Annegret Held beendet Lesereise in Dierdorf
Im Rahmen der 15. Westerwälder Literaturtage der Landkreise Altenkirchen, Neuwied und Westerwald hatte Annegret Held ihre Lesereise aus dem neuesten Roman „Armut ist ein brennend Hemd“ im Mai letzten Jahres in Marienthal begonnen. Am Freitagabend, den 31. März beendete die Autorin die Reise in Dierdorf in der Alten Schule.
Dierdorf. Der Kulturkreis Dierdorf hatte die Schriftstellerin zur Lesung eingeladen. Karl-August Heib begrüßte die zahlreichen Gäste und gab einen kurzen Abriss über die beruflichen Stationen von Annegret Held, die sehr facettenreich sind: Angefangen vom Polizeidienst, über Studium der Ethnologie und Kunstgeschichte, arbeiten bei einer Anwaltskanzlei, im Pflegebereich und als Luftsicherheitsassistentin.
Der Band „Armut ist ein brennend Hemd“ ist der zweite Teil einer Westerwald-Trilogie. Der fiktive Ort Scholmerbach in Helds Romanen ist für den Kenner leicht als Pottum, dem Geburtsort von Annegret Held, erkennbar.
Held fragte zu Beginn der Lesung: „Versteht ihr Wäller Platt? Für mich ist es wie Musik, wie Heilkräuter, wenn ich Platt sprechen oder lesen kann.“ Als das Publikum dies bejahte, legte sie los. Am 15. August 1806 war Scholmerbach über Nacht französisch geworden. Finchen war elf Jahre alt und trug ihr Festtagskleid. Tante Helmine mit Dotz und fauligem Zahn schlug das Mädchen immer wieder mit heimlichem Genuss. Pfarrer Vinzenz betete ab jetzt jeden Sonntag für den Kaiser der Franzosen…
Im nächsten Lese-Ausschnitt war Finchen 17-Jährig bei der Hochzeitsfeier von Gottfried und Lina. Die Gäste hatten schon viel vor der Hochzeit getrunken, Trunksucht war im Westerwald verbreitet. Finchen war in Konrad verliebt, der bei den Franzosen in der Schlacht eine Kopfverletzung erlitten hatte und daher nicht mehr ganz richtig im Kopf war…
Die Hungersnot im Westerwald 1848 war so schrecklich, dass die Männer dem Herzog von Nassau einen Bitt-Brief schrieben. Die tragische Hungersnot wird in dem Buch einfühlsam und ausführlich geschildert. Der letzte Part der Lesung vor der Pause handelte von einer makabren Friedhofszene: Durch ein gewaltiges Gewitter wurden die Gebeine der vielen verhungerten Dörfler aus den Gräbern gespült. Wie der katholische Pfarrer und das abergläubische Bettchen auf diesen Anblick reagierten, war erheiternd und doch auch bedrückend für die Zuhörer.
Mittels Schwarz-Weiß-Bildern erläuterte Annegret Held die Entstehungsgeschichte ihres Romans. Sie gestand, sie nehme immer jemand aus dem Dorf, zum Beispiel Finchen. „Die Charaktere müssen stimmen.“ Sie habe die Kirchenbücher in Limburg studiert und sei auf einen spannenden Eintrag gestoßen über eine Susanna Schamp, geboren in Pottum, verheiratet in London, gestorben in Australien. Diese Susanna war eines der verkauften Kinder. Aus großer Not schickten Familien ihre Kinder als singende Attraktion mit Händlern mit.
Sie verkauften Besen oder Fliegenwedel aus Hühnerfedern in Holland, Frankreich und London. Held zeigte Zeitdokumente von Familie Dapprich, Herzog Adolf von Nassau, Meckes (Kiepengänger), Dörfern im Westerwald und Straßen in London, um den Zuschauern die Zustände im 19. Jahrhundert nahe zu bringen. Held war selbst in London, um sich die dortigen Schauplätze anzuschauen. Drei Schwestern aus dem Westerwald lebten dort in einer Armenunterkunft. Susanna Schamps Name tauchte auf einer Passagierliste nach Australien auf. Held gelang es tatsächlich, die Urenkelin dieser Frau in Australien ausfindig zu machen und das Grab der ehemaligen Pottumerin und ihres in Deutschland geborenen Ehemanns zu besuchen.
Am Schluss bedankte sich Ulrich Christian mit einem Blumenstrauß ganz herzlich bei der Autorin für die interessanten Passagen im Buch und die anschaulichen Ausführungen mit den Bildern zur Recherche ihres Buches. (woti)
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