Wanderung mit Revierförster durch den „Schöwer“ Stadtwald
Bei der alljährlichen naturkundlichen Wanderung im Dierdorfer Stadtwald war am Samstag, 22. April der Giershofener Teil an der Reihe. Stadtbürgermeister Thomas Vis und Revierförster Harald Schmidt konnten über dreißig erwachsene Teilnehmer und einige Kinder begrüßen. Schmidt bot eine sehr anschauliche und informative Führung, die an einer gemütlichen Kaffee- und Kuchentafel endete.
Dierdorf. „Schlechtes Wetter gibt es nicht“, stellte Schmidt zu Beginn fest, „und unsere frisch gepflanzten Bäumchen freuen sich über Regen.“ Der Himmel hielt dann doch dicht über der bunt gemischten Gruppe während der dreistündigen Exkursion. Harald Schmidt erläuterte seine Arbeit, bei der es um planmäßige Bewirtschaftung des Waldes geht und deren Grundlage das Forsteinrichtungswerk ist, das alle zehn Jahre erstellt wird. Nachdem der Stadtrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, bildet das Werk die Grundlage für den Forstbetrieb. In ihm sind Flächen, Baumarten, aufstockender Bestand, Bodenmessung, Wasserversorgung und Risiken katalogisiert. Aufgrund der gelisteten Parameter wird der Zuwachs errechnet für den Einzelbestand und den ganzen Betrieb.
Ziel der Forstwirtschaft ist Nachhaltigkeit, das heißt: Im Stadtwald Dierdorf darf in einem Jahr nicht mehr geerntet werden als im selben Zeitraum nachwächst. Auf den 440 Hektar Wirtschaftswald befindet sich ein Holzvorrat von 80.674 Kubikmetern oder Erntefestmetern. Zirka 65 Prozent des jährlichen Zuwachses werden genutzt, das sind 2.324 Erntefestmeter. Durch Windwürfe, Borkenkäfer oder andere Einflüsse entstandene Mehrnutzung wird wieder eingespart.
Am Waldeingang stellte der Förster die vielen verschiedenen Elemente der Kulturlandschaft vor: Felder, Äcker, Wiesen, Bachlauf, Waldrand und der Wald dahinter, aber auch technische Bestandteile wie Straßen, Wege, Strommasten, Häuser, Windräder und Eisenbahnlinie – eine von Menschen gestaltete Landschaft. Schmidt wies darauf hin, dass immer wieder Konflikte entstehen, zum Beispiel schluckte der Bau der ICE-Trasse viel Wald und dass immer Kompromisse gefunden werden müssen. Seit die ersten Siedler den sicherlich dichten Buchenwald zu roden begannen, besteht eine Spannung zwischen Ökologie und Ökonomie.
An dem optisch schönen Waldrand-Biotop mit Wildäsenfläche und Obstbäumen markiert eine etwa 200 Jahre alte knorrige Eiche den Eingang in den Wald. Ortsvorsteher Wilfried Ehrenstein wies auf die Pflöcke hin, die die Ausgleichsfläche für den Radweg nach Großmischeid kennzeichnen. Diese Fläche bis zum Wald wird nur ganz extensiv düngerfrei genutzt und nur einmal jährlich gemäht. Die Entwicklung hin zur magerer und saurer werdenden Wiese ist bereits erkennbar.
In dem betrachteten Waldstück war gerade frisch Eichen-Holz gemacht worden als letzte Laubholmaßnahme vor dem Saftanstieg, da die Eichen als letzte austreiben. Das Kronenholz wird von Brennholzselbstwerbern herausgeholt, wobei es die Förster gern sehen, wenn dünne, kleine Äste liegen bleiben, weil die ungemütlichen Hölzer von Rehen gemieden werden und so dem neuen Aufwuchs eine Wachstumschance bieten.
An den liegenden Stämmen zeigte Harald Schmidt die Qualitätsstufen auf: L1 bedeutet beste Qualität, L2 ist noch gut und Totholz ist das minderwertige billigste Holz. Ein Totholzstamm mit 7,5 Metern Länge und einem Mittendurchmesser von 52 Zentimetern ergibt nach Abzug der Rinde 1,63 Kubikmeter Holz. Die Berechnung wird vom Förster in eine Kladde eingetragen und zu Hause in den PC eingetippt. Abgestorbenes Holz wird Jahr für Jahr entwertet. Totholz darf wegen des Schädlingsbefalls nicht exportiert werden.
Aufgearbeitetes Holz wartet am Wegrand auf die Abholer. Es wurde geschlagen, um dem etwa 166 Jahre alten Stieleichen-Bestand gutes Wachstum zu garantieren. Die Eiche ist eine Lichtbaumart, der die wüchsige Buche zusetzt. Mit roten Kringeln markierte Eichen sollen begünstigt werden und Doppelstriche kennzeichnen die Rückegassen, die mit breiträdrigen bodenschonenden Maschinen befahren werden, während die Zwischenfelder von Fahrbewegungen frei bleiben sollen.
Bei der Vorratspflege der Buchen ist zu beachten, dass die Kronen Platz brauchen, daher werden die Eichen daneben regelmäßig durchforstet.
Vor dem Einschlag müssen Gefährdungsmomente vom Förster registriert und in Anweisungen an die Waldarbeiter umgesetzt werden. Da Waldarbeit hoch gefährlich ist, muss dabei sehr geplant vorgegangen werden.
Dem Fichtenbestand „Im Schönholz“, der 62-jährig und älter ist, haben in den vergangenen Jahrzehnten schwere Windwürfe zugesetzt, da Fichten Flachwurzler sind. Die Fläche wurde aufgearbeitet und wieder angepflanzt mit Laubmischwald: Ahorn, Kirsche, Fichte, Birke, Buche, Traubeneiche und Buche als Unterstand. Das Gelände wurde mit Zäunen gegen Wild geschützt und muss – finanziell aufwändig – gemäht werden. Der noch stehende Fichtenreinbestand dagegen ist lukrativ, weil mit einer Vollerntermaschine zügig bearbeitbar. Auf dem Waldboden sieht man Nadelholznaturverjüngungen kombiniert mit einem Voranbau mit Buchen in den Lichtungen.
Schmidt wies auch auf die vielen weiteren Funktionen des Waldes hin zum Beispiel für Erholung, Lärmschutz, Emissionsschutz, Sichtschutz und Wasserschutz und dass jeder Mensch einen Baum für seinen Sauerstoff braucht.
Die Waldwanderer brauchten am Ende der Unternehmung heißen Kaffee, dazu gab es wie immer leckeren Kuchen. Stadtbürgermeister Vis kündigte an, dass die Waldbegehung im nächsten Jahr wieder in den Brückrachdorfer Wald führen wird. htv
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