Symposium zur Bekämpfung von Tumoren des Magen-Darm-Traktes
Rund 150 Wissenschaftler der verschiedensten medizinischen Disziplinen werden am Wochenende (4./5. November) in Montabaur zu einem interdisziplinären Symposium zur Tumortherapie erwartet. Ihr Ziel: Spurensuche in Sachen Neuroendokrinen Neoplasien (NEN).
Montabaur. 37 hochspezialisierte Referenten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum werden im Tagungszentrum Schloss Montabaur die sogenannten Neuroendokrinen Neoplasien (NEN) in den Focus nehmen. NEN ist weder ein grammatikalisches Phänomen der Umgangssprache, noch das Kürzel für die niederländische Norm: Vielmehr meint NEN eine sehr spezielle Tumorform, die vor allem den Magen-Darm-Bereich und die Lunge betrifft. Diese Tumoren sind zwar sehr selten, allerdings steigt ihre Inzidenz auch aufgrund von verbesserter Diagnostik enorm. Betroffen sind etwa 35 von 100.000 Einwohnern.
„NEN – besser kenNEN und lerNEN“ – unter diesem Motto steht das Symposium, an dem die aktuellen Standards in Diagnostik und Therapie dieser seltenen Tumore diskutiert werden sollen. Das hochkarätig besetzte Plenum setzt sich aus Vertretern der Fachrichtungen Gastroenterologie, Nuklearmedizin, Chirurgie, Onkologie, Radiologie und Pathologie zusammen. Inhaltlich zeichnen Prof. Dr. Jörg Bojunga (Universitätsklinikum Frankfurt), PD Dr. Christian Fottner (Uniklinikum Mainz), Dr. Anja Rinke (Uniklinik Marburg) und Prof. Dr. Martin Anlauf (Überregionale Gemeinschaftspraxis für Pathologie am St. Vincenz-Krankenhaus Limburg) verantwortlich. Allein diese Besetzung des Organisationsteams macht deutlich: die Bekämpfung dieser Tumorart ist stark interdisziplinär angelegt – die Experten aus Frankfurt, Limburg, Mainz und Marburg arbeiten auch in der klinischen Praxis eng zusammen.
Gerade in der Diagnostik und Therapie der NEN-Tumore kommt der Pathologie ein starker Part zu. So hat sich der in Limburg praktizierende Prof. Dr. Anlauf insbesondere auf die Endokrine Pathologie und die Gastroenteropathologie spezialisiert. Der Pathologe ist im Vorstand des Registers für Neuroendokrine Tumoren (NET), einem interdisziplinären Verbund von etwa 35 spezialisierten Kliniken, welche die Daten zu den NEN-Krankheitsbildern epidemologisch auswerten: „Wir werden den aktuellen Stand der Forschung zusammenfassen und die neuesten diagnostischen und therapeutischen Optionen und Standards diskutieren“, so Prof. Dr. Anlauf.
So erwarten medizinische Experten von diesem Kongreß sowohl wissenschaftlich abgesicherte, als auch praxisorientiert-bewährte Entscheidungshilfen. Der erste Tag soll der Grundlagendiskussion dienen: hier sollen die in den letzten fünf Jahren aus der Molekulargenetik abgeleiteten und interdisziplinär erarbeiteten Leitlinien dargestellt werden. Am zweiten Tag wird die klinische Praxis im Vordergrund stehen, spezialtherapeutisches Vorgehen soll analog einem interdisziplinären Tumorboard kontrovers diskutiert werden (Fallkonferenzen medizinischer Experten bei onkologischen Krankheitsbildern).
