommissar Florian Schwan hatte an dem Morgen noch Dienst, der um 6.30 Uhr normalerweise enden sollte. Er schilderte sehr detailliert die Phase vom Notruf bis zum Ankommen an der Unfallstelle und dem ersten Eindruck. Seine Schilderung umfasste auch die Feststellung, dass der eingeklemmte junge Fahrer noch lebte und leicht röchelte.
Seine Kollegin Franziska Hülpert hatte bei Beginn ihrer Schicht dann die Unfallstelle mit übernommen. Sie erzählte, dass Unfallaufnahmen eine Routinearbeit der Polizei sei, aber „Todesnachrichten zu überbringen, das ist absolut das Schwerste was wir tun müssen“. Wehrleiter Patrick Schäfer von der Freiwilligen Feuerwehr Langenhahn erzählte von der Rettung und dass ihre Rettungsscheren bei dem total deformierten Fahrzeug nicht die Kraft hatten, um den Verletzten freizuschneiden und stärkeres Gerät von Westerburg angefordert werden musste.
Bei der Feuerwehr Langenhahn fährt Rettungsassistent Kevin Krämer mit. Er erzählte sachlich und nüchtern, wie die Rettungskräfte des DRK und der Notarzt versuchten das Leben der eingeklemmten Person zu retten. Die Verletzungen, die Kevin Krämer schilderte, waren derart stark, dass im Nachhinein betrachtet, die Rettungskräfte keine Chance hatten. Nach seiner detaillierten Schilderung hatten sie alles versucht, aber den Kampf nicht gewinnen können.
Als letzter Live-Berichterstatter kam Pfarrer Wilfried Steinke zu Wort. Er hatte einen großen Luftballon in der Hand, auf dem viele Zettel klebten. Er hatte vorab die Schüler gebeten einen ihrer Träume aufzuschreiben. Der Pfarrer liest vor: „Erfolg, Familie, Geld, Glück, Freizeit und einige mehr.“ Er nahm eine spitze Schere und stach damit in den Luftballon, der mit einem lauten Knall platzte. „Genauso platzten auch die Lebensträume bei dem Unfall am 20. Februar“, war aus dem Mund des Notfallseelsorgers zu hören.“ Steinke schilderte das erste Gespräch mit der Mutter des Unfallopfers, die Szenen der Beerdigung und die Nachbetreuung. In der Aula des Gymnasiums war es schon lange total still geworden und manche Tränen flossen.
Als Schlusspunkt wurden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, nach draußen zu gehen und sich das Unfallauto eines aktuellen tödlichen Unfalls anzuschauen. Die Betroffenheit der Schüler war nach dem Vortrag groß, wie lange es bei den einzelnen anhält, vermag keiner zu sagen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Art von Prävention Erfolge erzielt.
Der Schüler Anton Klersy meinte nach der Veranstaltung gegenüber den Kurieren: „Ich fand die Darstellung sehr imposant, ich kann das Gesehene und Gehörte gut nachvollziehen. Hier wurde ein klarer Unterschied zur Fahrschule deutlich. Ich bin der Überzeugung, bei mir ist das Ziel erreicht worden.“ Seine Mitschülerin Felisa Barba Meuer ergänzte: „Mich und meine Mitschüler hat die Veranstaltung sehr berührt. Es geht einem doch sehr nahe, wie schnell ein Auto zerfleischt ist und wie schnell man sterben kann.“
Die Polizeidirektion Montabaur wird auch weitere Veranstaltungen in dieser Form durchführen. (woti)
Video zum "Projekt 25":
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