Forstwirtschaft im Dierdorfer Stadtwald veranschaulicht
Stadtbürgermeister Thomas Vis konnte trotz ungünstiger Wetterprognosen eine große Gruppe interessierter Bürger am Wienauer Sportplatz begrüßen, die an der diesjährigen Wanderung im Stadtwald unter der fachkundigen Leitung des Revierförsters Harald Schmidt teilnehmen wollte.
Dierdorf. Der Förster bat am Samstag, den 23. April zunächst um eine Gedenkminute für seine kürzlich verstorbene Kollegin Andrea Bauer. Schmidt, der seit dem ersten Oktober 2015 den gesamten Dierdorfer Wald betreut, freute sich, dass auch Kinder den schönen Wald erfahren wollten. Am Sportplatz stehend, veranschaulichte der Fachmann den Flächenbegriff „Hektar“, der in etwa zwei Sportplätze nebeneinander umfasse. Unterwegs hatten die Zuhörer Spaß daran, immer wieder zum Umrechnen auf Sportplatzanzahl aufgefordert zu werden.
Anschaulich erläuterte der Förster die Aufgaben geregelter Forstwirtschaft, die vor etwa 300 Jahren als Reaktion auf den durch Übernutzung devastierten Wald eingeführt wurde. Ziel aller forstlichen Maßnahmen ist Nachhaltigkeit. Das heißt, es kann nur so viel Holz entnommen werden wie zuwächst, zudem werden verschiedene Baumarten gemäß ihren Standortansprüchen gepflanzt.
Das Forstamt hat als bürokratische Vorgabe das Forsteinrichtungswerk, in dem als Arbeitsgrundlage eine Bestandserfassung bezüglich Eigentümer und Bodenbeschaffenheit kartiert sind. Aus den Faktoren wird der Zuwachs berechnet und durch Hochrechnung ergibt sich der Hiebsatz, wobei Naturgewalten wie starke Stürme natürlich unvorhersehbar sind.
Beim ersten Wanderstopp in der „Hochheck“ mit 137-jährigen Stieleichen, einigen Buchen, Eschen, Ahornbäumen und Fichten zeigte der Förster Markierungen an Ahorn-Bäumen, die zur Fällung vorgesehen sind, weil ihr Holz verkauft wird. Die Bäume mit Doppelstrichen werden für die Bildung einer Rückegasse gefällt. Die Waldarbeiter versuchen zur Schadensvermeidung immer, die Bäume mit ihrer Krone auf die Rückegasse fallen zu lassen.
Ein frisch umgesetzter Ameisenhügel gab Gelegenheit, die Rolle der Roten Waldameisen als Gesundheitspolizei des Waldes zu erörtern. Am Nachwuchs im hundertjährigen Buchenwald per Naturverjüngung wurden die forstlichen Eingriffe aufgezeigt, die Buchen in dem vom Markt gewünschten geraden und astarmen Wuchs gedeihen lassen. Zwiesel mit zwei oder drei Spitzen werden aussortiert. Die besten Bäume werden mit Bändern markiert und rundherum freigestellt.
Ein imposanter Fichten-Holzstapel aus dem Wintereinschlag wurde entrindet und mit Querlagen zum Trocknen am Wegesrand gelagert. Die etwa 200 Festmeter Holz sind an ein örtliches Sägewerk verkauft. Gleich daneben hat sich eine durch Windwurf entstandene Kahlfläche natürlich verjüngt, hauptsächlich durch Ahorn. Angestrebt ist eine Mischung durch einbringen von Nadelholz. „Die Fichte ist der Baum, von dem wir hauptsächlich leben im Moment“, bekannte Schmidt.
Kunterbunte Markierungen zeigen an anderer Stelle den Forstarbeitern die geplanten Maßnahmen an: Rückegassen sind neongelb gesprüht. Die zum Hieb ausgesuchten Bäume wurden nummeriert, markiert, vermessen und der Grund der Fällung wurde notiert. Die Waldarbeiter sägen Kronen und Äste ab und schneiden die für Übersee bestimmten Stämme auf eine Länge von 11,80 Meter für die zwölf Meter langen Container.
An dem letzten Wanderstopp, dem alt-ehrwürdigen Naturdenkmal „Walpodeneiche“ las Förster Harald Schmidt die tragische Geschichte des letzten Walpoden von Reichenstein vor: Heinrich von Reichenstein wurde an dieser Stelle nach einem Überfall auf die Isenburg von einem Isenburger Ritter getötet.
Eine sehr lehrreiche und unterhaltsame Wanderung fand bei trocken-kaltem Wetter ihren genussvollen Abschluss bei Kaffee und Kuchen am Sportlerheim. Die nächste Stadtwaldwanderung mit Revierförster Harald Schmidt wird im kommenden Jahr im Giershofener Teil stattfinden. htv
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