Annahme von Schaum-Dämmstoffen muss gestoppt werden
Ab Samstag, den 1. Oktober muss die Annahme und damit die Entsorgung von Dämmstoffen aus Kunststoffschäumen auf den Wertstoffhöfen in Neuwied, Linz und Linkenbach vorübergehend eingestellt werden. Hintergrund ist die Novelle der Abfallverzeichnisverordnung, nach der (Schaum-) Dämmstoffe, die mehr als 0,1 Prozent Hexabromcyclodecan (HBCD) enthalten, als gefährliche Abfälle gelten.
Neuwied. "Eine Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen ist danach nur noch über entsprechende Entsorgungsnachweise in dafür zugelassenen Verbrennungsanlagen möglich, in denen der Schadstoff zuverlässig zerstört wird", erklärt der 1.Kreisbeigeordnete und Abfallwirtschaftsdezernent Achim Hallerbach. Leider gibt es zurzeit bundesweit keine freien Entsorgungskapazitäten. "Und selbst die im Land für die Sonderabfallentsorgung zuständige Sonderabfall-Management-Gesellschaft-Rheinland-Pfalz-mbH (SAM) ist derzeit nicht in der Lage, eine annahmebereite Entsorgungsanlage zu benennen. Dort herrscht große Ratlosigkeit", bedauert Hallerbach. Auch die Sortieranlage, die die an den Wertstoffhöfen entsorgten Baumischabfälle aufnimmt, ist nicht für die Entsorgung gefährlicher Abfälle zugelassen. Trotz intensiver Bemühungen um einen Entsorgungsweg für Dämmschäume muss die Kreisverwaltung daher jetzt einen vorübergehenden Annahmestopp verfügen.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass nur durch eine Analyse feststellbar ist, ob und wieviel HBCD ein Kunststoffschaum enthält. Somit müssen derzeit vorsorglich alle Schäume als HBCD-haltig eingestuft und solange abgewiesen werden, bis eine zugelassene und aufnahmebereite Entsorgungsanlage gefunden werden kann. "Wir haben mittlerweile unzählige Müllverbrennungsanlagen in Rheinland-Pfalz, Hessen und NRW kontaktiert. Aufgrund der per Definition veränderten Abfalleinstufung sieht sich momentan keine Verbrennungsanlage in der Situation, diese Materialien unter anderem genehmigungskonform anzunehmen", so Achim Hallerbach. Eine äußert schwierige Situation die derzeit die gesamte Entsorgungswirtschaft trifft. Insofern sollten Styroporabfälle zunächst am Anfallsort zwischengelagert werden. Sobald ein ordnungsgemäßer Entsorgungsweg vorliegt, werde die Öffentlichkeit informiert. "Wir haben in einem Schreiben die rheinland-pfälzische Umweltministerin Höfken aufgefordert, dieses drängende Problem zeitnah zu einer zufriedenstellenden Lösung zu führen. Dies kann nicht auf dem Rücken der Abfallgebührenzahler und der Umwelt ausgetragen werden", mahnt der 1. Kreisbeigeordnete Hallerbach an.
Der aktuelle Stand der Annahme von Dämmschäumen kann bei der Neuwieder Abfallberatung unter der 02631/803-308 oder auf der Internetseite www.abfall-nr.de abgerufen werden.
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Der Hintergrund dazu: HBCD ist ein sogenannter POP-Stoff. POP hat in diesem Fall nichts mit Musik zu tun, sondern ist die Abkürzung für den englischen Begriff Persistent Organic Pollu-tants, auf Deutsch "langlebige organische Schadstoffe". Hierbei handelt es sich um organische Verbindungen, die in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut werden. Zu den bekannten POP gehören bekannte und berüchtigte Gifte wie DDT, PCB oder Dioxin. Und leider auch das als Flammschutzmittel eingesetzte HBCD. Es reichert sich in Organismen an und hat fortpflanzungsschädigende Eigenschaften. HBCD wird mittlerweile häufig in der Umwelt nachgewiesen - auch in entlegenen Regionen. Zumindest gilt HBCD nach Aussagen des Umweltbundesamts nicht als akut toxisch, ist also nicht sofort giftig. HBCD sorgt im Falle eines Brandes dafür, dass sich der Brandherd langsamer entwickelt. Es wird vor allem in Gebäudedämmstoffen aus Polystyrol eingesetzt, sowohl in expandiertem Polystyrol (EPS, ein
bekannter Handelsname ist Styropor) als auch in extrudiertem Polystyrol (XPS, ein Handelsname ist Styrodur). Teilweise ist es auch in Verpackungskunststoffen aus EPS zu finden, beispielsweise für Elektro- und Elektronikgeräte. Der Stoff findet aber auch in Vorhängen, Teppichen und Möbelbezügen oder in Gehäusekunststoffen Verwendung.
Weltweit sieht die so genannte Stockholm-Konvention ein Verbot vor. In der Europäischen Union sind mit der so genannten POP-Verordnung Vorgaben hinsichtlich der Herstellung, des Inverkehrbringens, der Verwendung und der Freisetzung von POP festgelegt worden. Eigentlich dürften in der EU Produkte mit einem HBCD-Gehalt von mehr als 100 Milligramm pro Kilogramm seit März 2016 nicht mehr hergestellt oder in Verkehr gebracht werden. Doch damit die Hersteller ausreichend Zeit haben, HBCD zu ersetzen, hat die europäische Kommission die Verwendung von HBCD in Dämmmaterialien noch bis zum 21.8.2017 zugelassen. Darüber hinaus gibt es ein weiteres Schlupfloch: Wenn Hersteller über eine Zulassung unter der Europäischen Chemikalienverordnung REACH verfügen, dürfen Dämmstoffe mit HBCD voraussichtlich noch bis zum 21. Februar 2018 vermarktet werden. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu HBCD gibt das Umweltbundesamt in einem Hintergrundpapier, dass auf der Seite http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/haufig-gestellte-fragen-antworten-zu heruntergeladen werden kann.
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