Selbstverletzendes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen
Warum verletzen sich Kinder und Jugendliche selbst und wie sollen die Pädagogen sie darin unterstützen, dieses zwanghafte Verhalten einzustellen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 35 pädagogische Mitarbeiter der Jugend- und Schulsozialarbeit in der Kreisverwaltung Neuwied.
Neuwied. Selbstschädigung/-verletzung bei Kindern und Jugendlichen wird in aktuellen Untersuchungen mit sieben bis zwölf Prozent häufig berichtet. Verhaltensweisen wie Schneiden, Brennen und Hochrisikoaktivitäten stellen dabei besonders Helfer/innen wie Fachkräfte der Pädagogik vor große Herausforderungen. Von außen scheint derartiges Verhalten oft wenig nachvollziehbar - gleichzeitig ist es umso wichtiger Funktionen, von Selbstverletzung (wie Verringerung emotionaler Anspannung) zu verstehen. Im Alltag ist es sehr schwierig selbstverletzendes Verhalten zu erkennen, da die Betroffenen ihre Handlungen sehr gut verstecken und vertuschen können. Es gilt daher bei einem entsprechenden Verdacht sehr wachsam zu sein und den Betroffenen ein Signal der Hilfe und Unterstützung zu vermitteln.
Der Referent, Diplom Psychologe Florian Hammerle, psychologischer Psychotherapeut und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, erklärte den Fachkräften psychologische Grundlagen und Definitionen der Selbstverletzung. In Deutschland wird aktuell Selbstverletzendes Verhalten (SSV) als psychische Störung nur im Rahmen der Borderline-Persönlichkeitsstörung beschrieben. Häufig zählen zu den Ursachen eine biografische Belastung in der Kindheit, wie Vernachlässigung, Misshandlung oder sexueller Missbrauch. Selbstverletzendes Verhalten ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen immer ein Ausdruck intensiver Belastungen und fungiert sozusagen als Ventil, um zu versuchen, diese Belastungen loszuwerden
Im Anschluss an den Fachvortrag stellte sich Kerstin Bouwer vor, die selbst betroffen ist und beschrieb eindrucksvoll Auszüge ihrer persönlichen Krankheitsgeschichten. Sie leitet die Selbsthilfegruppe „Grenzgänger“, für Erwachsene die unter der Borderliner-Persönlichkeitsstörung leiden.
Kerstin Bouwer stellte unter anderem so genannte „Skills“ vor. Skills sind risikofreie Hilfsmittel die helfen können, Selbstverletzung in akuten Anspannungssituationen zu verhindern. Ein Cocktail aus mehreren Chillischoten mit Brausepulver kann ein solches Hilfsmittel sein. Aber auch Schläge gegen einen Boxsack, ein Knet- oder Wurfball, Sport oder laute Musik können Betroffenen helfen, nicht auf Selbstverletzung zurückgreifen zu müssen. Die Betroffenen können in einer Therapie Methoden im Umgang mit Drucksituationen erlernen mit dem Ziel, sich nicht mehr ernsthaft zu verletzen.
Bei Verdacht auf selbstverletzendem Verhalten können Eltern erste Informationen über Telefonseelsorgen, spezielle Hilfenetzwerke oder themenaffine Internetseiten beziehen.
Dipl. Psychologe Hammerle erarbeitete mit den Fachkräften Gesprächsstrategien anhand von wissenschaftlichen Grundlagen aus der DBT (Dialektisch-Behaviorale-Therapie) in Verbindung mit praktischen Rollenspielen. So erhielten die Pädagogen einen vertieften Einblick in die Thematik.
Organisiert wurde diese Fachtagung von den Mitgliedern des Arbeitskreises Suchtprävention Claudia Liesenfeld-Gilles (Fachstelle Plus für Kinder- und Jugendpastoral Koblenz) sowie Franlin Toma und Simone Höhner vom (Kreisjugendamt Neuwied).
Diese Fachtagung ist ein Teil der diesjährigen Veranstaltungsreihe „Know-How für eine qualitative Jugendarbeit im Landkreis Neuwied“ die von der Kreisjugendpflege organisiert wurde. Die Veranstaltungsreihe umfasst ein breites Spektrum interessanter Fortbildungs- und Informationsangebote für Haupt- und ehrenamtlich Tätige in der Jugendarbeit. Der Flyer zur Veranstaltungsreihe kann hier heruntergeladen werden. Weitere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es bei: Kreisverwaltung Neuwied Franlin Toma und Simone Höhner, Telefon 02631-803-442, -621, Email: jugendarbeit@kreis-neuwied.de.
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