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Nachricht vom 29.04.2017    

Phantasie-Motivator Sebastian Nitsch in Hachenburg

Einen poetischen Bühnenkünstler hatte die Hachenburger Kultur-Zeit in die Stadthalle eingeladen. Das Publikum steckte Sebastian Nitsch am Samstagabend, 29. April mit positiver Sicht auf das Leben und dessen kleine Freuden an, um im Umkehrverfahren die gute Laune des Publikums anzuzapfen, das immerhin „live“ dabei war und mit schnalzen einen Publikumsgeigerzähler gestaltete.

Sebastian Nitsch. Fotos: Wolfgang Tischler

Hachenburg. Gleich zu Beginn genoss der Künstler die Stille, weil vor vier Wochen seine zweite Tochter geboren wurde. Nitsch plauderte viel aus seinem Privatleben. So gestand er, dass er viele Dinge hinauszögere, zum Beispiel das Spülen. Seine Teller seien früher alle einmal Schüsseln gewesen. „Jetzt“ sei ein unangenehmes Wort, das mit der Freundin „sofort“ ein scheiß Paar bilde, wohingegen „später“ ein schönes, nachweihnachtlich erlösendes Wort sei.

Der Kabarettist philosophierte über die beleidigenden Aufdrucke auf Shampoo-Flaschen und die große Anonymität in seiner Heimatstadt Berlin, in der Studio-Aufnahmen für die Durchsagen in den U-Bahnen mit großer Mühe erstellt werden. Oma- und Opa-Geruch waren dem Künstler noch sehr gegenwärtig, während es Trend ist, dass zu Hause ein Duftvernichter sprüht, obwohl kein Mensch da ist. Kinder haben Klarheit, werden jedoch vom Leben fern gehalten durch intensiv verarbeitetes Essen wie „Quetschies“. Am Arteriosklerose-Aktionstag stehen dicke Kinder hechelnd an der Tür und fordern „Süßes oder Saures!“ Zur Lösung des Problems müsste man die gesunden Lebensmittel cooler umbenennen.



Auch wenn man den Lautlos-Knopf an Mücken gefunden hat, stellt das kleine kurzsichtige Glück fest: „Man steckt einfach nicht drinne!“ Durch den permanenten Gebrauch von Smartphones und ähnlicher Technik werden die Ur-Ur-Enkel alle Ärsche mit Zeigefinger sein und mit wenig Vokalen aber reichlich Zischlauten sprechen. Diese Sprachmodalität wurde gleich mit dem Publikum eingeübt, ebenso wie das Lied „Die Guten sterben alle zu früh-ü“ mit Instrumentalbegleitung auf einer Bauchladen-Mini-Hammond-Orgel.

Nitsch entlarvte die Zahnputzmafia und die überflüssige revitalisierende Hautcreme sowie permanente Ablenkung durch Minimalst-Entscheidungen. Der Mensch hat ein Genie in sich, was man daran erkennt, dass er den Wolf zum Mops weitergezüchtet hat. Es brauche am Anfang Phantasie, um sich eine bessere Welt vorstellen zu können, daher müsse man seine Phantasie immer mal wieder fliegen lassen.

Als Zugabe gab es ein schrulliges Liebeslied im Dunkeln und noch einmal genussvolle Stille. htv



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