Was die Auseinandersetzung mit diesen seltenen Krankheitsbildern so besonders spannend macht, ist gerade die Komplexität der therapeutischen Herausforderung. Prof. Dr. Anlauf: „Die NEN-Zellen sind überall im Körper anzutreffen und sie können bei Ausbildung eines Tumors harmlos bis hoch aggressiv sein.“ Etwa 50 NEN Tumorentitäten sind bislang bekannt und da sie Hormone produzieren, können sie in den unterschiedlichsten Symptomen die Steuerung der körperlichen Prozesse durcheinanderwirbeln: „Sie können trotz geringer Tumorgröße gewaltige Auswirkungen auf die gesamte körperliche Systematik haben“, erläutert der Pathologe. Seine ganz persönliche Faszination an der Arbeit rund um die NEN`s sind insbesondere die molekularbiologischen Erkenntnisse, welche tiefe Einblicke in die Regulationsmechanismen der Zellen ermöglichen und in investigative Behandlungsstrategien einfließen: „In diesem hochkomplexen heterogenen System Transparenz und Klarheit zu schaffen und damit dem Patienten einen individuell abgestimmten Therapiepfad zu ermöglichen, das ist eine hochspannende Herausforderung!“ Ein wenig könne man es sich wie ein wissenschaftliches Kalkulationsprogramm vorstellen, welches die verschiedensten Aspekte eines Problems – in diesem Fall eben der Tumorbehandlung – vielschichtig beleuchtet und im Ergebnis optimal verbindet.
Ganz generell hat sich die Pathologie in den letzten Jahren gerade im Bereich der Tumortherapie zum unverzichtbaren Partner der anderen medizinischen Disziplinen entwickelt. Die histologische Sicherung und die Güte der pathologischen Gewebebeurteilung leistet heutzutage einen ganz entscheidenden Beitrag zur Qualitätssicherung einer Klinik. So wird zum Beispiel jede klinische Verdachtsdiagnose auf einen bösartigen Tumor durch eine Gewebsuntersuchung des Pathologen gesichert oder aber auch entkräftet. Spezifischen genetische Merkmalen und deren Veränderungen an Zellen, Geweben und Körperflüssigkeiten auf die Spur zu kommen ist der spezialisierte Beitrag der Molekularpathologie. Patienten nehmen sie zwar selten direkt wahr – dennoch nehmen die Pathologen eine Schlüsselrolle in Diagnostik und Therapie ein und sind elementar an Behandlung und Heilung beteiligt. Prof. Dr. Anlauf: Wir sind zwar nicht direkt am Krankenbett, aber doch kommunikativ stark im Hintergrund und vor allem: ganz stark am Menschen orientiert.“
Zur Person: Prof. Dr. Martin Anlauf
In seiner Funktion als Advisory Board Mitglied der Europäischen Gesellschaft für NET ist Prof. Anlauf Mitherausgeber der internationalen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von NET. Darüber hinaus ist er Mitglied der S2-Leitlinienkommission NET der Deutschen Gesellschaft für Verdauungskrankheiten sowie im Beirat der AG Gastroenterologische Pathologie der Deutschen Gesellschaft für Pathologie und der Patientengruppe NET. Während seiner Tätigkeit als Oberarzt an der Universität Düsseldorf war er u.a. Leiter Sektion für neuroendokrine Tumoren und der klinikübergreifenden Tumorbank des Zentrums für Onkologie. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde der heute in Diez lebende Pathologe u.a. mit dem Rudolf Virchow Preis der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, dem Preis für Gastroenterologische Pathologie der Europäischen Gesellschaft für Pathologie und von der US-Kanadischen Akademie mit dem Preis für Endokrine Pathologie ausgezeichnet.
Die Überregionale Gemeinschaftspraxis für Pathologie und Zytologie (ÜPG) - Hintergrund
Seit 1989 ist die Überregionale Gemeinschaftspraxis für Pathologie und Zytologie als eigenständiges Institut in den Räumlichkeiten des St.-Vincenz-Krankenhauses auf dem Schafsberg etabliert. Das Team betreut Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte sowohl aus der Region als auch aus benachbarten Kreisen und besteht aus 13 Ärzten, die gemeinsam mit drei weiteren Instituten für Pathologie und Dermatologie innerhalb des mittelhessischen Netzwerkes Pathologie eng zusammenarbeiten.
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